Zwiespältig perfekt
Dominium, Köln

Fünf verschiedene Gebäude spielt der Dominium genannte Bürokomplex nahe des Kölner Hauptbahnhofes vor. Doch hinter den Fassaden wurde in Wahrheit nur eine, allerdings eine zwischen Sinnlichkeit und Sachlichkeit oszillierende Arbeitswelt inszeniert.

Den Herrn Kaiser aus dem Fernsehen, den gibt es nicht mehr. Der stets korrekt gekleidete Herr ist ebenso Vergangenheit wie seine Auftraggeberin, die Hamburg-Mannheimer, die in der Ergo Versicherungsgruppe aufging. Dem Wechsel in den Eigentumsverhältnissen folgte - im Werbespot - ein Perspektivwechsel. Die Kamera verfolgt nun einen jungen Mann, der über Brücken schlendert, durch
U-Bahn-Waggons eilt, gründerzeitliche Wendeltreppen hinauf steigt. Mit rotbrauner Lederjacke, verwaschener Jeans und obligatorischem Dreitagebart ausgestattet, poltert er den Ärger der Kundschaft heraus. Und erklärt auf dem Höhepunkt: „Könnt Ihr mal aufhören, mich zu verunsichern?“ Betrachtet man das Kölner „Dominium“, den neuen Sitz des Ergo-Mitbewerbers Generali Deutschland Holding, erinnert man sich beinahe schlagartig daran. Dass an diesem Bürokomplex nahe des Kölner Hauptbahnhofs irgendetwas nicht stimmt, kann man schon an seinen Fassaden sehen. Handwerklich vorbildlich ausgeführt - ohne silbrigschimmernde Abstandshalter und breitschwarze Silikonfugen zum Beispiel –, spielt das Ensemble fünf verschiedene Gebäude vor: fünf neue Naturstein-Fronten - aus rotem und gelbem Sandstein, aus Muschelkalk, Anröchter Dolomit und hellbeigem Kalkstein. Darüber hinaus ist ineine denkmalgeschützte Fassade und mit dem ehemaligen Commerzbank-Palais ein denkmalgeschützter Altbau integriert. Und doch: Obwohl die vermeintlich verschiedenen „Gebäude“ unterschied­liche Höhen haben, sind die Raumhöhen - bis auf die Altbauten - gleich. Sockel und Simse laufen durch, es gibt auch keine springenden Fenster. Selbst die Dachausbildung mit Gauben und Kranzgesims des bis zu zehn Geschosse hohen Komplexes ist nach denselben Prinzipien gestaltet. Tritt man durch den Windfang, läuft durch das metallisch-lichte Aufzugsfoyer und spricht mit den höflich­hübschen Empfangsdamen im glasbedeckten Atrium, ist man in einer anderen Welt. Ein völliger Bruch zwischen Innen und Außen, Paralleluniversen ein paar Schritt weit entfernt, und dann tritt der junge Mann von der Kon­kurrenz vors geistige Auge und sagt seinen erwähnten Spruch auf.

Dieser Bruch resultiert aus einer längeren, Planungs- und Baugeschichte mit einer Reihe von teilweise ineinander verschachtelten Entscheidungsträgern und Auftraggebern. Die Hochtief Projektentwicklung veranstaltete Ende 2004 auf einem von Komödien­straße, Tunisstraße und der Straße Unter Sachsenhausen begrenztem Areal einen Wettbewerb, den Hans Kollhoff gewannen. Auf einem 4 100 m² großem Grundstück sollte eine Bruttogeschossfläche von knapp 25 000 m² plus 240 Stellplätze geschaffen werden. Diese Masse sollte in 45 Mieteinheiten mit eigenen Eingängen und eigenen Adressen geteilt werden. Kollhoff gelang dies mit einer feinkörnigen, parzellenartigen Kammstruktur, die den Block­rand aufnimmt und die Erdgeschosse für andere Nutzungen öffnete . Endinvestor des Dominiums, noch vor Baubeginn, wurde die Generali Lebensversicherung, wobei deren Mutter, die Generali Holding kurz darauf ihren Hauptsitz von Aachen in das verkehrsgünstigere Köln verlegen wollte. Während am Rohbau gearbeitet wurde, folgte auf das Wollen der Entschluss sich mit Kollhoffs Natursteinfassaden, nicht aber mit seinem gediegengewichtigen Raum­konzept anzufreunden. Worauf ein Wettbewerb – zunächst nur die Konferenz- und Vor­-
standsbereiche betreffend - ausgelobt wurde, den das ortsansässige Büro Gatermann + Schossig gewann.

Was ursprünglich geteilt werden sollte, musste nun Einheit werden. Ein fließender, durchlässiger Raum statt abgeschlossene Kabinette. Offenheit, Kommunikation, Transparenz waren gefragt, Modernität und Zukunftsgewandtheit – hinter scheinbar alten Mauern. Nun betrachtet Kollhoff seine Architektursprache gar nicht als „alt“. Sondern lediglich quer zum Zeitgeist – wie viele Konservative, die laut einer ebenso zugespitzten wie treffenden Formulierung des FAZ-Redak­teurs Peter Richter „ihr pures Konservativ- und Unverstandensein schon für eine grafstauffenberghafte Heldentat halten und den Rest des Tages am Einstecktüchlein herumzupfen“. Und also entwickelte Kollhoff aus dem neohistorischen Bestand eine Grammatik für seine historisierende Fassade. Wobei der Naturstein entgegen den Wünschen des Architekten nicht so massiv, sondern wesentlich tapetenartiger ausfiel. Anders als sich einer vergleichbaren Formensprache bedienende Kollegen vermied er den stets so ungeheuer peinlichen Spalt zwischen Pflaster und Fassade. Der Natursteinsockel des Dominiums scheint wirklich aus dem Boden herauszuwachsen - es bedurfte dafür einer eigenen Drainage und einer Genehmigung des Eigentümers. Zwei Joche sowie die Abschlussgesimse ließ Kollhoff bei der denkmalgeschützten neugotischen Fassade rekonstruieren. Die Profilierung, die Tür- und Fenstergewände, die Details – sogar die äußeren Überwachungskameras sind in der Farbe des jeweiligen Natursteins gestrichen – sind präzise, und doch fehlen den Fassaden mit ihren computergeschnittenen und- gefügten Elementen, die Spuren und die kleinen Unterschiede, die nur eine handwerkliche Bearbeitung herstellen kann. Sie wirken leblos und starr wie eine Statue mit Wilhelm II.


Sie suchte den kalkulierten Bruch, sagt Dörte Gatermann. Trotzdem wollte sie mit ihrem Konzept nicht die äußere Erscheinung konterkarieren. Und zudem hatten sie und ihr Team auch im Inneren stets diese ganz andere architektonische Haltung vor Augen: Nicht nur der Rohbau, auch der Brandschutz und die Fluchttreppenhäuser, die Windfänge, das Glasdach über dem Atrium, zwei der drei steinernen Innen­höfe und die Sanierung des Commerzbank-Palais wurden nach den Plänen aus Berlin realisiert. Darüber hinaus hatte Gatermann bei den Regelgeschossen mit einem eher geringen Budget zu kämpfen – dies war die Vorgabe des Projektentwicklers.

In Kollhoffs saniertem Altbau gibt es hohe Räume, wunderbaren Terrazzo, dunkles Parkett, massiv-wertige Holzzargen, bronzierte Schilder, bei den Regelbüros dagegen Teppichboden, Aluzargen, niedrige Flure mit billigen Lampen. Das Mobiliar ist immerhin pragmatisch-elegant, einen bunten Klecks im sachlich-grauen Ambiente bietet eine Bespannung mit kräftig orangefarbenem Wandteppich. Auch offene Teeküchen an den Schnitt­stellen der Flure sowie gläserne Bürotüren mit dezentem Sichtschutz konnten Gatermann und ihr Projektleiter Holger Thor durchsetzen. Erheblich mehr und von ihnen auch ausgezeichnet genutzter Spielraum stand in den von der Generali direkten beauftragten Bereichen - etwa bei der Gestaltung der Konferenzzonen, der Cafeteria und der im Altbau befindlichen Kantine - zur Verfügung. Die verwendeten Materialien, etwa „emailliertes“, d.h. von hinten bedrucktes Glas, Nussbaum und Eiche sowie festes Leder schaffen es dabei überzeugend, lichte Sinn- und zurückhaltende Sachlichkeit zu verbinden. Für die enorm beanspruchten Böden in den Erschließungszonen kam silbrig-graues Steinzeug zum Einsatz.

Die Architekten entwickelten, inspiriert von Generalis CI-Farben, eine Skala aus drei Grund- und einem Dutzend davon abgeleiteten Nebentönen. Die Aufzugskerne etwa wurden als rote Vertikale gestaltet, Gatermann ließ dabei das Glas mit einem Foto eines rot durchgefärbten, gestockten Betons bedrucken. Die Aufzugstür, die Laibung sowie die gegenüberliegende Wand strahlen dagegen im Generali-Silber. Die von den Architekten entworfenen Möbel in der Cafeteria und in der Kantine offenbaren ein sehr guten Blick fürs Detail: Kaffeemaschinen, Getränke-, Brötchen- und Tablettausgabe sind in einem längsrechteckigen, mit diesmal orange bedrucktem Glas verkleideten Möbel untergebracht, das nicht nur flächenbündig, sondern auch praktisch ist. Und die geschwungen-versetzten Ledermöbel bieten nicht nur überraschend neue Gesprächsmöglichkeiten, sondern sehen darüber hinaus auch noch sehr gut aus. Im sogenannten Club­raum, hoch oben im Dachgeschoss, richteten mit den erwähnten Materialien einen Treffpunkt ein, der elegant ist, gleichzeitig aber auch eine gelockerte Stimmung zulässt. Allerdings wirkt dieser Raum wie ein Dachausbau, Projektleiter Thor erinnerte der Innenausbau entsprechend bisweilen ans Bauen im Bestand. Insgesamt und jedes für sich haben beide Architektenteams, die übrigens sehr professionell kooperierten, gute Arbeit geleistet. Dass das Ergebnis dennoch einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt, ist den Entstehungsbedingungen geschuldet. Enrico Santifaller, Frankfurt am Main

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