Architektur des Übergangs
Am Rand eines Wohnviertels im Süden von Rotterdam haben die beiden Architekturbüros De Kovel architecten und studio AAAN den denkmalgeschützten Bauernhof ‚de Kapel’ zu einem Hospiz umgebaut. Eingebettet in die parkartige Polderlandschaft bietet es eine ruhige Umgebung für den Abschied vom Leben.
Die Liebe, sie ist Anker- und Ausgangspunkt des 2017 in Rotterdam gegründeten Vereins „Hospice de Liefde“. Denn Liefde heißt Liebe – zum Leben, zur Familie, zu Freunden und zu den Mitmenschen. Und die brauchen auch am Ende des Lebens einen Raum. Bereits 2016 begann daher ein langer und intensiver Entwicklungsprozess zwischen dem Architekten Herman de Kovel sowie verschiedenen Privatpersonen, Betroffenen, potentiellen Bauträgern und gemeinnützigen Vereinen, die einen solchen Raum des Übergangs schaffen wollten. Er sollte Sterbenden die Möglichkeit bieten, von ihren Angehörigen und vom Leben gemäß buddhistischer Traditionen Abschied zu nehmen: in stiller Kontemplation inmitten der Natur. Herman de Kovel von De Kovel arcitecten und Luuk Stoltenborg vom studio AAAN erhielten den Auftrag, eine Machbarkeitsstudie zu erstellen und ein geeignetes Objekt zu finden.
Historischer Ort mit Potential
Angesichts der begrenzten, größtenteils auf Spenden basierenden finanziellen Mittel wurde de Kovel schnell klar, dass eigentlich nur ein Bestandsgebäude infrage kam, das sie für die Bedürfnisse eines Hospizes umbauen, anpassen und erweitern konnten. Ein geeignetes Objekt für die projektierten 800 m2 Bruttogeschossfläche fand er schließlich im ehemaligen Bauernhof „de Kapel“. „Ich kannte den Bauernhof aus meiner Jugend in den 1960er-Jahren, da ich in der Umgebung aufgewachsen bin“, sagt Herman de Kovel. „Es war für mich natürlich eine besondere Aufgabe, für dieses monumentale Gehöft so viele Jahre später eine Umnutzung zu entwerfen.“
Der Verein „Stichting Volkskracht Historische Monumenten“, unter dessen Verwaltung der Bauernhof stand, war auf der Suche nach einer neuen Nutzung. Der Verein hat sich der Erhaltung und Pflege von Baudenkmälern im Raum Rotterdam verschrieben. So auch diesem Bauernhof, der auf Plänen namentlich seit dem Ende des 18. Jahrhundert erwähnt wird und der mit großer Wahrscheinlichkeit bereits im 17. Jahrhundert errichtet wurde. Zwar wurde das Bauwerk aufgrund seiner baukulturellen und historischen Bedeutung bereits 1975 unter Bundesdenkmalschutz (Rijksmonument) gestellt. Aber dennoch hat er in seiner Geschichte bereits einige bauliche Überarbeitungen durchlitten.
Zwischen 1992 und 2017 diente das Gebäude als Aktivitätszentrum für Erwachsene mit leichten geistigen Behinderungen. Im Zuge der dafür notwendigen Umbauten wurden zwischen 1990 und 1992 viele der für den Bauernhof charakteristischen baulichen Merkmale zerstört und das Anwesen um einen externen Werkraum erweitert. Durch die mehrfachen Umbauten und baulichen Eingriffe in der Vergangenheit liegt der baukulturhistorische Wert des Gebäudes heute in erster Linie in der Bauernhoftypologie, insbesondere in der Baumasse mit dem hohen steilen Reetdach, den Backsteinfassaden und den verschiedenen Fenster- und Türöffnungen.
Renovierung und Umstrukturierung
Gemeinsam mit Luuk Stoltenborg, Partner im studio AAAN, machte sich Herman de Kovel an eine eingehende Analyse des Projekts. Stoltenborg steuerte zahlreiche 3D-Studien und Entwürfe bei, die zur Grundlage für das Fassadenbild, für die Materialwahl und für das grundsätzliche Layout des Projekts wurden. Nach dem Abriss der externen Werkstatt entschloss man sich sehr schnell, die gemeinschaftlichen und administrativen Funktionen im Erdgeschoss und in den Räumlichkeiten unter dem Dach des bestehenden Bauernhofs zu organisieren. Die sechs Gästezimmer – eine Standardzahl für niederländische Hos-
pize – brachten sie hingegen in einem Neubau unter.
Der ehemalige, ostseitig gelegene Kuhstall wurde zum Wohnzimmer und Aufenthaltsraum umgebaut. Dabei legten die Architekten den hölzernen Dachstuhl und die Stützbalken frei und machten so die Struktur des Gebäudes sichtbar. Von diesem zentralen Raum erreicht man die Küche, den Empfangsraum, die Schlafräume für das Personal sowie die Büros und Sitzungszimmer für die Teambesprechungen im Erd- und Obergeschoss. In der südseitigen, schmaleren Erweiterung des historischen Bauwerks mit seinen kleinen Fenstern liegt der nach buddhistischem Vorbild eingerichtete Andachtsraum, dessen giebelhohe Decke ein sakrales Raumgefühl schafft.
Vom Aufenthaltsraum zum Gästetrakt führt ein Verbindungsgang, dessen vollständig verglasten Wände den Blick auf die neu bepflanzten Innenhöfe zwischen Bestand und Neubau freigeben. Er ist ein klares Statement für eine Architektur der fließenden Übergänge.
Energieeffizienter Neubau in Holz
„Das Bewusstsein, dass das Hospiz für die Gäste ihr letzter Wohnort sein wird, verpflichtet den Architekten, gut darüber nachzudenken, welche spezifischen Aufenthaltsqualitäten er dem Orte verleihen will“, sagt Herman de Kovel. Neben der pflegerischen Unterstützung und der medizinischen Versorgung erhalten die Bewohner und ihre Familien auch geistlichen Beistand. Rund 200 Personen bewegen sich im Umfeld des Hospizes. Deren vielfältige Anforderungen und Aufgaben benötigen Raum und Organisation, um die ruhige Gesamtwirkung des Komplexes nicht zu stören. Deshalb er-gaben sich Lage, Form und Baumasse des Neubaus nur zum Teil aus dem Flächennutzungsplan und den Bebauungsgrenzen. Wichtig war auch, die funktionellen Notwendigkeiten von den Bedürfnissen der Gäste zu trennen. „Für uns lag die Priorität bei den Gästezimmern mit ihren hohen Decken auf den großen Fensterfronten und der großzügigen Aussicht in den Garten“, so de Kovel.
Durch das Auslagern der Gästezimmer in den Neubau konnte die Wohnqualität der einzelnen Zimmer ideal gestaltet werden, ohne hierfür den Grundriss des Bestandsgebäudes zu verändern. Komfort statt Kompromiss bestimmten daher die Größe der Schlafzimmer und Nasszellen, den Tageslichteinfall und die Belüftung der Räume sowie die Schall- und Wärmedämmung. Außerdem konnten die Planer die aktuell geltenden niederländischen Baunormen kostengünstig erfüllen. So erhielt der Neubau in Holz-skelettbauweise unter anderem eine Grundwasserpumpe, Solarzellen und Klimatechnik mit Wärmerückgewinnung.
Die 26 m2 großen, geräumigen Gästezimmer mit ihren rund
6 m2 großen Nasszellen entsprechen den funktionellen Anforderungen an Krankenhauszimmer. Zusätzlich sind die Räume so ausgelegt, dass die Sterbenden sie mit persönlichen Gegenständen und Möbeln einrichten können und auch Verwandte und Freunde hier übernachten dürfen. Die Zimmer öffnen sich an der Ostseite mit einer zimmerbreiten Glasfront zum neu gestalteten Garten. Die vorgelagerten überdachten Terrassen erhielten die gleichen schwarz gebeizten Holzplanken, mit denen auch alle weiteren Hausfassaden versehen wurden. Im Gegensatz zur generellen Offenheit der Gänge bieten die Zimmer so einen privaten Rückzugsbereich, der im individuellen Dialog mit dem umgebenden Naturraum steht. Auf diese Weise fügt sich die reduzierte Architektur nahtlos in die karge Polderlandschaft, in welcher die Beete des Gartens bunte Akzente setzen.
Blickbezüge zur Natur und zum Alltag
Transparenz als Ausdruck architektonischer Transzendenz ist das Leitmotiv des Projekts: „Eine Verbindung zwischen den Menschen und der Natur zu schaffen, zwischen dem Innen und dem Außen, sowie das Spiel mit dem Tageslicht und die Verwendung natürlicher, charakteristischer Materialien waren zentrale Elemente für unseren unprätentiösen Entwurf“, erklärt Luuk Stoltenborg vom studio AAAN. Daher wird auch der Erschließungsgang der Räume im Neubau durch großformatige Fenster flankiert, welche so eine visuelle Verbindung zum neu entstandenen Hof herstellen und ein Zurückblicken auf den Bauernhof ermöglichen; dorthin, wo das alltägliche Leben weiterhin stattfindet. Doch auch im Neubau selbst geht es nicht ganz ohne funktionelle Einrichtungen: Am Ende des Erschließungsganges entstand ein Nachtwacheraum und am gegenüberliegenden Ende ein Technikraum. Die Eichenholzverkleidungen der Fenster- und Türrahmen in den Gängen gestalteten die Architekten ebenso sorgfältig, wie die raumhohen Wandverkleidungen hinter denen sich, zwischen den Türen der Zimmer, weitere Schränke verbergen.
Die vertikale Holzbrettschalung der Fassaden aus dunkler, graubraun gebeizter sibirischer Lärche ist eine bewusste Referenz der Architekten an die traditionellen und für diese Gehöfte typischen Holzscheunen. Damit kreieren sie ein harmonisches Zusammenspiel zwischen dem Hauptgebäude und dem Nebengebäude und betten den Neubau in ungezwungener Weise in die Landschaft ein. „Obwohl die Form des Neubaus an die traditionellen Holzscheunen dieser Art von Gehöften referiert, haben wir mit den bronzefarbenen Fenster- und Türrahmen aus Aluminium und dem Zinkdach eine zeitgenössische Ausstrahlung gewählt“, sagt Luuk Stoltenborg. Die Liebe zum Detail gehört eben auch zu den Passionen der Auftraggeber – und der Architekten.
Baudaten
Objekt: Hospice de Liefde
Standort: Kapelburg 298, 3085HV, Rotterdam
Typologie: Hospice
Eigentümer: Stichting Volkskracht Historische Monumenten
Nutzer: Hospice de Liefde
Architekt: De Kovel Architecten in collaboration with Studio AAAN
Projekt Team: Herman de Kovel, Luuk Stoltenborg, Antonia Reif
Landschaftsarchitekten: Peter Moest (Planburo Infra Groen)
Generalplanung: Aannemingsbedrijf de Hek b.v.
Bauausführende: De Hek b.v (hoofdaannemer).; van Houwelingen b.v (Elektra); Midden Holland (verwarming en ventilatie) b.v; Eemshout prefab; Trabor gevel-en kozijntechniek b.v. Littel interieurbouw
Bauzeit: 06.2018 - June 2019
Specialists:
Structural Planning: Pieters Bouwtechniek Delft b.v.
Heating: Deerns Nederland b.v.
Lighting: Deerns Nederland b.v.
Electrical Installations: Deerns Nederland b.v.
Energy Designer: Deerns Nederland b.v.
Adviseur / specialist geluid: Bureau Bouwfysica b.v.
Interior Designer: x
Data relating to the project:
Site area 7700 m²
Floorplate area/site (building) 435 m² (existing building – hospice )
386 m² (extension – hospice )
115 m² (existing building – house )
Main usable space x m² (wat wordt hieronder verstaan?)
Additional usable space x m² (wat wordt hieronder verstaan?)
Functional space 455 m² (existing building - hospice)
230 m² (extension - hospice)
115 m² (existing building - house)
Traffic Space 130 m² (existing building – hospice )
70 m² (extension – hospice )
50 m² (existing building - house)
Total Gross Area 930 m² (existing building)
350 m² (extension)
Gross Volume 5720 m³ (existing building)
1000 m³ (extension)
Cost of construction:
Total cost 1.400.000 € incl. 21% btw (vat)
Main usable space (spa area) x €/m² onbekend
Gross volume (spa area) x €/m³ onbekend
Energy Needs:
Primary energy demand 223,4 kWh/m² (extension)
Final energy demand 309.7 kWh/m² (extension)
Renewable energy 27%
Annual heating demand 65 kWh/m² Annual usage heating = 81363 MJ (extension)
Energy concept
U-value exterior wall = 0.2 W/(m²K)
U-value floor base plate = 0.3 W/(m²K)
U-value roof = 0.15 W/(m²K)
Uw-value windows = x W/(m²K) onbekend
Ug-value glazing = 1.1W/(m²K)
Baudaten
Objekt: Hospice de Liefde
Standort: Kapelburg 298, Rotterdam/NL
Typologie: Hospiz
Eigentümer: Stichting Volkskracht Historische Monumenten
Nutzer: Hospice de Liefde
Architektur: De Kovel architecten, Rotterdam/NL,
www.dekovelarchitecten.nl, studio AAAN, Rotterdam/NL, www.aaan.nl
Projekt Team: Herman de Kovel, Luuk Stoltenborg, Antonia Reif
Landschaftsarchitekten: Peter Moest (Planburo Infra Groen), Capelle aan den IJssel/NL, www.infragroen.nl
Generalplanung: Aannemingsbedrijf de Hek b.v., Giessenburg/NL www.dehekbv.nl
Bauausführende: De Hek b.v (Hauptauftragsnehmer), van Houwelingen (Elektrik); Midden Holland (Klima und Wärme), Eemshout prefab (Vorfertigung), Emshaven/NL, www.eemshout.nl, Trabor gevel-en kozijntechniek (Innenausbau), Gießen/NL,
www.trabor.nl
Bauzeit: Juni 2018 - Juni 2019
Fachplaner
Tragwerksplaner: Pieters Bouwtechniek Delft b.v., Delft/NL,
www.pietersbouwtechniek.nl
Energieplaner, Heizung, Elektroinstalltionen: Deerns Nederland b.v., Den Haag/NL, www.deerns.nl
Berater: Bureau Bouwfysica b.v., Capelle aan den IJssel/NL, www.burobouwfysica.nl
Projektdaten
Grundstücksgröße: 7 700 m²
Grundfläche: 435 m² (Bestandsgebäude Hospiz), 386 m² (Erweiterung Hospiz), 115 m² (Wohngebäude Bestand)
Nutzfläche: 455 m² (Bestandsgebäude Hospiz), 230 m² (Erweiterung Hospiz), 115 m² (Wohngebäude Bestand)
Verkehrsfläche: 130 m² (Bestandsgebäude Hospiz ), 70 m² (Erweiterung Hospiz), 50 m² (Wohngebäude Bestand)
Brutto-Grundfläche: 930 m² (Bestand), 350 m² (Erweiterung)
Brutto-Rauminhalt: 5 720 m³ (Bestand), 1 000 m³ (Erweiterung)
Baukosten: 1 400 000 €
Energiebedarf
Primärer Energiebedarf: 223,4 kWh/m² (Erweiterung)
Endenergiebedarf: 309,7 kWh/m² (Erweiterung)
Erneuerbare Energie: 27 %
Jahresheizwärmebedarf: 65 kWh/m²
Gebäudehülle
U-Wert Außenwand = 0,2 W/(m²K)
U-Wert Bodenplatte = 0,3 W/(m²K)
U-Wert Dach = 0,15 W/(m²K)
Ug-Wert Verglasung = 1,1W/(m²K)
Der denkmalgeschützte Bauernhof aus dem 18. Jahrhundert bildet mit seiner Aura und Geschichte das Herzstück des Hospizes. Der Neubau nimmt zwar Abstand zum Bestandsgebäude, folgt in seiner Typologie und Materialität aber ganz den Gestaltungstraditionen der Region und vervollständigt auf diese Weise das Ensemble. Eingebettet in die Natur entsteht so ein besonderer Ort für die Gäste des Hospizes.«
⇥DBZ HeftpartnerInnen Barbara Schott und
⇥Edzard Schultz, Heinle, Wischer und Partner, Berlin