Berge von Bildern und anderem
„Dresdens Tor zum Himmel. Die erste aerodynamisch geformte Luftschiffhalle und ihr Einfluss auf die Baugeschichte“ ist der Titel eines gewichten Querformats, dessen Autor kein Ingenieur, kein Architekt, sondern der Künstler und Schüler von Christian Boltanski, Roland Fuhrmann ist. Allerdings: Der Mann ist mit zahlreichen seiner Objekte in auch größeren Bauten präsent, seine Vorliebe zum räumlichen Arbeiten ist unübersehbar.
Der gebürtige Dresdner hatte nun offenbar Zeit für eine sehr ins Detail gehende Untersuchung eines überaus spektakulären Bauwerks seiner Heimatstadt, der vom Zivilingenieur Ernst Meier (1868–1934) entwickelten, entworfenen und realisierten Luftschiffhalle aus dem Jahr 1913. Die Halle stand nicht lange, heute sollten noch ihre Fundamente unter der Erde liegen und warten, bisher vergeblich, auf ihre Erhebung in den Status eines Bodendenkmals.
Die großformatige Bucharbeit, eine Dissertation, die ihren Ursprung in ersten Arbeiten seit 2009 hat, geht nun dem Bau in Dresden auf den Grund, seinen Eigenarten (wie beispielsweise den innovativen Drehtoren) wie auch seiner Rezeption und der kulturgeschichtlichen wie ingenieursmäßigen Wirkung. Dabei erklärt der Autor uns die Luftschifffahrt der ersten zwei Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts, trägt Berge von Zeichnungen, Plänen und teils wunderbare Fotografien von Hallen und Luftschiffen oder den meist sehr feierlich anmutenden Landeplätzen zusammen. Die zeigen das unglaublich Fililgrane der Konstruktionen, aber auch das Scheitern dieser einzigartigen Gebäudetypen, was Letzteres dabei eine durchaus eigene (Bild-)Ästhetik besitzt.
Die Darstellung des Einflusses der Luftschiffhallen auf die vermutet breitere Baugeschichte, wie im Untertitel versprochen, wird man hier nicht finden. Fuhrmann bezieht sich ausschließlich auf den Hallenbau, insbesondere den der 1930er- und 1940er-Jahre, in den USA. Das Aerodynamische am Dresdner Beispiel belegen zu wollen, gelingt insofern, als der Autor diese nachweist, sie aber dem Ingenieur der Halle als vorsätzliche und bewusste Planung nicht nachweisen kann.
Dass mit der Auflistung der Biografien maßgeblich Beteiligter am Ende des Buches, das trotz allem Umfangs leicht und mit Drang zu jeder Folgeseite zu lesen ist, wieder einmal bewusstgemacht wird, dass die Welt der Ingenieure entweder eine reine Männersache ist oder vielleicht auch die Brille des männlichen Kollegen und seiner männlichen Prüfer hier blinde Flecken an den entscheidenden Stellen hatte, man könnte das in eigener Recherche verifizieren. Davon abgesehen allerdings muss man dem Autoren dankbar dafür sein, dass er uns mittels seiner spannenden Geschichten einen Ingenieurbautypen in Erinnerung gerufen hat, der nicht mehr in unsere scheinbar so smarten Zeiten passen möchte. Völlig zu Unrecht, wie wir jetzt wissen. Be. K.