Die Quotierung des Kreises

Interview mit Dr. Christine Lemaitre

Die europäischen Bemühungen, die Bauwirtschaft kreislauffähig zu gestalten, stecken noch in den Kinderschuhen. Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB e.V.) hat nun mit Partner:innen nach den Ursachen geforscht und sich gefragt, wie man den Prozess beschleunigen kann. Ein Gespräch mit Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand der DGNB, über Hemmnisse und Perspektiven auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Architektur.

Interview: Jan Ahrenberg/ DBZ

Dr. Christine Lemaitre ist seit 2010
Geschäftsführender Vorstand der
Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V.
Foto: DGNB
Dr. Christine Lemaitre ist seit 2010
Geschäftsführender Vorstand der
Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V.
Foto: DGNB


Frau Lemaitre, vor mehr als 20 Jahren bereits veröffentlichten William McDonough und Michael Braungart ihr Werk „Cradle-to-cradle“. Selbst für die eher behäbige Baubranche ist das viel Zeit, um entsprechende Strukturen aufzubauen. Was ist bisher geschehen?

Ich bin nicht sicher, ob die Baubranche so viel behäbiger als andere Branchen ist. Grundsätzlich ist die Transformation zu einer zirkulären Wirtschaftsweise eine systemische Aufgabe, die nur begrenzt auf Produkt- bzw. der Gebäudeebene stattfinden kann. Im Baubereich gibt es ja bereits funktionierende Kreisläufe, zum Beispiel im Straßenbau. Menschen weiter- und wiederverwenden Materialien, seitdem Gebäude gebaut werden. Schon das Kolosseum wurde teilweise rückgebaut, um mit den Steinen neue Bauwerke zu errichten und aus den Materialverbindern neue Dinge wie Waffen herzustellen. Heute sagen wir dazu Urban Mining. All das ist natürlich nicht genug und gerade in den letzten Jahrzehnten hat sich im Bausektor eine Wegwerfmentalität etabliert, die durch die kürzer werdenden Nutzungszeiträume der Gebäude noch negativ verstärkt wird. Wir brauchen ein Umdenken und die Strukturen, um Materialien zu erfassen und verfügbar zu machen. Zudem muss die zugehörige Logistikinfrastruktur aufgebaut werden.

Da setzt die EU an, indem sie mithilfe einer Taxonomie Kapitalströme in ökologisch nachhaltigere Wirtschaftsaktivitäten lenken will. Auch in der Bauwirtschaft. Wie funktioniert dieses Instrument?

Den Kern der EU-Taxonomie bildet ein Klassifizierungssystem mit konkreten Nachhaltigkeitskriterien. Bisher gibt es sechs Umweltziele, wobei für die ersten beiden Ziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ bereits konkrete Kriterien vorliegen. Immobilien gelten als Taxonomie-konform, wenn sie einen erheblichen Beitrag zu einem Umweltziel leisten sowie die Mindestanforderungen („Do No Significant Harm“) der weiteren fünf Umweltziele erfüllen und soziale Schutzmaßnahmen sicherstellen. Bisher kann man also für eine Immobilie, die Taxonomie-konform sein soll, zwischen den Klimathemen wählen. Im Frühjahr 2022 kam der Entwurf der Kriterien für das vierte Umweltziel „Wandel zur Kreislaufwirtschaft“ hinzu.


Erfüllungsgrad der Circular Economy-Taxonomie-
Kriterien bei den untersuchten Neubauten
Grafik: DGNB

Erfüllungsgrad der Circular Economy-Taxonomie-
Kriterien bei den untersuchten Neubauten
Grafik: DGNB


Wie sieht dieser Entwurf aus?

Die Anforderungen beziehen sich zum einen darauf, wie wir heute Abfälle vermeiden und Wertstoffe weiternutzen können und zum anderen auf die Sicherstellung, dass die Ressourcen zum Lebensende des Gebäudes wieder in den Kreislauf geführt werden können. Konkrete Anforderungen sind also, dass die beim Bau anfallenden Abfälle gemäß dem EU-Protokoll für Abbruch- und Bauabfälle behandelt werden. Zudem müssen 90 Prozent der nicht gefährlichen Bau- und Abbruchabfälle für die Wiederverwendung oder das Recycling vorbereitet werden. Des Weiteren müssen Projektverantwortliche eine Ökobilanz des gesamten Gebäudes durchführen und die Umweltwirkungen, wie etwa den CO-Fußabdruck, die mit dem Bauprojekt einhergehen, offenlegen. Mit Blick in die zukünftige Kreislauffähigkeit, muss bereits im Entwurf ersichtlich sein, dass ressourceneffiziente, anpassungsfähige, flexible und rückbaubare Gestaltungs- und Konstruktionsprinzipien angewandt werden. Darüber hinaus muss nachgewiesen werden, dass von der Gesamtmenge an Baumateria­lien mindestens 15 Prozent aus wiederverwendeten, 15 Prozent aus recycelten und 20 Prozent aus wiederverwendeten, recycelten oder nachwachsenden Ressourcen stammen.

Das ist bereits sehr konkret…

Es geht noch weiter: Für das Ziel schadstofffreier Kreisläufe ist der Nachweis gefordert, dass die Bauteile und Materialien weder Asbest noch „besonders besorgniserregende Stoffe“ (substances of very high concern, SVHC) gemäß der REACH-Verordnung enthalten. Für Renovierungen gilt, dass 50 Prozent des ursprünglichen Gebäudes erhalten werden muss. Die achte Anforderung betrifft die (elektronische) Bereitstellung der Informationen über die verwendeten Baumateria­lien sowie Hinweise zur Wartung und Pflege, die den zukünftigen Gebäudeverantwortlichen zur Verfügung gestellt werden müssen. Die Mindestanforderungen („Do No Significant Harm“), die man zusätzlich erreichen muss, wenn man sich beispielsweise für das „Umweltziel Klimaschutz“ entscheidet, sind auf drei Punkte beschränkt. Das Abfallaufkommen muss begrenzt werden, z. B. durch einen selektiven Rückbau. Die Quote für die Aufbereitung der Abfälle liegt bei 70 Prozent. Und die kreislauffähigen Entwurfsprinzipien müssen eingehalten werden.


Anzahl der Gebäude je Typ, die im Rahmen der Studie zur Circular Economy-Taxonomie untersucht wurden
Grafik: DGNB

Anzahl der Gebäude je Typ, die im Rahmen der Studie zur Circular Economy-Taxonomie untersucht wurden
Grafik: DGNB


Wie werden sich diese Anforderungen auf die Branche in den kommenden Jahren auswirken?

Man muss verstehen, dass die EU-Taxonomie und die Kriterien vor allem in der Finanz- und Immobilienwirtschaft angesiedelt sind. Wir erleben in der Immobilienbranche derzeit einen regelrechten ESG-Hype. ESG steht für Umwelt, Soziales und Governance (Environmental, Social, Governance) und wird als Berichtsrahmen für die Nachhaltigkeitsstrategie von Unternehmen genutzt. Um für Investor:innen, Mieter:innen und andere Akteur:innen attraktiv zu sein, müssen Immobilien heute ESG-konform sein. Was genau ESG bedeutet, wird allerdings gerade relativ willkürlich von verschiedenen Rating-Agenturen definiert. Die EU-Taxonomie sorgt erstmals dafür, dass zumindest das „E“ standardisiert definiert ist. In der Finanzierungswelt und im (Ver-)Kauf von Immobilien tut sich also gerade einiges. Und natürlich wirken sich diese Themen sukzessive auch auf alle Bauschaffenden aus, denn jedes Gebäude und jede Infrastrukturmaßnahme benötigen eine Finanzierung und gerade Transparenz funktioniert nur, wenn alle Informationen über die gesamte Wertschöpfungskette verfügbar sind.

So wird die Kreislaufwirtschaft über die Kapitalströme irgendwann zwangsläufig in die Architektur gespült?

Nicht unbedingt. Solange die Kreislaufwirtschaft alleine mittels überambitionierter Quoten definiert wird, werden sich die meisten Investor:innen wohl für die einfacher zu erfüllenden Umweltziele entscheiden. Insofern ist die Hebelwirkung der Kriterien im aktuellen Entwurf noch nicht besonders hoch. Wir haben der EU zurückgespielt, dass sie die Ambitionen der einzelnen Umweltziele ausbalancieren sollten. Denn sonst setzt die Taxonomie keine Anreize für eine schnelle Transformation zu einer echten Kreislaufwirtschaft. Unabhängig von den EU-Forderungen sorgen aber natürlich auch Themen wie die Rohstoffknappheit, Preissteigerungen und ungewünschte Abhängigkeiten von anderen Ländern dafür, dass in Politik und Gesellschaft die Bereitschaft für das Thema Kreislaufwirtschaft wächst.


Erfüllter Anteil an nachwachsenden
Rohstoffen sowie recycelten und wiederverwendeten Baumaterialien am gesamten Materialvolumen
Grafik: DGNB

Erfüllter Anteil an nachwachsenden
Rohstoffen sowie recycelten und wiederverwendeten Baumaterialien am gesamten Materialvolumen
Grafik: DGNB


Tatsächlich fällt derzeit auf Messen, in der Produktwerbung  und auf den meisten Symposien der Branche irgendwann das Wort „kreislauffähig“. Ist der Knoten jetzt geplatzt oder ist das nur eine Mode?

Das ist sicher eine Mischung aus beidem. Das Verständnis, dass ein „Weiter so“ keine Option ist, setzt sich immer mehr durch. Wie die Transformation konkret gehen kann, ist eine andere Frage. Gerade wenn wir auf unsere Studie zur Circular Economy-Taxonomie der EU schauen, sehen wir, dass Anspruch und Wirklichkeit noch nicht zusammenpassen. Kein Gebäude konnte die Anforderungen erfüllen und mehr als die Hälfte lag unter 50 Prozent Erfüllungsgrad.

In Ihrer Untersuchung haben Sie versucht, anhand von realisierten Projekten zu ermitteln, wie es um den Anteil von recycliertem Mate­rial und wiederverwendeten Bauteilen bei aktuellen Projekten bestellt ist und wie es mit der Rückbaubarkeit und Wiederverwendung aussieht. Würden Sie uns kurz einen Einblick in die Methodik geben?

Wir haben 38 Projekte – davon drei Sanierungen und 35 Neubauten – untersucht, wobei ein Großteil in der Planungsphase war. Insgesamt standen dahinter 31 Unternehmen, wovon die meisten Projektentwickler:innen waren, gefolgt von Bauunternehmen, Beratungsfirmen, Investor:innen, Banken und jeweils einem Asset Manager und einem Konzern mit eigenem Immobilienportfolio. Als Methode wählten wir einen umfangreichen Fragenkatalog, der auf Grundlage der EU-Kriterien aufgebaut war. Die Studienteilnehmenden hatten von Mitte Juli bis Anfang September 2022 Zeit, ihn zu bearbeiten. Darüber hinaus gab es verschiedene Meetings, in denen wir Fragen beantworteten und Tools zur Bearbeitung der Anforderungen erklärten. In den Fragebögen haben wir auch die Verlässlichkeit der Daten ermittelt.

Welche Kernaussagen ergeben sich aus dieser Untersuchung?

Keines der Projekte konnte die vorgeschlagenen Kriterien vollständig erfüllen. Neben den schon genannten hohen bis unerreichbaren Quoten ist eine andere Hauptursache, dass Daten fehlen, um Kreislaufwirtschaft in der geforderten Art und Weise nachzuweisen. Es fehlte aber auch schlichtweg Wissen und geeignete Methoden sowie Definitionen, um die Anforderungen zu erfüllen.

Gab es auch positive Ergebnisse?

Grundsätzlich schnitten die Projekte in den Kriterien, die die künftige Kreislauffähigkeit betreffen besser ab. So konnten knapp drei Viertel nachweisen, dass die Aspekte „Ressourceneffizienz“ und „Rückbaubarkeit“ in gefordertem Maße berücksichtigt wurden. Man muss dazu sagen, dass der Großteil der Projekte eine Nachhaltigkeitszertifizierung durchgeführt hatte oder sich aktuell in dem Prozess befindet, sodass die darin definierten Methoden zur Nachweisführung verwendet werden konnten. Auch die Ökobilanz konnten 90 Prozent der Projekte durchführen. 

Und die größten Schwächen?

Besonders herausfordernd war die Erfüllung der Materialquoten, also die Verwendung von mindestens 15 Prozent wiederverwendeter, 15 Prozent recycelter und 20 Prozent als Kombination aus wiederverwendeten, recycelten oder nachwachsenden Materialien. Im Durchschnitt konnten 65 Prozent der Projekte die Quoten nicht erfüllen. Am ehesten erfüllt werden konnte die Quote bezüglich nachwachsender Rohstoffe.

Warum sind die Recyclingquoten und der Anteil wiederverwendeter Bauteile so schlecht?

Weil Kreislaufwirtschaft eben noch nicht so in der Baupraxis angekommen ist, wie es durch die Präsenz des Themas in Beiträgen, Vorträgen oder auf Social Media suggeriert wird. Die Ergebnisse der Studie stehen im direkten Kontrast zu den zahlreichen Projekten, die mit „100 Prozent zirkulär“ beworben werden. Dabei handelt es sich jedoch um Neubauten, die – hoffentlich – lange nicht zurückgebaut werden. Wenn es in 100 Jahren soweit ist, können wir nur hoffen, dass es einfacher und besser läuft als in der heutigen Rückbaupraxis. Dieses Prinzip Hoffnung darf uns jedoch nicht reichen und vor allem nicht den Fokus verschieben: Es geht darum, heute CO2 einzusparen, Ressourcen zu schützen und unsere Biodiversität zu bewahren! Hier müssen wir ansetzen und Kreislaufwirtschaft als eine Methode zur Lösung verstehen, aber nicht als Ziel um jeden Preis.

In welche Richtung geht es weiter?

Das Ergebnis zeigt deutlich, dass es noch zu wenig Verständnis dafür gibt, welche Recycling- und Wiederverwendungsquoten realistisch sind. Zum einen fehlen die Daten, zum anderen ist zirkuläres Bauen ein systemisches Thema. Wenn die entsprechenden Materialien und Rezyklate nicht verfügbar sind, habe ich auf Gebäudeebene nur begrenzte Möglichkeiten. Darin liegt auch der große Unterschied zu den Klimaschutzthemen mit ihrem Fokus auf die CO2-Einsparung. Hier kann ich auf Gebäudeebene durch Materialwahl, Architektur und Energiekonzeption sehr viel relativ eigenständig umsetzen. Für den Wandel zur Kreislaufwirtschaft müssen wir hingegen über unsere Wirkungen und Aktivitäten im Hier und jetzt nachdenken und sprechen: Wie funktioniert das Stoffstrommanagement? Wie schließen wir die Lücke zwischen Neubau und Rückbau? Wie schaffen wir es, dass ein Produkt nicht erst zu Abfall deklariert wird, bevor es über viele mühsame Prozesse wieder zu einem einsatzfähigen Bauprodukt werden kann? Materialverwertung ist ein regionales Thema, denn auch die Transportemissionen dürfen wir nicht ignorieren. Wie bringen wir also Kommunen dazu, sich einem entsprechenden Flächenmanagement anzunehmen? Für die Beantwortung dieser Fragen müssen alle Akteurinnen und Akteure an einen Tisch und es braucht Wertschätzung für das jeweilige Expert:innenwissen. Wann wurde zuletzt ein Entsorgungs- oder Rückbauunternehmen auf die Podien geladen, auf denen über zirkuläres Bauen diskutiert wird?

Welche Rolle kommt hier der Architektur zu? Einzelne, gerade kleinere Planungsbüros sind heute meist noch damit überfordert, kreislauffähige Materialien und Techniken einzusetzen. Haben Sie eine Idee, wie sie sich vernetzten, Kompetenzen stärken und brachliegende Ressourcen nutzen können?

Ein Kernelement ist sicher, die richtigen Fragen zu stellen und das Rad nicht immer wieder selbst neu erfinden zu wollen. Wir haben bei der DGNB eine Reihe von Hilfestellungen erarbeitet, um mit dem Thema umzugehen und es ganzheitlich im Planungs- und Bauprozess zu verankern. Wir müssen für jedes Bauprojekt das jeweilige Optimum finden und auch ehrlich mit Zielkonflikten umgehen. Konkrete Publikationen der DGNB, die hier helfen, sind der Circular Economy Report und die Publikation „Im Fokus: Zirkuläres Bauen“, in der wir eine Definition für zirkuläres Bauen festlegen.

Und welche konkreten Hilfsmittel stehen Ingenieur:innen und Architekt:innen derzeit zur Verfügung, um etwa Recyclingquoten und Wiederverwertbarkeit so zu dokumentieren, dass sie sie als wichtigen Teil der Wertschöpfungskette vermarkten können?

Da beim zirkulären Bauen sehr viele Informationen und Wissen zusammenkommen, hat die DGNB einen Gebäuderessourcenpass (GRP) entwickelt und kürzlich veröffentlicht. Er bildet eine gemeinsame Grundlage, an der sich Bauschaffende orientieren können. Die verschiedenen digitalen Datenbanken und Plattformen haben den GRP teilweise bereits in ihre Software integriert.

Wie sieht der GRP konkret aus?

Wir haben sechs Kernbereiche festgelegt. Erfasst werden zunächst die allgemeinen Gebäudeinformationen wie Standort, Baujahr, aber auch die Gesamtmasse und der Flächenbedarf des Gebäudes sowie der Hinweis, auf welcher Datenbasis die Angaben beruhen. Im zweiten und dritten Bereich wird der heutige Beitrag zur Kreislaufwirtschaft aufgeführt. Im zweiten Bereich gibt es Hinweise zur Materialität, zu Schad- und Risikostoffen, zur Materialherkunft und dem Abfallaufkommen. Im dritten Feld wird eine Lebens­zyklus­analyse hinsichtlich der CO2-Emissionen abgefragt. Der vierte Bereich betrifft die Nutzung und gibt Auskunft über die Anpassungsfähigkeit der Gebäudestruktur. Dabei wird zum Beispiel die Umnutzungsfähigkeit berechnet oder aufgezeigt, inwiefern die Gebäudestruktur erweitert werden kann. Der fünfte und sechste Punkt betrifft die künftige Kreislauffähigkeit. Feld fünf bezieht sich auf die Verwertungsmöglichkeiten zu einem späteren Zeitpunkt. Abgefragt werden Themen wie Demontagefähigkeit, die werkstoffliche Trennbarkeit und die Nachnutzungswege. Der letzte Bereich betrifft die Dokumentation. Hier geben Planende an, welche Datenbank genutzt wird und inwiefern der Gebäuderessourcenpass aktualisiert wird.

Allein mit dem GRP wird es aber nicht gehen.  Wie kann die Politik den Wandel unterstützen und die Industrie endlich dazu bringen, auf breiter Front in die Entwicklung kreislauffähiger Produkte und Prozesse zu investieren? Immerhin bedeutet der geringe Anteil an kreislauffähigen Produkten doch auch, dass hier eine Marktchance besteht …

Genau über die Fokussierung auf die systemische Transformation. Die Infrastruktur muss aufgebaut und ausgebaut werden, um Materialien, die heute ausgebaut werden, regional als neuen Rohstoff verfügbar zu machen. Die komplexe Rechtslage rund um das Thema ist eine große Aufgabe, damit dürfen die Hersteller und Abbruchunternehmen nicht allein gelassen werden. Die Politik hat die große Verantwortung, die Interaktionen der Themenkomplexe Klimaschutz, Ressourcenschutz und Biodiversität zu adressieren und Kreislauffähigkeit nicht zum Selbstzweck zu erheben.

Sondern?

Wenn wir endlich verstanden haben, wie wichtig der Bestandserhalt für den Klimaschutz ist, stellt sich die Frage, an wen sich die Quoten richten. Eigentlich müssten wir für jeden Abriss, der wirklich notwendig ist, eine 100-Prozent-Recyclingquote fordern und die Quoten nicht an die Neubauten hängen. Wir sehen heute schon einen „Recyclingtourismus“, wenn Material quer durch Deutschland gefahren wird, um eine bestimmte Quote zu erreichen. Dabei werden allein durch den Transport CO2-Emissionen verursacht, die eine etwaige Einsparung durch die Wiederverwendung des Materials relativieren. Das ist ein Zielkonflikt, den wir ganzheitlich adressieren müssen und der zu ehrlichen und realistischen Quoten und Maßnahmen führen muss. Die Frage „Wie viel müssen wir neu bauen?“ ist jedoch untrennbar mit der Frage nach ausreichenden Mengen verbunden. Wir haben heute nicht genug Material, um das, was neu gebaut wird, zum Großteil aus recycelten Baustoffen zu bauen. Hier können wir sicher noch effizienter werden.


Links:

Die Studie sowie die genannten Reports können hier kostenfrei angefordert werden: www.dgnb.de/publikationen
Mehr Informationen rund um das zirkuläre Bauen gibt es hier: www.dgnb.de/zirkulaeres-bauen
Der Gebäuderessourcenpass steht hier zum kostenlosen Download bereit: www.dgnb.de/gebaeuderessourcenpass

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