Ein Dreisatz zur CO₂-Reduktion
Beton ist heute ein unverzichtbarer Bestandteil des modernen Bauwesens. Jahr für Jahr werden weltweit rund 8 Mrd. Tonnen Beton produziert und verbaut, sei es in Hochhäusern, Brücken oder Infrastrukturprojekten. Doch dieser Alleskönner hat auch eine dunkle Seite: Beton trägt maßgeblich zur Erderwärmung bei. Besonders die Herstellung von Zement, der als Bindemittel im Beton verwendet wird, verursacht enorme Mengen an CO₂-Emissionen. Dieser Prozess setzt durch den hohen Energieaufwand bei der Herstellung von Klinker, der Hauptkomponente von Zement, große Mengen an Kohlenstoffdioxid frei. Die Betonindustrie steht daher zunehmend im Fokus, da sie für etwa 8 % der globalen CO₂-Emissionen verantwortlich ist.
Die gute Nachricht ist, dass es zahlreiche innovative Ansätze gibt, um die CO₂-Bilanz von Beton deutlich zu verbessern. Die Forschung arbeitet intensiv an Lösungen, die den CO₂-Fußabdruck dieses Baustoffs verringern können, ohne seine herausragenden Eigenschaften wie Festigkeit, Langlebigkeit und Flexibilität einzubüßen. Drei wichtige Handlungsfelder, die derzeit besonders im Blickpunkt der Forschung und Entwicklung stehen, sind die Wahl des Bindemittels, die Verwendung von alternativen Gesteinskörnungen und die Beschleunigung der Karbonatisierung.
Handlungsfelder zur Reduzierung des CO₂-Ausstoßes.
1. Bindemittel: Der Schlüssel zur CO₂-Reduktion
Zement ist der wichtigste Bestandteil von Beton, doch gerade seine Herstellung ist äußerst energieintensiv und setzt eine beträchtliche Menge CO₂ frei. Daher liegt einer der größten Hebel zur Reduktion des CO₂-Ausstoßes in der Entwicklung von alternativen Bindemitteln. Ein vielversprechender Ansatz ist die Verwendung von klinkerreduzierten Zementen, bei denen der Anteil des energieintensiven Klinkers durch weniger CO₂-emittierende Materialien wie Flugasche, Hüttensand oder Kalksteinmehl ersetzt wird. Durch diese Substitutionen können die CO₂-Emissionen um bis zu 50 % gesenkt werden. Flugasche ist ein Abfallprodukt bei der Verbrennung von Kohle in Kohlekraftwerken und Hüttensand ist ein Nebenprodukt der Stahlproduktion. Durch den Trend der Verwendung von erneuerbaren Energien und Rohstoffen könnten auch diese Materialien in Zukunft knapp werden. Daher sollte sich die Baustoffforschung verstärkt auch auf die Entwicklung und Erprobung geeigneter Alternativen konzentrieren.
Ein weiterer innovativer Ansatz ist die Entwicklung von LC3-Zementen (Limestone Calcined Clay Cement), die aus einer Mischung von kalziniertem Ton und Kalkstein bestehen. Diese Zemente benötigen bis zu 40 % weniger Klinker und reduzieren den CO₂-Ausstoß bei der Produktion um ein erhebliches Maß. Ein Vorteil der Verwendung von kalziniertem Ton ist, dass dieser Rohstoff fast weltweit zur Verfügung steht. Die Rezyklierbarkeit von Betonen nimmt jedoch mit der Verwendung von kalziniertem Ton ab.
Auch Geopolymere gewinnen zunehmend an Bedeutung. Diese Bindemittel bestehen aus industriellen Abfallprodukten wie Flugasche und Metallschlacken und benötigen keine hohen Temperaturen zur Herstellung. Geopolymere können die CO₂-Emissionen der Betonproduktion um bis zu 80 % reduzieren. Derzeit besteht weiterhin Forschungsbedarf im Bereich der Geopolymere, da deren Konsistenz bislang nicht mit der von Frischbeton vergleichbar ist, was beim Einbau zu Herausforderungen führen kann.
2. Gesteinskörnung: Der Einsatz von Recyclingmaterialien
Neben dem Bindemittel spielt auch die Wahl der Gesteinskörnung eine entscheidende Rolle für den CO₂-Fußabdruck von Beton. Traditionell werden natürliche Materialien wie Sand und Kies als Zuschlagstoffe verwendet. Doch der Abbau dieser Rohstoffe ist nicht nur ressourcenintensiv, sondern verursacht auch CO₂-Emissionen durch den Transport. Eine nachhaltigere Alternative ist der Einsatz von Recyclingbeton. Bei diesem Verfahren wird alter Beton als Gesteinskörnung wiederverwendet, was den Bedarf an neu abgebautem Material verringert und gleichzeitig die CO₂-Emissionen durch Transportwege reduziert. Derzeit ist der Einsatz von rezyklierter Gesteinskörnung aus Altbeton noch stark eingeschränkt. Dies liegt unter anderem daran, dass diese Gesteinskörnung oft Anteile von unreagiertem Zement enthält, die die Abbindung und Härtung von neuem Beton beeinträchtigen können. Aus diesem Grund konzentriert sich die aktuelle Forschung insbesondere auf Methoden, um Altbeton möglichst präzise in seine ursprünglichen Bestandteile zu zerlegen und so das maximale Recyclingpotenzial auszuschöpfen.
In der Forschung wird außerdem untersucht, wie Gesteinskörnung gezielt behandelt werden kann, um ihre Fähigkeit zur Karbonatisierung zu fördern. Dabei handelt es sich um den natürlichen Prozess, bei dem CO₂ aus der Luft mit dem Calciumhydroxid im Beton reagiert und Calciumcarbonat bildet. Diese Reaktion speichert CO₂ im Beton und könnte langfristig dazu beitragen, den CO₂-Ausstoß der Betonproduktion zu kompensieren. Dies könnte gezielt ausgenutzt werden bei der Behandlung von Altbeton. Aufgebrochene Stücke könnten carbonatisiert werden, wodurch ebenso sichergestellt wird, dass kein unreagierter Zement mehr vorhanden wäre. Diese Stücke können dann als Gesteinskörnung in neuem Zement verwendet werden. Auch die Vorbehandlung von Aggregaten mit CO₂, ein Verfahren, das die Karbonatisierung beschleunigt, wird intensiv erforscht. Der Einsatz von rezyklierter Gesteinskörnung verändert jedoch die Konsistenz von Frischbeton.
3. Carbonatisierung: Beton als CO₂-Speicher
Ein faszinierender Ansatz, um Beton umweltfreundlicher zu gestalten, ist die Carbonatisierung. Dabei handelt es sich um einen natürlichen Prozess, bei dem Beton im Laufe der Jahre CO₂ aus der Luft aufnimmt und in Calciumcarbonat umwandelt. Dieser Prozess ist zwar langsam, doch Forscher arbeiten intensiv daran, ihn zu beschleunigen, um Beton zu einem aktiven CO₂-Speicher zu machen.
Die schnellcarbonatisierenden Betonsorten der Zukunft sollen es ermöglichen, dass Beton innerhalb von kürzerer Zeit größere Mengen CO₂ bindet. Dies könnte dazu beitragen, dass der CO₂-Ausstoß der Betonproduktion im Laufe der Zeit wieder ausgeglichen wird. Auch innovative Verfahren zur CO₂-Konditionierung von Beton, bei denen Beton unter kontrollierten Bedingungen mit CO₂ behandelt wird, könnten die Carbonatisierungsgeschwindigkeit erheblich erhöhen.
Innovationen in der Betonproduktion: CO₂ als Rohstoff
Eine besonders zukunftsweisende Idee ist es, CO₂ nicht nur als Feind, sondern als Freund des Betons zu sehen. Forscher arbeiten an innovativen Technologien, bei denen CO₂ aktiv in den Beton eingebunden wird. Ein vielversprechender Ansatz ist die CO₂-Injektion während der Betonherstellung, bei dem CO₂ in flüssiger oder gasförmiger Form in den Beton gemischt wird. Diese Technologie könnte nicht nur den CO₂-Ausstoß reduzieren, sondern auch dazu beitragen, dass der Beton während der Herstellung einen Teil des CO₂ speichert. Die Carbonatisierung, die mit der Zeit sowieso stattfindet, wird daher nur beschleunigt. Im besten Fall geschieht dies mit CO₂, das als Abfallprodukt aus anderen Prozessen stammt.
Ein weiterer spannender Forschungsbereich ist die CO₂-Nutzung für die Herstellung von Betonzusatzstoffen oder biobasierten Zuschlägen. Dies geschieht nach demselben Prinzip der Carbonatisierung. Die Zugabe von CO₂ findet gezielt statt, damit eine chemische Reaktion zu einem stabilen Feststoff generiert wird, der dieses CO₂ dann dauerhaft speichert. CO₂ könnte so als wertvoller Rohstoff für die Produktion von Zusatzstoffen genutzt werden, die später in den Beton eingebaut werden. Auch carbonatisierbare Bindemittel, die CO₂ während ihrer gesamten Lebensdauer binden, befinden sich in der Entwicklung. Dies sind Bindemittel, die mit Zement zu vergleichen sind, jedoch höhere Mengen an CO₂ durch Carbonatisierung binden können. Zudem benötigen diese carbonatisierbaren Bindemittel weniger Energie in der Herstellung, was einen weiteren Vorteil mit sich bringt. Diese Technologien könnten den CO₂-Fußabdruck von Beton im gesamten Lebenszyklus weiter reduzieren.
DFG Schwerprogramm SPP 2436
Das Sonderforschungsprogramm (SPP) 2436 der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) befasst sich mit der Entwicklung innovativer Betontechnologien zur CO₂-Reduktion und der langfristigen Kohlenstoffbindung im Beton. Ziel des Programms ist es, nachhaltige Lösungen zu entwickeln, um den CO₂-Fußabdruck der Betonproduktion zu verringern und Beton als klimafreundlichen Baustoff zu etablieren.
Im Rahmen des SPP 2436 werden verschiedene Forschungsansätze verfolgt, die sich auf die Verbesserung von Bindemitteln, die Entwicklung von carbonatisierbaren Materialien und die Förderung der CO₂-Aufnahme im Beton konzentrieren. Ein Hauptziel ist es, die Carbonatisierung von Beton und Gesteinskörnung zu beschleunigen, sodass Beton als aktiver CO₂-Speicher fungieren kann. Zudem wird die Integration von CO₂ in den Betonherstellungsprozess erforscht, um es als wertvollen Rohstoff zu nutzen.
Das Programm umfasst interdisziplinäre Projekte, die sowohl grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse als auch praxisnahe Lösungen für die Betonindustrie liefern sollen. Dabei werden sowohl die langfristige CO₂-Speicherung als auch die CO₂-Reduktion während der Herstellung untersucht. Die entwickelten Technologien und Methoden könnten einen bedeutenden Beitrag zur CO₂-Minderung und zur Erreichung der Klimaziele leisten.
Insgesamt leistet das SPP 2436 einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigeren Betonproduktion und unterstützt die Entwicklung von Technologien, die die Umweltbilanz des Bauwesens signifikant verbessern können.
Info
Weitere Infos zur Net-Zero-Concrete-Initiative gibt es unter: www.wib.tu-darmstadt.de/spp2436