Grand Tour mal anders
Richard Weller, der Professor für Landschaftsarchitektur und Städtebau an der University of Pennsylvania, entwirft sein Buch „To the Ends of the Earth“ als Lesereise und als Gegenentwurf zur Grand Tour des 18. und 19. Jahrhunderts und holt sie in das Anthropozän. Besuchte der Bildungsadel früher architektonische Monumente und Kunstwerke aus der Antike oder der Renaissance, nimmt Weller nun neue Kategorien in den Fokus: Die Reise beginnt mit Hyperobjects als übergeordnetem Kontext und führt an Paradiesen, Utopien, Maschinen, Ungeheuern und Ruinen vorbei, um bei den Instrumenten unserer Wissensproduktion zu enden. In diesen Kategorien versammelt der Autor insgesamt 120 Orte und Objekte, „Anti-Monumente“ des 20. und 21. Jahrhunderts, die als Anklagen an den Umgang der Menschheit mit ihrem Planeten zu verstehen sind. Weller führt Leserinnen zu Orten auf allen sieben Kontinenten und löst sich damit auch deutlich von dem Eurozentrismus der Grand Tour. Die ausgewählten Orte spielen mit dem Begriff des Erhabenen, dem Gefühl der Überwältigung, aus Schrecken bzw. Ehrfurcht und Faszination zugleich, das schon die adeligen Reisenden angesichts der antiken Monumente überkam. Auf der Reise zu den Enden dieser Welt, die Weller aufzeigt, überwiegt der Schrecken. Denn wenn das Buch „Paradiese“ versammelt, angefangen mit dem Apple Park von Steve Jobs in Kalifornien, so entlarven die Orte das gegenwärtige Verhältnis von Mensch und Natur als ein zerbrochenes. Die städtischen Beispiele im Kapitel „Utopien“, darunter der Potsdamer Platz in Berlin, Chandigarh in Indien oder das Walmart Supercenter in Georgia/USA, zeigen, wie schnell Utopien zu Dystopien werden. Noch düsterer, gleichzeitig faszinierend der Blick in den „Maschinenraum“ dieser Utopien der Moderne und auf die Monster dieser Welt. Weller gelingt es, wortstark die Welt als Ganzes zu betrachten und den Blick zu weiten. Auch wenn die Auswahl der Orte subjektiv erscheint, konfrontieren sie uns mit dem Zustand des Planeten im Kontext der Klimakatrastrophe und animiert die Leserinnen, eigene Monster und Paradiese zu entdecken. NaS