Gustave Eiffel und sein Turm
Aus Eisen ist der Turm, gebildet von vier sich zur Spitze verbiegenden, verjüngenden Stützen, deren Einzelteile – wie das Fachwerk insgesamt – von Nieten gehalten werden, von 2,5 Mio. Nieten für gut 18 000 vorgebohrte Bauteile. Das Zusammenheften vor Ort ermöglichte die Präzisierung der Gesamtform. Etwas mehr als 300 m hoch ist der Bau, der mitten in Paris steht und diese Stadt, ja das Land selbst wie kaum etwas anderes symbolisiert. Erfunden, finanziert und exklusiv vermarktet vom Ingenieur Gustave Eiffel, nach dem der Turm schon nach kurzer Zeit benannt wurde: Tour Eiffel. Damals noch als Schimpfwort gebraucht, misstrauten die Pariser dem Können des Herrn Eiffel, dessen Opus Magnum 1887 begonnen wurde und pünktlich zur Weltausstellung 1889 fertig stand. Würde er halten? Würde er die Ausstellungzeit überdauern? Sollte man ihn besteigen? Eiffel gehört zu den ersten, die ihn bis zur Spitze hinaufkletterten (da arbeiteten die Aufzüge noch nicht).
Und was war mit den Kosten? 7,4 Mio. Francs Baukosten standen 6,5 Mio. Franc Einnahmen während der Weltausstellung gegenüber, ein Minusgeschäft – für den Konzessionsnehmer Eiffel! –, wäre der Turm, wie geplant, nach der Weltausstellung zurückgebaut worden (immerhin hätte man rund 7 300 t Eisen zur Weiterverarbeitung gehabt). Doch nach ein paar Jahren und einer Verlängerung der Konzession für Eiffel bis 1926 war von Abriss keine Rede mehr: Der Turm hatte alle Stürme und einen Weltkrieg überstanden. Und ist bis heute – mittlerweile mit zahlreichen Antennen bestückt – das Bauwerk, dass Touristen und damit Geld in die Stadt bringt. Mehr Geld, als für seinen Unterhalt benötigt wird, mehr Geld, als die etwa 7 Mio. Besucher jährlich an Eintrittsgeldern zahlen, um über Treppen oder die historischen Schrägaufzüge auf die drei Plattformen zu gelangen, von denen aus man einen fantastischen Blick auf die Seine-Metropole hat.
Dass der Turm und wie er gepflegt werden muss – eine Eisenkonstruktion in einer von Abgasen durchlüfteten Stadt! – hat uns der Ingenieur Eiffel gleichsam als Nachlass beschrieben. Und so wird das – weil mit im Puddelverfahren produziertem rostresistenteren Schmiedeeisen realisierte – Bauwerk von Anbeginn an und ca. alle 7 Jahre mit neuer Farbe geschützt. 60 t Farbe, mittlerweile bleifreies Material, von oben nach unten in drei Farbschattierungen einer rotbraunen Farbe, die sich im Laufe der Jahre zu bronzefarben wandelt. Der urheberrechtlich geschützte Speziallack im Farbton „Eiffelturmbraun“ enthält die Farbpigmente Rot, Schwarz und Gelb (von Lanxess). Gerüste brauchen die mit Pinseln etwa 1,5 Jahre arbeitenden, etwa 25 Maler nicht, sie hängen ja an einem.
Gustave Eiffel hatte mit dem Bau des Turms beweisen wollen – und das zuvor patentieren lassen –, dass eine aus Teilen gefügte Konstruktion 300 m hoch sein könne: 1884 erhielt er das Patent „pour une nouvelle conception permanente de construction de pieux et de pylônes métalliques pour une construction de haute qualité de 300 mètres“, was am Ende nichts anderes war als die Skalierung eines eisernen Brückenpfeilers, von denen bereits auch in Frankreich eine ganze Menge realisiert waren. Dass sich die Höhe von 300 m auch in der Wettbewerbsauslobung 1886 zum Bau eines Turms auf dem Weltausstellungsgelände wiederfand, offenbart den Wettkampfgedanken der Ingenieurswelt: 1000 Fuß war eine Marke, wie sie heute die 1000 m sind, damals/heute noch unerreicht. Der Tour Eiffel war bis 1930 das höchste Bauwerk der Welt, bis es vom Chrysler Building (318,8 m) in New York abgelöst wurde.
Dass das Bauwerk, das der Ingenieur Eiffel vom Architekten Stephen Sauvestre in Eleganz übersetzen ließ, heute ein Ideal von nachhaltiger Architektur ist, sollte es über seinen Ikonen- und Denkmalstatus (seit 1964) hinaus zum Ziel von Reisefachgruppen machen, die für ihre Stadt Iconic-Design-Architecture suchen: zu 100 % kreislauffähig, für die Ewigkeit gebaut, theoretisch noch flexibler nutzbar, leicht zu reparieren, konstruktiv (mit Eisen!) besser, aber nicht schöner zu machen und Umsatzbringer par exellence! Konstruktiv – das sei hier genannt – wäre der vom Architekten hinzugefügte Bogen unterhalb der ersten Plattform nicht nötig gewesen, war aber als Tor zum Ausstellungsgelände gemeint. Dass der Turm, der auch anlässlich des 100. Jahrestags der Französischen Revolution 1789 (Sturm auf die Bastille) gebaut wurde, in diesem Jahr seinen 125. Geburtstag feiert, beweist die genannten Qualitäten. Glückwünsche nach Paris! Be. K.