Gutshof Güldehof, Stechlin
Ein Künstler kauft einen ehemaligen Gutshof in Brandenburg. Aus der ursprünglichen Idee eines reinen Archivs wird ein experimenteller Kulturraum. Heim Balp Architekten bauten den Bestand für die neuen Anforderungen zu einem schmucken Ensemble um.
Text: Ina Lülfsmann / DBZ
Selten geht es beim Bauen im Bestand nur um Klimagerechtigkeit und Ressourcenschutz. Viele Architekt:innen und Bauherr:innen sehen vor allem auch einen hohen ästhetischen Mehrwert, den alte Häuser mit sich bringen. So war es auch beim Gutshof Güldenhof. Der Bauherr, der dänisch-vietnamesische Künstler Danh Vō, kaufte den ehemaligen Wirtschaftshof in Brandenburg ursprünglich, um darin hauptsächlich sein Archiv zu lagern. Zusammen mit Heim Balp Architekten aus Berlin entwickelte er für den Vierseithof aber schließlich ein Konzept, das mehr umfasst als die reine Lagerung von Kunst. Ein schmuckes Gebäudeensemble ist entstanden, in dem Workshops und Ausstellungen stattfinden und in dem der Künstler, seine Freunde, Student:innen und Kurator:innen zeitweise wohnen und arbeiten.
Das ehemalige Betreiberhaus ist das Haupthaus des Hofs. Um den heutigen Anforderungen zu entsprechen, bekam es eine neue Bodenplatte mit Dämmung sowie ein neues Dach
Foto: Francesca Iovene
Gemeinschaft
Nachdem der Künstler sich entschieden hatte, aus den Gebäuden mehr als ein Archiv zu machen, stand auch die Vernetzung mit der Nachbarschaft in seinem Fokus. „Auf dem Land geht es um Gesellschaft. Die Architektur muss zugänglich sein, damit sie dem ländlichen Raum etwas bringt“, erklärt Michael Heim, Mitgründer von Heim Balp Architekten. Deswegen finden hier zum Beispiel öffentliche Veranstaltungen statt. Eine Gärtnerin aus der Umgebung ist für die Pflege der Außenräume zuständig.
Vom Haupthaus sind nur noch die alten Außenmauern übrig. Das Dach, Zwischendecken und Bodenplatte mussten erneuert werden
Foto: Francesca Iovene
Das Bestandsgebäude hatte bereits mehrere Umbauphasen hinter sich, sodass die Architekten es in einem stark verbauten Zustand vorfanden. Sie entkernten es für den Umbau komplett
Foto: Heim Balp Architekten
Das ehemalige Betreiberhaus
„Das Haus hat eigentlich eine lustige Form gehabt. Wir haben den Effekt verstärkt und das Gebäude ästhetisch kultiviert, indem wir verdeckte Rinnen eingebaut und das Dach mit einem bescheidenen Trapezblech gedeckt haben“, erzählt Architekt Michael Heim über das markante Haupthaus. In dem ehemaligen Betreiberhaus wohnen zeitweise die Verwalter:innen des Hofs, Mitarbeiter:innen und Gäste des Künstlers und der Bauherr selbst. Der Bestand war stark verbaut, als die Architekten ihn zum ersten Mal besichtigten. „Wenn man so ein altes Gebäude aufmacht, merkt man oft, dass es schon drei, vier Bauphasen hinter sich hat. Auch der Gutshof hier. Er wurde über seine gesamte Nutzungszeit umgebaut, durchaus auch radikal“, ergänzt Heim. „Diese ganzen Gedanken von Weiterbauen und Umbauen, die wir heute als neu oder radikal empfinden, sind eigentlich eine Rückkehr zur alten Bautradition, bei der der Wert eines Gebäudes noch höher angesehen wurde.“
Die alten Fenster wurden entfernt und an gleicher Stelle durch neue, teilweise größere Fenster ersetzt
Foto: Francesca Iovene
In diesem Fall mussten die Architekten viel tun, um das Haus an die neuen Anforderungen anzupassen. Sie haben es komplett entkernt, übrig blieben nur die gemauerten Außenwände, die zudem einen neuen Ringbalken erhielten. Aber: „Um ein funktionierendes, zeitgemäßes Gebäude zu erhalten, sind die Außenwände der geringste Faktor“, erläutert Heim. Für die Energiebilanz ist das Dach deutlich entscheidender. Es ist komplett neu und kompensiert die mindere Qualität der Außenwände. Dazu trägt auch die neue Bodenplatte mit Dämmung bei.
Mittig im Gemeinschaftsraum im
Haupthaus befindet sich ein Kamin als zentraler Treffpunkt. Hier wollte der Bauherr kein Fenster haben, um die Aufmerksamkeit ganz auf die Feuerstelle zu lenken
Foto: Francesca Iovene
Das Zentrum des anthrazitfarbenen Haupthauses bildet ein großer Gemeinschaftsraum. In ihm befindet sich mittig ein Kamin. Dem Bauherrn gefiel die Vorstellung, dass sich um ihn das Leben des Gutshofs abspielt. Deswegen kann auf der einen Seite gekocht werden, auf der anderen kann man sitzen und entspannen. Eine weitere Besonderheit des großen, langgezogen Gemeinschaftsraums ist das einzelne, große Fenster. Sieben weitere Bestandsfenster entfernten die Architekten. „Der Bauherr hatte den Wunsch, nicht zu viel zu öffnen, um das Licht besser kontrollieren zu können“, erzählt Pietro Balp, Mitgründer von Heim Balp Architekten. „Das entspricht auch der Lichtsituation dieser alten, landwirtschaftlichen Gebäude, es gab nur wenige, kleine Fenster.“ Im Gemeinschaftsraum sollte nichts von dem Kamin ablenken, auch kein schöner Ausblick in die Landschaft. Deswegen ist das einzige Fenster am anderen Ende des Raums platziert.
Der Künstler bespielt die Räume mit
seinen Objekten und Sammlungen, die im kontrollierten Lichteinfall der wenigen Fenster besonders wirken können
Foto: Francesca Iovene
Die alten Ställe
Neben der Kunst spielt auch das Gärtnern eine wichtige Rolle auf dem Güldenhof. Den Garten betreut eine Gärtnerin aus der Nachbarschaft. Ihr steht auch ein großes neues Gewächshaus in einem ehemaligen Stallgebäude zur Verfügung. „Hier entstand ein halboffener Raum, in dem die Natur die Protagonistin ist“, so Michael Heim. Die Ziegelwände des alten Stalls waren einsturzgefährdet und mussten teilweise neu aufgemauert werden. Auch hier wurde ein neuer Ringbalken eingefügt und das Gebäude mit einem neuen Dach versehen – eine einfache Holzkonstruktion mit semitransparenten Stegplatten als Abdeckung. „Bei diesem Projekt haben wir uns immer wieder die Frage gestellt: Was muss so ein altes Gebäude eigentlich leisten?“, erklärt der Architekt. „Das fängt beim Wetterschutz an und geht über die Beheizung, die Beschaffung von Elektrizität und Licht sowie die Verfügbarkeit von Wasser. Hier bei dem halboffenen Gewächshaus waren es lediglich Wetterschutz, Wasser und Elektrizität.“
Im Obergeschoss des Haupthauses können die Mitarbeiter:innen des Künstlers arbeiten und auch schlafen. Die Wände sind mit Seekieferplatten verkleidet
Foto: Francesca Iovene
Neben all den schönen Funktionen des neuen Gutshofs blieb aber auch das ursprüngliche Ziel bestehen: Einen Teil des Hofs nutzt der Künstler als sein Archiv für die eigene Kunst, da Lagerflächen in der Stadt teuer geworden sind. Dafür hält nun das Bestandsgebäude her, das am besten erhalten war, ein weiterer ehemaliger Stall. Hier musste lediglich der Dachstuhl gereinigt werden.
Ein ehemaliges Stallgebäude ist heute ein Gewächshaus mit Außenküche. Die Außenwände mussten teilweise neu aufgemauert werden, auch das Dach ist komplett neu
Foto: Francesca Iovene
Abreißen versus Bestand erhalten
Trotz der vielen notwendigen Neubaumaßnahmen gab es zu keinem Zeitpunkt die Überlegung, den Bestand abzureißen – weder bei den Architekten noch beim Bauherrn. „Wir haben das Kreative in dem Bestehenden gesehen“, sagt Michael Heim. „So bleibt die Energie des Alten bestehen.“ Für die Architekten ist klar: Deshalb ist diese Architektur mehr als ein Neubau auf der grünen Wiese. Neben dem Genius Loci bringt die Bestandsnutzung noch einen Vorteil mit sich: Für das Gebiet gibt es keinen Bebauungsplan. „Es wäre ein sehr komplexer Prozess gewesen, wenn wir hätten neubauen oder umfangreicher umnutzen wollen“, erklärt Pietro Balp. Ein einfacher Umbau dagegen war kein Problem, auch ohne B-Plan. So machten die alten Mauern des Gutshofs diese neue Nutzung überhaupt erst möglich. IL
Lageplan, M 1 : 5 000
1 Stallgebäude, Gewächshaus
2 Alter Stall, Archiv
3 Wohnhaus
4 Lager
5 Alte Scheune
6 Werkstatt
Grundriss Erdgeschoss, M 1 : 400
Detailschnitt, M 1 : 20
1 Trapezblech 40-100 mm, t=0,90, Alu eloxiert
2 Profilfüller
3 Insektenschutz
7 Wasserdichte Schicht
8 Unterdeckplatte
9 Zugbänder als Aussteifung
10 Sparren 80x240 mm / Abstand 900 mm
11 Zwischensparrendämmung 200-240 mm
12 UK+Plywood
13 Kastenrinne Zinkblech 126x75 mm, 1% Gefälle
14 Rinneneinhang
15 Alublende eloxiert (0,7) mit 2 Abkantungen
16 Blech Halter
17 Rinnenhalter Abstand ca. 70 mm
18 Fußpfette 160x200 mm
19 Balken DSP03.2 160x180 mm / DSP03 120x180 mm / Bestand 160x180 mm
20 Bestande Fußpfette
21 Neuputz
22 Trägerplatte
23 Dämmung
24 Holz
Wandaufbau:
25 Bestand Putz
26 Ziegelwand (bestehende Dicke)
27 Neu Innenputz
Heim Balp Architekten
Pietro Balp, Michael Heim
www.heimbalp.com
Foto: Heim Balp Architekten
Projektdaten
Objekt: Gutshof Güldenhof
Standort: Stechlin
Typologie: Kulturzentrum
Bauherr: Danh Vō
Nutzer: Danh Vō
Architektur: Heim Balp Architekten, Berlin,
www.heimbalp.com
Team: Simone Martini, Claudia Große-Hartlage, Michael Cradock, Federica Carletto, Karolina Modzelewska, Jacopo Spinelli, Matteo Rossi, Valentina Vianello, Cristiana Lo Sterzo
Bauleitung: Heim Balp Architekten
Bauzeit: 10.2017 – 03.2021
Fachplanung
Tragwerksplanung: Ingenieurbüro Mühler
Energieplanung: Lossen Ingenieure, Berlin,
www.lossen-ingenieure.de
Brandschutz: VAU – Gerit Veckenstedt, Berlin, www.gerit-veckenstedt.de; Lossen Ingenieure, Berlin, www.lossen-ingenieure.de
Heizkonzept: Bau Mensch Natur, Templin,
www.bau-mensch-natur.de
Herstllerfirmen
Sanitär: Duravit, www.duravit.de
Türen/Tore: Bogner Metall GmbH,
wwww.bogner-metall.de