Im Doppelpack besser
Der 50. Todestag Hans Scharouns 2022 hat Ausstellungen und Veranstaltungen provoziert. Zwei sehr unterschiedliche Buch-Arbeiten sind dabei herausgekommen. Einmal eine das komplette Werk in den Blick Nehmende von Ralf Rock, dann die mit dem tatsächlich ungewöhnlichen Fokus auf das zeichnerische Werk Scharouns von Eva-Maria Barkhofen.
Natürlich kann man sich fragen, wer, außer der forschenden Kollegenschaft und dem nicht kleinen Kreis der Scharoun-Jünger:innen braucht Arbeiten, die weit in die deutsche Baukulturgeschichte des 20. Jahrhunderts zurückschauen? Zugegebenermaßen zu einem der ganz großen Protagonisten, dessen Werk, dessen Lehre, dessen Schriften und Stellungnahmen den baukulturhistorischen Diskurs bis heute, wenn auch nicht direkt mit eigener Stimme, so sicher als basso continuo begleiten.
Ralf Bock nun hat – wie auch Eva-Maria Barkhofen – das einzig Richtige gemacht: Er hat sich das gebaute Werk Scharouns noch einmal vorgenommen, mit dem Fokus auf die noch bestehenden Bauten. Und die wurden mittels Fotografie und Planmaterial (historisch/neu gezeichnet) in den vergangenen zehn Jahren neu angeschaut, was mit Blick auf das oft Private der Häuser teils eine erfrischend neue Sicht möglich macht. Alles drumherum – Biografie und Werkverzeichnis – ist auf das Wesentliche konzentriert. Vor die langstreckige Dokumentation von 32 Bauten mit teils digital nachkolorierten sw-Fotos aus der Entstehungszeit – was befremdet, zumindest gewöhnungsbedürftig ist – sind noch einige Abschnitte aus dem Scharounschen Leben und Arbeiten unter verschiedenen Stichworten aufbereitet, so alles sehr konzentriert zum schriftlichen Werk, zum Sicheinrichten, zur Stadtlandschaft und anderem.
Dass in diesem Kontext auch, aber sehr sparsam, Zeichnungen Scharouns aus seiner früheren Zeit gezeigt werden, lässt die zweite Arbeit von Eva-Maria Barkhofen ins Spiel kommen. Hier, in der Auswahl aus den ca. 1 000 freien nicht an Bauprojekte gebundenen Gebäudeskizzen (einzig das „Kanonenboot Panther“ von 1909 ist keine Architektur!) und Zeichnungen aus dem Baukunstarchiv der Akademie der Künste, Berlin, sieht man den Architekten als begnadeten Zeichner mit Hang zur Malerei. Aquarellfarbe, Tusche, Kohlestift, Blei- und Buntstift oder Mischungen aus allem präsentieren in den teils expressiven Bildern das Innere des Architekten. Wenn man sie lesen kann. Wenn sie tatsächlich Ausdruck für ein Inneres sind. Dass die Autorin die Zeichnungen mit Auszügen aus persönlichen Briefen kombiniert, unterstreicht diesen Aspekt einer Herausarbeitung des Menschen hinter dem Architekten. Das allerdings führt überraschenderweise nicht sonderlich weit. Hier wie auch in der Arbeit von Ralf Rock bleibt Scharoun trotz aller produzierter Mensch- und Werknähe eigentümlich blass. Wie er sich in den Kriegen verhalten/geäußert hat, wie er die Not der Gesellschaft erlebte, wie er sich in die Architekturdiskurse der Zeit einbrachte, ob er Pragmatiker oder unbeholfener Liebhaber war, alles das wird irgendwie verhandelt, aber nicht unbedingt zum Abschluss gebracht.
Eine Biografie wollten beide nicht schreiben, beiden gebührt der Respekt für die konzise Arbeit an ihrem jeweiligen Projekt. Da hierbei einiges auf der Strecke bleiben muss, empfehle ich das Doppelpack. Be. K.