Kantgaragen mit neuer Nutzung: Stilwerk
Wir haben in der Vergangenheit vielfach über das Hochparkhaus an der Berliner Kantstraße geschrieben; häufig, weil es immer wieder darum ging, das aus dieser Zeit europaweit höchste Parkhaus abzureißen. Gründe für den „Rückbau“ waren meist Baufälligkeit und eine ökonomische Überforderung des Eigentümers, das Denkmal instand und damit nutzfähig zu halten. Gutachten aber wiederlegten die Baufälligkeit, allein ca. 2 % der tragenden Struktur wurden als kritisch eingestuft. Als Parkhaus war der Bau noch bis in die frühen 2000er-Jahre genutzt worden, Tankstelle und Werkstatt im Erdgeschoss zogen erst 2017 aus.
Nun eröffnet die Hochgarage – 1929/30 gebaut, vom Architekturbüro Lohmüller Korschelt & Renker in Zusammenarbeit mit der Arge Hermann Zweigenthal und Richard Paulick geplant – mit neuen Nutzungen und einem Hotelanbau. Mieter der Garage/des Hotels ist das Designcenter Stilwerk, das auf rund 9 500 m² Nutzfläche ein neues Konzept präsentiert. Verteilt auf vier Geschosse zeigen die unter der Marke Stilwerk vereinigten Hersteller ihre Produkte. Dazu kommt im Erdgeschoss ein größeres Retail- und Gastronomieangebot sowie ganz oben, auf einer Penthouse Wohnung mit großer Dachterrasse, eine 1 500 m² große Eventfläche. Die schließt das Volumen nach oben hin ab; von hier aus geht der Blick über die benachbarten Dächer weit über die Stadt. Der Empfang des Designcenters in der ehemaligen Tankstelle ist gleichzeitig Check-in für das anliegende Stilwerk Hotel, das direkt vom Center betreten werden kann.
Die architektonisch außergewöhnliche Doppelhelix – eher bekannt bei Schlossbauten wie dem Renaissanceschloss Blois im Loire-Tal –, über welche die parkplatzsuchenden Autofahrer:innen ihre vergleichsweise noch schmalen Automobile in die Höhe fuhren, bildet nun die vertikale Haupterschließung. Besucher:innen können in einem Gehfluss vom EG bis ins fünfte OG hinaufspazieren. Auf jeder Ebene wird ihnen Interior Design auf den offenen Flächen präsentiert, in Oktagonen und historischen „Heinrichsboxen“ – den alten, abschließbaren Stellplätzen. Ergänzend dazu werden auf einem sogenannten „art walk“ auf der Wendelrampe wechselnde Kunst- und Designausstellungen gezeigt.
Sämtliche Planungen lagen in den Händen des Büros Nalbach + Nalbach Gesellschaft von Architekten, Berlin. Die vielfachen Teilabrisse oder die Erneuerung der Glasfassade (heute ein Nachbau) sind mit den Denkmalbehörden abgestimmt. So konnte ein Denkmal fortgeschrieben werden, auch wenn sein Charakter und seine Funktion als Parkhaus/Werkstatt/Tankstelle verloren gegangen ist. Pragmatismus und angesichts der vielen Stilstände/Leerstände/Abrisse bei vergleichbaren Zeitzeugen ein Biss in den sauren Apfel; von heute gesehen eine gute Lösung. Be. K.