Aus der Rechtsprechung

Keine nachträgliche Vermessungsgenehmigung!

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.09.2024 - 21 A 828/23

Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure dürfen nur geeignete Fachkräfte einsetzen und haben die Erteilung einer Vermessungsgenehmigung abzuwarten, sofern das Gesetz eine solche vorsieht. Im hoheitlichen Bereich besteht für die Aufsichtsbehörde kein Entschließungsermessen, ob ein festgestellter Berufspflichtenverstoß geahndet wird.

Der Sachverhalt:
 
Ein Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur beschäftigte ab dem 1. Oktober 2019 eine Fachkraft. Am 10. Oktober 2019 reichte er bei der zuständigen Bezirksregierung einen Antrag auf Vermessungsgenehmigung ein, der ihm zurechenbar erst am 17. Oktober 2019 dort einging. Dem Antrag lag ein 26 Jahre altes Führungszeugnis des Mitarbeiters bei. Vier Tage nach Eingang teilte die Bezirksregierung mit, dass der Antrag unvollständig sei, da ein aktuelles Führungszeugnis fehle. Sowohl vor als auch nach der Antragstellung setzte der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur den Mitarbeiter in mindestens zehn Fällen für Vermessungsarbeiten im Rahmen von Amtshandlungen ein, obwohl die Genehmigung noch nicht erteilt war. Die Bezirksregierung wertete dieses Vorgehen als schuldhafte Berufspflichtverletzung und verhängte eine Geldbuße von 300 Euro.

Gegen diesen Verwaltungsakt klagte der Vermessungsingenieur erfolglos und beantragte daraufhin die Zulassung der Berufung. Er argumentierte, er habe die Pflichtverletzung nicht erkennen können, da der Mitarbeiter aufgrund seiner Kompetenz und Berufserfahrung geeignet gewesen sei und daher bereits vorab eingesetzt werden durfte. Zudem habe die Bezirksregierung übersehen, dass sie ein Ermessen habe, ob sie eine festgestellte Berufspflichtverletzung überhaupt ahnden wolle. Schließlich sei zu beachten, dass die Regelung zur Vermessungsgenehmigung im Rahmen einer bevorstehenden Novelle des Berufsrechts gestrichen werden solle.
 
Die Entscheidung:
 
Ohne Erfolg. Der Einsatz einer Fachkraft für Vermessungsarbeiten im Rahmen von Amtshandlungen ohne die erforderliche Vermessungsgenehmigung stelle eine schuldhafte Berufspflichtverletzung dar, und die einschlägigen Vorschriften seien dem Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur bekannt. Er könne sich nicht darauf verlassen, dass die Bezirksregierung die Genehmigung rückwirkend erteile, insbesondere wenn er die erforderlichen Unterlagen verspätet einreiche und durch die Beauftragung des Mitarbeiters bereits Tatsachen schaffe.

Das Oberverwaltungsgericht stellt klar, dass die Bezirksregierung kein Ermessen bei der Entscheidung habe, ob sie einen Verstoß gegen Berufspflichten ahnde. Sobald ein solcher Verstoß festgestellt werde, ahnde die Bezirksregierung ihn gemäß § 15 Absatz 1 des Gesetzes über die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurinnen und -ingenieure in Nordrhein-Westfalen (ÖbVIG NRW). Lediglich bei der Wahl der Sanktion habe die Behörde ein Auswahlermessen, das im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgeübt werden müsse. Auch die Höhe der Geldbuße sei angemessen, um potenzielle wirtschaftliche Vorteile auszugleichen.

Die Abschaffung der Genehmigungspflicht stehe der Sanktion nicht entgegen, da für die Beurteilung der Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung maßgeblich sei. Ein Verzicht auf die Geldbuße sei auch nicht gerechtfertigt, nur weil zukünftige Verstöße ausgeschlossen seien; die Geldbuße solle den Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur generell zur Einhaltung aller Berufspflichten ermahnen, nicht nur der konkret verletzten.
 
Praxishinweis:
 
Mit der vorliegenden Entscheidung stellt das Oberverwaltungsgericht klar, dass ein Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur, der eigenmächtig handelt, nicht darauf vertrauen darf, dass die Bezirksregierung sein Verhalten nachträglich billigt. Durch die Streichung der Genehmigungspflicht liegt die Verantwortung für die Eignung von Fachkräften bei hoheitlichen Aufgaben nun direkt bei den Öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren. Sie sind nicht mehr auf die Genehmigung der Bezirksregierung angewiesen, sondern müssen eigenverantwortlich entscheiden, welche Aufgaben sie einer Fachkraft übertragen. Änderungen im Berufsrecht gelten dabei stets nur für die Zukunft und schließen nicht aus, dass frühere Verstöße weiterhin geahndet werden.

Beim Entschließungsermessen kann die Behörde entscheiden, ob sie überhaupt tätig wird. Beim Auswahlermessen kann sie wählen, in welcher Form sie handelt oder an wen sie sich richtet. Stellt die Aufsichtsbehörde einen schuldhaften Pflichtverstoß fest, ist sie gemäß § 15 Absatz 1 ÖbVIG NRW verpflichtet, diesen angemessen zu sanktionieren. Das Ahndungsverfahren verfolgt nicht nur den Zweck, den Kläger zur Wahrung der konkret verletzten Berufspflicht, sondern zur Einhaltung der berufsrechtlichen Vorschriften insgesamt zu verpflichten. Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen die Höhe der festgesetzten Geldbuße bestehen nicht. Mit 300 Euro bewegt sich diese am unteren Rand des zur Verfügung stehenden Rahmens und ist angemessen.

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