Leichtbau mit Tragweite

Wie passen Modulbauweise und Nachhaltigkeit zusammen? Eine Antwort auf diese Frage gibt das Versuchsgebäude „Hausbaum“. Ziel des Projekts war es, ein modulares Bauwerk mit nachwachsenden Rohstoffen zu entwickeln und auf seine Standfestigkeit zu überprüfen. Auf diese Weise konnten neue Erkenntnisse zur Tauglichkeit vergleichsweise unerforschter Holzwerkstoffe gesammelt werden.

Bei dem Projekt „biobaudigital“ des Netzwerks Bio Innovation Park wurden mit Unterstützung der Forschungsinitiative „Innovatives Bauen NRW“ neue Baustoffe aus schnell wachsenden Pflanzen in einem modularen Demonstrationsgebäude zur Anwendung gebracht. Damit wird dem besonderen Bedürfnis nach effizienten wie nachhaltigen Bauweisen in besonderer Weise Rechnung getragen. Hierbei kamen jedoch nicht die üblichen Holzarten zum Einsatz, sondern bis dato wenig erforschte Naturwerkstoffe mit vergleichsweise hohem Nachhaltigkeitspotential.

CO2-Killer Kiri-Paulownia

Für die Entwicklung der Baustoffe und die bauliche Umsetzung arbeiteten Professor Ralf Pu­de von der Universität Bonn, Professor Hagen Schmidt­-Bleker und Professor Mathias Wirths von der Universität Siegen sowie der „bio innovation park Rheinland e. V.“ in enger interdisziplinärer Arbeit zusammen. Konkret wurde hierbei ein Testgebäude mit vergleichsweise leichten Hölzern konzipiert und anschließend in Form eines Testgebäudes realisiert. Hierfür griffen die Forscher auf die besonders leichten Hölzer Blauglockenbaum (Kiri-Paulownia, eine in Zentral- und Westchina beheimateten Pflanzenart) und den Riesen-Chinaschilf (ursprünglich aus Japan stammend) zurück. Um den kritischen DBZ-Leser milde zu stimmen: Beide Holzarten werden lokal, das heißt, auf dem agrarwissenschaftlichen Nachhaltigkeitscampus der Universität Bonn, angebaut. Sie zeichnen sich durch ihr enormes Wachstum und ein vergleichsweise hohes CO2-Einsparpotential aus. Für den Stammdurchmesser, den Blauglockenbäume nach 15 Jahren erreichen, brauchen Fichten über 60 Jahre. Ähnlich verhält es sich mit dem Riesen-Chinaschilf, das jährlich über 20 t erntefähige Trockenmasse pro Hektar generiert.

Ressourcen neu denken

Für das Gebäude verwendete das Forscherteam das Holz des Blauglockenbaums in der Primärkonstruktion sowie auf Ebene der Fassade, für die Dämmung wurde eine Art Schüttung aus dem China-Schilf hergestellt. Erstmalig wurden außerdem OSB-ähnliche Platten aus besagtem Schilf unter Verwendung eines ökologischen Bindemittels eingesetzt. Der Gebäudeentwurf wurde zunächst analog entworfen. Anschließend wurde dieser digitalisiert und in ein BIM Modell überführt. Hierdurch wurde u. a. möglich, dass die Fachplanung eines Sachverständigen zur Standsicherheit direkt in das Modell übernommen werden konnte. Zudem wurden Sensordaten aus dem Monitoring des erstellten Gebäudes wie auch AR-Anwendungen digital verknüpft. Mit Hilfe des BIM-Modells erfolgte auch der Datenaustausch mit allen am Bau Beteiligten.

Im Sinne der Nachhaltigkeit

Anhand dieses Projektes zeigt sich, dass durch die Erforschung alternativer Rohstoffe ein für die nachhaltige Bauwirtschaft hoher Mehrwert generiert werden kann. Gerade das Holz des Blauglockenbaums bietet dabei mehrere Vorteile. Da er schnell wächst, kann in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum viel Biomasse erzeugt werden, wodurch signifikante Mengen CO2 gebunden werden. Nicht umsonst wird der Rohstoff auch als „Kohlenstoffsenker“ bezeichnet. Ferner verfügt das Holz über sehr gute Dämmeigenschaften. Aufgrund seines geringen Gewichts kann es auch den Energieverbrauch während der Bauphase reduzieren.

Ein weiterer Nebeneffekt: Die heimischen Wälder werden entlastet, da der Bedarf an langsam wachsenden, in manchen Regionen auch bedrohten, Baumarten sinkt. Nichtsdestotrotz gibt es auch Kritik am „China-Holz“ aufgrund seiner invasiven Eigenschaften und potenziell nachteiligen Einflussnahme auf die Biodiversität. Deswegen ist es wichtig, dass der Anbau des Blauglockenbaums auf nachhaltige, kontrollierte Weise erfolgt, mit geeigneten landwirtschaftlichen Praktiken, die Flora und Fauna schützen.

                                                    Yoko Rödel/DBZ

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