Mitte schön. Jetzt auch in Berlin
Verzerrter Blick vom rekonstruierten Schloss auf die damalige Bebauung des heutigen Parks mit Marx-Engels-Denkmal. Zeichnung von Katharina Hagl (Lehrbeauftragte für Architekturzeichnungen an der Berliner Hochschule für Technik)
Abb.: Stiftung Mitte Berlin
Auf Initiative der Stiftung Mitte Berlin (SMB) wurde während des „Mitte-Fests“ am 30. August die Berliner Erklärung zum Städtebau von der SMB sowie weiteren Mitveranstalterinnen und Fest-Teilnehmern unterzeichnet. Die Erklärung hat zum Inhalt, dass die Unterzeichnerinnen mit ihrem Eintreten für „einen Städtebau aus parzellierten Häuserblöcken“ eine lebendige Stadt, eine offene Gesellschaft anstreben, inklusive Bauten-Rekon-
struktionen in Quartieren in geschlossener Bauweise – „nach dem Vorbild der gründerzeitlich geprägten Berliner Bezirke wie zum Beispiel Friedrichshain, Kreuzberg und Schöneberg“. Die Initiative strebt „baulich gefasste öffentliche Stadträume als Lebensräume für eine offene Gesellschaft an“. Man wünscht sich fußgängergerechte Stadträume, in denen Menschen aus aller Welt zu Hause sind – „unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Religion und ihren finanziellen Möglichkeiten.“
Was nun Letzteres angeht, ist davon auszugehen, dass man vielleicht günstiger als teuer bauen kann, jedoch sind die Bodenpreise in Berlin derart, dass die finanziellen Möglichkeiten vielleicht so gerade noch bei Haushalten mit Doppelverdienern im oberen mittleren Einkommensverhältnis liegen. Und wirklich ist das, was in Berlin his-torisierend wiederaufgebaut wurde, nur teuer, exklusiv und alles andere als inklusiv, Projekte wie „The Wilhelm“ (Arch.: PSS Generalplanung GmbH), die „Kronprinzengärten“ am Schinkelplatz (Arch.: PSS Generalplanung GmbH, Davide Rizzo, Tchoban Voss Architekten, Höhne Architekten BDA, Architektenbüro Anton Ummenhofer) oder die „Kurfürsten-Logen“ (Arch.: Stephan Höhne Gesellschaft von Architekten mbH) werben dezidiert mit „exklusiv“, m²-Preise von 8 000 bis 10 000 Euro sind hier die Messlatte.
Aber: Letztgenannte sind am historischen Parzellengewächs orientiert, gestalterisch historisierend und deutlich als ein Statement gegen die als steril und leblos markierte Moderne in Stellung gebracht. „Es ist die Sehnsucht nach der alten Ordnung der europäischen Stadt, weshalb Menschen von auswärts den historisierenden Baustil bevorzugen“, so die damalige Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, deren leicht resignierter Unterton aus dem Gefühl resultierte, gegenüber den Bezirken mit Gestaltungshoheit machtlos zu sein.
Die Stiftung trauert um den verloren geglaubten Altstadt-Kern (in Mitte), der einmal „über 1 000 Wohn- und Geschäftshäuser aus allen Jahrhunderten“ aufwies. „Es ist die Aufgabe unserer Zeit“, so die Stiftung weiter, „die ehemalige Altstadt wieder zu einer Mitte zu machen, die weit nach Europa ausstrahlt. Um das Herz Berlins wieder zum Schlagen zu bringen, setzen wir uns für eine schöne Stadtmitte mit menschenfreundlichen Straßen und Plätzen ein.“ Da ist es endlich: das Herz, ganz nahe der durch die Rekonstruktion des Schlosses geschlossenen Wunde. Die Stadt als Organismus, auch das ein Bild, das mit dem der so genannten und meist immer nur behaupteten „Europäischen Stadt“ zusammengeht.
Hinter der Stiftung haben sich zahlreiche konservative Player versammelt. Initiiert wurde die Stiftung von der Unternehmerin und Autorin Marie-Luise Schwarz-Schilling. Wird Berlin zum 2. Potsdam? Wohl eher nicht, dafür ist die Stadt dann doch zu divers in allem. Be. K.s