Natur verbiegen fürs ganz Eigene
„Ein wachsendes, lebendes Haus, ein Gebäude aus einer Pflanze scheint ein Widerspruch in sich zu sein.“ So der Verlag in der Ankündigung des Buches und man möchte das „scheint“ durch ein „ist“ ersetzen. Es ist ein Widerspruch, der auch nicht aufzulösen ist. Natürlich gibt es Architekturen (keine Häuser in dem Sinne, wie wir sie verstehen) aus lebendem Holz, doch diese Bauten sind entweder dem baukulturellen Erbe der Waldbewohner:innen geschuldet oder dem bis heute anhaltenden Wunsch, Natur bändigen, ja, sie nach Menschenlaune formen zu können.
Und so geht es in dem vorliegenden, höchst informativen Buch auch weniger um die Baumhäuser der Kinder, denen wir Erwachsene längst auch der Natur abgeschaute Technologien aufzwingen, es geht um den prinzipiellen Versuch, die wachsende Natur in unsere Welt des Immobilen einzubinden. Nicht mit allen Mitteln, eher mit denen, die die Baubotanik natürlichen Wachstums- und Heilungsprozessen abgeschaut hat, aber dennoch: Wenn wir auf junge Bäume eine künstliche Haube legen, um das Blätterdach tatsächlilch regendicht zu machen, dann ist das eben mehr, als mit der Natur zu leben, dann sind wir in der Landschaft.
Doch abgesehen von allem hier formulierten Wachstumszwang ist diese Einführung in die Baubotanik ein Horizontöffner, der vielleicht nicht zum Bauen mit lebendem Holz verleitet, sondern eher im Gegenteil zu einem neuen Bewusstsein für das Wunder, das uns millionenjahrelange Entwicklung heute schenkt. Ob wir das nun für die Zwecke unseres jahrtausendealten Kulturverständnis verbiegen müssen, das soll am Ende jede und jeder selbst entscheiden. Be. K.