Obsessiv und wunderbar

Für wen eigentlich sind diese Werkverzeichnisse, die, meist chronologisch angelegt, Bauten aus den vergangenen Jahren, Jahrzehnten zeigen? Zuerst ganz sicher für die das Werk schaffenden Künstler, Ingenieure oder Architekten selbst. Peter Zumthor auf die Frage, warum er seine Werkmonografie nicht auch Externen überantwortet habe: Weil es  mein Buch ist … ein Basta! war da mitzuhören. Christ & Gantenbein haben in der Vergangenheit schon ein paar kleinere Buchveröffentlichungen gemacht, thematisch zentriert oder mit dem Fokus auf eine einzelne Arbeit. Oder die wunderbare Publikation „Around the Corner“ (Hatje Cantz, 2012), die uns Einblicke in Arbeit und Arbeitshaltung erlaubt, allein schon über die passive Teilnahme am Gespräch der Architekten über ihre Arbeit, das sie mit anderen führen. Radikal wollen sie sein, konnten wir dort hören, radikal in dem Sinne, dass sie auf ein Ziel konzentriert sind, das sie selbst formuliert haben, physisch aber wohl auch psychisch.

Nun also der Werkkatalog in drei großformatigen Bänden, deren Schutzumschlag ein sw-Foto ist, das ein Modell abbildet. Allein der Buchrücken verrät den Inhalt (Gestaltung von Ronnie Fueg­lister). Innen ist der Aufbau scheinbar unprätentiöse, fast monotone Zweispaltigkeit, die die Fotografien, die Pläne und zahlreiche Modellfotos auf den Seiten hält. Der Seitenfuß bietet spärlichsten Raum für kurze Notate in kleiner Type.

So blättert man durch die Jahre und verliert sich ein wenig in den überwiegend Projekt gebliebenen Arbeiten. Gibt es eine Entwicklung, gibt es Kontinuitäten? Gibt es Überraschendes und auch: Sind die Architekten radikal geblieben? Das herauszufinden ist uns Leserinnen überlassen, doch wahrscheinlich möchte man sich auch lieber verlieren in den Details, den Isometrien und Schwarzplänen, den Mock-up‘s und Visualisierungen, in dieser ganzen Schweizer Nüchternheit, die Präzision zu sein scheint, hier aber das Handwerk der Kreativen darstellt.

Dass die Architekten zu ihren Arbeiten Texte heranziehen, die einmal aktuell zu ihren Projekten verfasst wurden oder Texte, die das Werk im Einzelnen wie Besonderen untersuchten, enttäuscht, hier wäre mehr drin gewesen. Andererseits entspricht dieses Spiegeln (das nur an wenigen Stellen aktuell und sehr sparsam kommentiert wird) exakt der Architektur-Obsession der beiden Architekten: Das architektonische Objekt muss eine Einheit sein, schreiben sie anderswo. Die drei Bände sind es wunderbar auch. Be. K.

Christ & Gantenbein. Projects I-III. Hrsg. v. Emanuel Christ & Christoph Gantenbein, engl. Franz und Walther König, Köln 2024, 3 Bde., 640 S. 1800 sw- und 600 Farbabb.
120 €, ISBN 978-3-7533-0601-8
x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 10/2017

Erste Werkmonografie

Das Londoner Kollektiv „Assemble“ entwickelt seit 2010 Projekte an der Schnittstelle von Architektur, Design und Kunst. Den derzeit 18 jungen Mitgliedern, die als Kollektiv 2015 mit dem Turner Preis...

mehr

Buchrezension: Assemble. Wie wir bauen

Das Londoner Kollektiv Assemble entwickelt seit 2010 Projekte an der Schnittstelle von Architektur, Design und Kunst. Den derzeit 18 jungen Mitgliedern, die als Kollektiv 2015 mit dem Turner Preis den...

mehr
Ausgabe 09/2015

Person und Werk und Wirkung

Der Architekt ist eine Legende. Vielleicht, weil er gar nichts gebaut hat oder zumindest nicht bekannt ist, ob und wo. Der heute 91-jährige, auch Künstler seiende Yona Friedman ist aber ganz...

mehr

Künstler als Bauherren

Eine Ausstellung im Bielefelder Kunstverein öffnet Blicke auf eine Architekturavantgarde

Künstler als Bauherren?! Will man das? Sind die nicht extrem schwierig, anspruchsvoll? Vielleicht gar in vergleichbarer Weise wie die Architekten? Etienne Descloux, Architekt aber auch schon mal im...

mehr
Ausgabe 03/2016

Verantwortung übernehmen

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist derart abgegriffen, dass es Zeit sein könnte, ihn wieder einmal zu schärfen. Und ob das nun die Absicht des Architekturbüros Bob Gysin + Partner BGP war oder...

mehr