Schnell noch hinfahren
Mit dem Fahrrad oder zu Fuß: Architektur entdecken ist immer eine Reise. Um das Haus herum oder zu ihm hin, von einem anderen kommend, zum übernächsten schon auf dem Weg. Eine solche, meist gewinnbringende Reise bedarf einer Führung, sonst ist man verloren und endet in einer Gartenwirtschaft schon weit vor dem Reiseprogrammschluss.
Der vorliegende Reiseführer, der uns auffordert, Bauten aus den 1960er- bis 1980er-Jahren aufzusuchen, bietet nun 98 Einzelbauten und Bauensembles im östlichen Niedersachsen an, in Braunschweig, Helmstedt, Peine, Salzgitter, Wolfenbüttel und Wolfsburg. Alle auf einer bis zwei Doppelseiten mit kurzem Text, ein paar, für die Publikation angefertigten Fotos, sämtlich Außenaufnahmen.
Womit wir bei zwei Kritikpunkten wären: Wohnanlagen z. B. sind ohne Gesamtansichten bzw. Lageplan nicht darstellbar, Einzelbauten daraus genommen derart trivial, dass sich ein Reisestopp hier fast verbietet. Also: Es gibt keine Pläne. Dann: Ohne die App, die hier zum Buch und dem Reiseprojekt erstellt wurde, funktioniert der Reiseführer nur bedingt. Adressen sind zwar vorhanden, hier müsste man dann mit Google oder ähnlichem arbeiten. Die App bietet irgendwie viel, aber: Wie sie konkret gebrauchen? Intuitive Führung geht klar anders.
Aber: Die App kostet nur Mühe. Und einen Versuch ist sie allemal wert, da tatsächlich eine Menge zu entdecken ist, immerhin sehen wir Arbeiten von Alvar Aalto, Gottfried Böhm, Josef Fehling, Friedrich Wilhelm Kraemer, Hans Scharoun oder Walter Henn.
Dass die schöne Bucharbeit, die ja auch eine Überblicksdarstellung deutscher Architekturgeschichte ist, ohne Namensregister ist, verwundert und ärgert, denn wer vielleicht nicht reisen will, möchte sich doch die Kleinodien gezielt herausziehen. Wer sich also hineinkniet und plant, bekommt eine schöne Reise geboten, mit Überraschungen und alten Bekannten, deren Lebenszeit nicht selten im Ungewissen schwebt. Also doch: schnell noch hinfahren! Be. K.