Umbauanleitung
Hin und weg: das hatten wir hier im Heft schon (s. S. 12/13). Es bezeichnet, bezogen auf den Massentourismus, eine Haltung, die mit „Konsumtourismus“ gleichzustellen ist. Wir reisen heute nicht mehr, um einfach dort zu sein, in der Fremde, wir machen heute Reisen, um dagewesen zu sein. Wir haben unsere Erwartungen auf viele Ziele erweitert, Ziele, die wir über inszenierte Fotos glauben kennengelernt zu haben: Da müsst ihr unbedingt noch hin! Hin und weg wäre dann eine Haltung, die Urlaub als das Einsammeln von fotogenen Zielen definiert.
Diese Entwicklung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich intensiviert und ist als gesamtgesellschaftliches Phänomen zu einem festen Bestandteil unseres westlichen Lebensstils geworden. Tourismus ist zum Übertourismus geworden, die Beschleunigung aller Lebensbereiche hat vor dem Erlebenwollen und der zwanghaften Dokumentation des zur Trophäe geratenen Anderen nicht halt gemacht.
Das Az W Architekturzentrum Wien hat dem Übertourismus eine Ausstellung gewidmet (noch bis zum 9. September 2024), deren Katalog nun vorliegt. Ausstellung und Katalog beschäftigen sich nicht vorrangig mit der gebauten Infrastruktur; es geht um die Auswirkungen unseres Urlaubsverhaltens auf das soziale Gefüge und den Klimawandel und dann doch auch auf die gebaute Umwelt. In acht Kapiteln werden zentrale Aspekte des Tourismus im 21. Jahrhundert untersucht: Mobilität, die Destinationen Stadt und Land, das Verhältnis zur Landwirtschaft etc. und schließlich die Auswirkungen des Klimawandels auf den Tourismus. Das alles wird in nachfolgenden Essays vertieft, so von Arno Ritter mit „Architektur und Tourismus“ oder Linda Boukhris „Zur politischen Ökonomie des Tourismus in den Amerikas: Geografien der Gewalt und des Widerstands“.
Die Kuratorinnen reißen ein ganzes Universum von Fragen auf, wie in Zeiten von Klimakrise, Kriegen, Pandemie, Fachkräftemangel und einer anhaltenden Energiekrise Tourismus neu gedacht und in andere, verträglichere Bahnen gelenkt werden kann. Und bieten zu den meisten der von ihnen ausgemachten Problemstellungen „Alternative Strategien“ an.
Dass wir in der wunderbar bebilderten und mit einfach zu erfassenden (zu einfach?!) Grafiken gefüllten Publikation eine Menge zum Dualismus Tourismus und Ökonomie erfahren, zu Risiken und Chancen, macht die Arbeit praxistauglich; der Fokus auf Österreich erscheint auf die meisten europäischen Destinationen gut übertragbar. Dass sich etwas ändern muss in unserem Konsumverhalten war schon vor der Lektüre klar, danach könnte man – auch schon wegen vielfältig präsentierter best practices – sehr praktisch an den Umbau gehen, materiell wie mental. Be. K.