Visionen im Sinne des Zeitgeists
Heftpartner Karim El-Ishmawi und Chris Middleton
Heftpartner
Kinzo ist ein international tätiges Architekturbüro mit den Schwerpunkten Innenausbau, Bauen im Bestand und Placemaking, das 2005 von Karim El-Ishmawi (rechts), Martin Jacobs (nicht im Bild) und Chris Middleton (links) gegründet wurde. Die multidisziplinären Teams in Berlin, München und Hamburg begleiten Projekte von der Beratung und Analyse über Strategie und Konzeption bis zur Planung und Umsetzung. Sie erstellen zukunftsweisende Umnutzungskonzepte, um Räume zu revitalisieren und bedarfsgerecht umzuwidmen. Im Zentrum jeder Planung steht die Perspektive der künftigen Nutzer. Mit diesem ganzheitlichen und partizipativen Gestaltungsansatz konzipiert Kinzo neue Lebens- und Arbeitswelten als unverkennbare Orte, die Menschen nachhaltig anziehen und begeistern.
www.kinzo-berlin.de
Foto: Sebastian Dörken
Eine große Anzahl moderner Bürohäuser leidet unter einem unverhältnismäßig hohen Leerstand. Warum die Architektur und Ausrichtung vieler New-Work-Konzepte nicht auf die Bedürfnisse künftiger Nutzer treffen, hat aus unserer Sicht unterschiedliche Ursachen.
Durch digitalen Wandel und Globalisierung verändern sich unsere Anforderungen an einen guten Arbeitsplatz kontinuierlich. Um heute bereits unsere Bedürfnisse von morgen zu berücksichtigen, muss die moderne Architektur den Blick weit vorauswerfen. Daten sind heute allerorts verfügbar. Entsprechend können wir unsere Tätigkeit − dank Mobiltelefonen, Laptops und Cloudservern − hybrid und von überall aus verrichten. Wir arbeiten an unterschiedlichen Orten in unterschiedlichen Modi.
In Zukunft wird es vor allem darum gehen, Agilität im Arbeitsleben zu ermöglichen und für unterschiedliche Arbeitssituationen eine Vielzahl von Angeboten zu schaffen, in denen die Abläufe besser funktionieren als in Einzel- oder Großraumbüros. Die Aufgabe eines zukunftsorientierten Arbeitsplatzes sollte es sein, Menschen anzuziehen und den Geist des Unternehmens auszustrahlen. Gestaltung und Architektur sind für einen solch spezifischen Charakter von Arbeitswelten absolut entscheidend.
Ein modernes Büro sollte dazu einladen, Gemeinschaftsgedanken zu fördern und Teamwork erlebbar zu machen. Mitarbeitende sollten sich mit den Unternehmensinhalten, der Kultur und den Werten des Unternehmens verbinden und identifizieren können. Viele Büroflächen, wie zum Beispiel Co-Working-Spaces, sind hingegen bestrebt, für möglichst viele unterschiedliche Unternehmen attraktiv zu sein. Die Identität der Mieter spielt dabei keine entscheidende Rolle. Solche Orte fördern mehr das Nebeneinander als das Miteinander. Kultur aber entsteht erst, wenn Gemeinschaft erlebbar wird.
Agil, vernetzt, kreativ zusammenzuarbeiten bedeutet, die eigene, individuelle Perspektive zugunsten der Gruppe zu verlassen. Über den Tellerrand zu sehen und tatsächlich die Köpfe zusammenzustecken. Prozesse werden erst transparent, wenn man während ihrer Entwicklung verschiedene Positionen und Blickwinkel einnimmt. Das macht beispielsweise Projekträume zu hochpotenten Stätten der Reibung. Hier verbringen Menschen so lange Zeit miteinander, bis eine Idee geboren oder eine zukunftsweisende Lösung erarbeitet wurde. Solche Innovationen entstehen in der Regel im Kollektiv. Niemand kann alleine laufend Geniestreiche fabrizieren. Zukunftsweisende Architektur berücksichtigt das und schafft über die Struktur des Raumes hinaus Anreize für die Mitarbeitenden, den Cocoon des Homeworking-Spaces zu verlassen.
Der Drang, in einen Gewerbepark mit lauter monofunktionalen Gebäuden zu fahren, ist geringer als die Lust, in ein lebendiges und urbanes Umfeld einzutauchen, das rund um den Arbeitstag zahlreiche Möglichkeiten bietet, Dinge zu erleben oder zu erledigen. Ein Einzelgebäude sollte deshalb immer im Kontext seiner Quartiersentwicklungen geplant werden.
Aus unserer Sicht heißt das Zauberwort: Mischung. Gemischte Gebiete mit gemischten Gebäuden. In mischgenutzten Quartieren ist per se durch die unterschiedlichen Nutzungsfrequenzen und Taktungen eine höhere Chance auf Belebung als in monofunktionalen Strukturen gegeben.
Gebäude mit Historie wie zum Beispiel eine alte Näherei oder ein altes Industrieloft strahlen Charakter und Atmosphäre aus. Durch ihre schiere Großzügigkeit und Aura vermitteln sie das Gefühl eines universellen Baus, der verschiedene Funktionen übernehmen kann.
Es geht letztlich darum, den Lebenszyklus eines Gebäudes als Ganzes zu betrachten. Auch, was die Zertifizierung hinsichtlich Nachhaltigkeitskriterien angeht. Die entscheidende Frage lautet: Wie können solche Gebäude von Anfang an so konzipiert werden, dass sie ohne größere Probleme − auch genehmigungstechnisch − als Wohngebäude, Kulturstätten oder Schulen umgenutzt werden könnten?