Was änderte sich, wenn Materialien eine Identität besitzen würden?

Abfall ist Material ohne Identität. Mit der Hilfe eines Materialpasses werden alle im Gebäude verwendeten Materialien registriert, dokumentiert und archiviert. Ein solches Identitätsdokument von Materialien verhindert nicht nur Abfall, sondern macht Gebäude und Produkte aller Art dauerhaft wertvoll: Bereits in der Planung sollte daher alles so konstruiert und gestaltet werden, dass sämtliche Materialien eines Tages ohne Wertverlust wieder organisiert „geerntet“ werden können.

Damit ein Materialpass wirklich gültig wird, bedarf es einer offiziellen Anerkennung und Registrierung für Materialien. Dank einer zivilgesellschaftlichen Initiative gibt es seit 2017 eine solche öffentliche Datenbank, in der Identität und augenblicklicher Verbleib von Materialien in Form von Materialpässen erfasst werden: MADASTER, das Materialienkataster. Das Maß der Wiederverwertbarkeit der Materialien in Entwurf und Verarbeitung wird dabei in einem Circularity Index beziffert, die Wertentwicklung der Materialien finanziell bewertet und die entstandenen CO2-Emissionen kalkuliert.

So wird jedes Gebäude auf Dauer ein registriertes Materialdepot beziehungsweise Materiallager. Ein solches Gebäude wird in Zukunft nicht mehr nach Null abgeschrieben, sondern auf den dann gültigen materiellen Zukunftswert, was wiederum finanzielle Anreize für die Umsetzung des Kreislaufgedankens in der Baubranche schafft. Wenn Materialien eine Identität besitzen, entsteht kein Abfall mehr, werden Gebäude zu Materiallagern und haben einen materiellen Zukunftswert. Es ist Zeit, unsere wirtschaftlichen Prozesse zu überdenken und neu zu gestalten. Wenn wir nicht lernen, Material in unserem Wirtschaftssystem zu bewerten, zu verwalten und einzulagern, wachsen wir uns selbst arm.

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