Werklohn teilweise "schwarz" bezahlt:
Besteller:in verliert sämtliche Mängelansprüche!
OLG Saarbrücken, Urteil vom 10.11.2021 - 2 U 63/20; BGH, Beschluss vom 07.09.2022 – VII ZR 866/21 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)
Verletzt der Unternehmer seine steuerlichen Pflichten durch Vereinbarung einer sogenannten „Ohne-Rechnung-Abrede“, so ist dies eine Form der Schwarzarbeit und führt jedenfalls dann zur Nichtigkeit des geschlossenen Werk- oder Bauvertrags, wenn der Unternehmer vorsätzlich („hält für möglich und findet sich damit ab“) handelt und der Besteller den Verstoß des Unternehmers kennt und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzt. Mängelansprüche des Bestellers bestehen in diesem Fall grundsätzlich nicht (vgl. hierzu BGH-Urteil vom 1. August 2013 - VII ZR 6/13).
Der Sachverhalt:
Ehemann E und Handelsvertreter H unterzeichneten am 05.06.2010 einen Auftrag über Fensterelemente zu einem Gesamtbetrag von 25.000 Euro. In der von H am 08.06.2010 erteilten Quittung hieß es: „Anzahlung von 10.000 Euro von Fam. E an Herrn AN für Fenster und Montage erhalten; Restbetrag von 15.000 Euro nach Einbau“. Nach Lieferung und Einbau der Fenster durch den AN erteilte dieser unter dem 21.09.2010 eine auf eine Gesamtsumme von 18.700,85 Euro lautenden Rechnung. E leistete mit Überweisung vom 23.09.2010 an den AN einen Betrag in Höhe von 15.000 Euro. Nach dem Einbau der Fenster wurden im inneren des Gebäudes, insbesondere in den Fensterleibungen, Feuchtigkeitserscheinungen sichtbar. E zahlte im Dezember 2010 dennoch den Restbetrag. Im Jahr 2013 leitete E ein selbstständiges Beweisverfahren ein. Der Sachverständige stellte verschiedene als Ursache für die beanstandeten Wassereintritte in Betracht kommende Mängel fest. Der Sachverständige ermittelte die Kosten zur Beseitigung der im Innenbereich sichtbaren Schäden des Laibungsputzes mit einem Betrag von 892,50 Euro. E forderte AN zur vertragsgemäßen Erfüllung sowie zu einer Erklärung auf, ob der AN zur Nacherfüllung bereit und in der Lage sei. AN erklärte, grundsätzlich nacherfüllungsbereit zu sein, seine Einstandspflicht für die Mängel sei durch das eingeholte Gutachten aber bisher nicht geklärt. Schließlich erhob E Klage auf Kostenvorschuss von rund 22.000 Euro. Im Prozess behauptete AN das Vorliegen einer „Ohne-Rechnung-Abrede“. Noch vor Erteilung seiner Rechnung habe er von der geleisteten Barzahlung an H erfahren und von diesem nachträglich 4.000 Euro erhalten. Das Landgericht verurteilte den AN trotzdem zum Kostenvorschuss. Nach den Gutachten war er für die Mängel verantwortlich. AN legte gegen dieses Urteil Berufung ein.
Der Entscheidung:
Mit Erfolg! Das Oberlandesgericht kommt nach der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, dass H den AN vertreten habe und dieser damit Vertragspartner wurde, obwohl der Name des AN am 05.06.2010 nicht genannt wurde. Das auf Abschluss des Werkvertrags gerichtete Angebot habe zwar nicht der Beklagte selbst abgegeben, sondern H. Dieser habe allerdings als Vertreter des Beklagten gehandelt. In diesem Zusammenhang käme es nicht darauf an, ob der H im Rahmen der Vertragsverhandlungen bereits ausdrücklich mitgeteilt habe, dass Vertragspartner des E der AN werden würde. Zwar setzte die Stellvertretung nach § 164 Abs. 1 BGB voraus, dass die Willenserklärung vom Vertreter im Namen des Vertretenen abgegeben werde. Die Vertreter:in müsse hiernach also für die Erklärungsempfänger:in erkennbar zum Ausdruck bringen, dass die Wirkung des Rechts nicht sie selbst, sondern unmittelbar die Vertretene treffen solle. Ein Handeln im fremden Namen im Sinne von § 164 Abs. 1 BGB verlange indessen nicht, dass der Geschäftspartner:in der Name der Vertretenen genannt werde. Es genüge, dass die Vertretene im Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäfts individualisierbar sei, wobei die Bestimmung auch anhand der begleitenden Umstände erfolgen, die nachträgliche Bestimmungen der Vertreter:in überlassen werden bzw. vereinbarungsgemäß auf Grund sonstiger Umstände vorgenommen werden können. Ob H am 05.06.2010 tatsächlich im Rahmen der Vertretungsmacht für AN handelte, müsse nicht geklärt werden, weil AN die Vertretung durch H jedenfalls mit der Entgegenahme der 4.000 Euro insgesamt vor Rechnungserteilung um Übrigen genehmigt habe.
Der Werkvertrag sei aber nichtig, weil er gegen das gesetzliche Verbot des § 1 Abs. 2 SchwarzArbG verstoße. Die Vorschrift enthalte das Verbot zum Abschluss eines Werkvertrags, wenn dieser Regelungen enthalte, die dazu dienen, dass eine Vertragspartei als Steuerpflichtige ihre sich auf Grund der nach dem Vertrag geschuldeten Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfülle. Dem entspräche es, die Nichtigkeitsfolge jedenfalls dann eintreten zu lassen, wenn die Unternehmer:in vorsätzlich hiergegen verstoße und die Besteller:in den Verstoß der Unternehmer:in kenne und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutze. Die Zahlung von 10.000 Euro sei ohne Rechnungserstellung erfolgt, der E habe erkannt, dass für die geleistete Abschlagszahlung keine Umsatzsteuer berechnet werden sollte und habe dies zu einem eigenen Vorteil ausgenutzt. Unerheblich sei, dass AN zunächst nichts von der Abrede wusste. Er habe diese nachträglich genehmigt, so dass ihm das Wissen des H zugerechnet werde. Obwohl sich die Abrede nur auf einen Teilbetrag beziehe, erfasse sie den gesamten Vertrag. E stehe daher, trotz Mangelhaftigkeit der Arbeiten des AN, kein Anspruch auf Kostenvorschuss zu.
Praxishinweis:
Ein Werk- oder Bauvertrag ist insbesondere im Fall der Entlohnung einer selbstständigen Handwerker:in durch die Besteller:in ohne Rechnungsstellung wegen Schwarzarbeit nichtig, da dieses Vorgehen einen Verstoß der Unternehmer:in gegen ihre steuerliche Erklärungs-, Anmeldungs- und Rechnungsstellungspflicht begründet.
Letztere gilt auch für Abschlagszahlungen. Mängelansprüche der Besteller:in bestehen in diesem Fall grundsätzlich nicht. An dem Umstand, dass eine sog. „Ohne-Rechnung-Abrede“ zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags führt, ändert sich grundsätzlich auch dann nichts, wenn sich die Absicht einer Verletzung steuerlicher Verpflichtungen lediglich auf einen Teil des Werklohns bezieht. Der Fall spricht für sich und steht mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Einklang. Die letztlich geringe Mehrwertsteuerersparnis ist E am Ende teuer zu stehen gekommen.
Autoren: Rechtsanwalt Axel Wunschel, Licencié en droit, Wirtschaftsmediator und Lehrbeauftragter der TU Darmstadt sowie Rechtsanwalt Tobias Leithold LL.M. (Wollmann & Partner)