Wohnen in Hausprojekten

DBZ Heftpartner, Praeger Richter Architekten, Berlin

DBZ Heftparterner:innen
Henri Praeger, Jana Richter,
Praeger Richter Architekten, Berlin
Foto: Benedikt Kraft / DBZ

DBZ Heftparterner:innen
Henri Praeger, Jana Richter,
Praeger Richter Architekten, Berlin
Foto: Benedikt Kraft / DBZ



Das Wohnen in der Stadt differenziert sich zunehmend in unterschiedliche, hybride soziale Lebensformen aus. Die postmoderne Transformation der Lebensverhältnisse, insbesondere durch Pluralisierung von Lebensstilen und Singularisierung, zudem die Alterung der Gesellschaft sowie die zeitliche und räumliche Entgrenzung der Erwerbsarbeit und die damit einhergehenden neuen Verhaltensweisen, Normen und Bedürfnisse, verändern die Anforderungen an das Wohnen und die Quartiere. An Stelle des Idealtypus der Wohnung in der Moderne mit hierarchisch-funktionell angeordneten Räumen für die Lebensform der Kleinfamilie, umgesetzt im Siedlungs- und Massenwohnungsbau, bilden sich in den Städten und auch im ländlichen Raum zunehmend gemeinschaftliche Hausprojekte als Alternative heraus. Diese Initiativen finden sich mit großem Anspruch an das gemeinschaftliche und kreislaufgerechte Bauen zusammen und erschließen den neuen sozialen Lebensformen ihren angemessenen Raum. Sie sind integrativ, inklusiv und kooperativ. Mit diesen Hausprojekten entstehen resiliente und zukunftsfähige Strukturen. Sie reduzieren private Flächen und schaffen zudem Mehrwerte für die Nachbarschaften.

Der Neubau von Wohnraum, wie er heute noch im hochwertigen Standard errichtet wird, ist für die Mehrheit nicht mehr leistbar. Darum sollten wir diesen zumeist rendite-getriebenen Standard überwinden und für den zukünftigen Wohnungsbau Alternativen etablieren. Die Herausforderung ist es, Wohnstrukturen zu schaffen, in denen Wohnflächen und technische Standards reduziert und durch neue Qualitäten des Teilens und der Anpassbarkeit von Grundrissen ersetzt werden, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Ein Beispiel wäre die Akzeptanz bricolage-artiger Wohnungen, die aufgrund der wenigen zur Verfügung stehenden Handwerker:innen dann auch mit Hilfe des Selbstbaus Schritt für Schritt entstehen können.

Viele Hausprojekte sind Vorreiter dieser Entwicklung. Ein Workshop mit allen Projektbeteiligten, wir nennen es Bauwoche, bietet beispielsweise Anlass, Wissen und Know-how zu teilen und sich über gemeinsame Werte zu verständigen. Beim Selbstausbau geht es keineswegs nur um die Frage der Kosten und möglicher Ersparnisse, sondern um Bedürfnisorientierung, Selbstermächtigung sowie um eine praktische Kritik am gegenwärtigen Bauwesen, wenn etwa kreislaufgerechte Baumaterialien eingesetzt werden. Die zukünftigen Selbstnutzer:innen und Betreiber:innen begreifen ihre Hausprojekte als dauerhaftes System, das langfristig, erneuerungsfähig und wandelbar sein soll. Das Ergebnis: höhere Widerstandsfähigkeit der Wohnstrukturen und Gemeinschaften und Identitätsbildung über die pure Wohnung hinaus.

Als Architekt:innen ist es unsere Aufgabe, mit bauwilligen Gemeinschaften dieses neue Verständnis zu entwickeln und Projekte zu gestalten, die mit weniger Ressourcen auskommen. Wir brauchen Gebäude, die flächeneffizienter sind und weniger Baumaterialien und Energien verbrauchen. Wir müssen lokal wirtschaften, sorgsam mit den vorhandenen Rohstoffen umgehen und Bedarfe des Lebens auch in der Stadt direkt vor Ort befriedigen. Das heißt zum Beispiel: die Organisation kurzer Wege für den Alltag, Mehrfachnutzungen von Raum, adaptive Grundrisse, eigene Energieproduktion und zusätzliche Bio­diversität im Projekt. Mit der Umsetzung dieser Ideen entstehen resiliente Hausprojekte, die auf Menschen besser eingehen, die die Leistungsfähigkeit der Einzelnen und der Gesellschaft nicht überstrapazieren und die einen zukunftsfähigen Umgang mit Land, Material und Energie realisieren.

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