Wohnschlange ohne Autos
Der Wohnkomplex in Berlin-Wilmersdorf, die „Autobahnüberbauung Schlangenbader Straße“ wartet mit Superlativen auf. Länge der „Schlange“ genannten, leicht gebogenen Anlage: 600 m. Wohnungen: 1 064. Wohngrundrissvarianten: mehr als 100. Mit der anliegenden Nebenbebauung finden sich hier 1 700 Wohnungen auf engstem Raum. Und: über der A 104, der länger schon der Autobahnstatus aberkannt wurde, die aber bis April 2023 seit gut 40 Jahren eine stark befahrende Straße im Tunnel war. Dieser wurde am 20. April geschlossen, eine technische Prüfung seitens der Feuerwehr hatte Mängel an der Notrufanlage und bei der Entlüftung ergeben.
Ob das der Wohnanlage, einer Megastruktur mit Autonomieanspruch, die 1980 stückweise bezogen und 2017 unter Denkmalschutz gestellt wurde, eben diesen Status kosten könnte? Denn die Anlage von den Architekten Georg Heinrichs mit Wolf Bertelsmann, Gerhard und Klaus Detlev Krebs mit zugehörigen Außenanlagen von Paul-Heinz Gischow und Walter Rossow wird in der Denkmalliste u. a. damit beschrieben, dass sie „zudem die einzige Anlage [ist], der es gelang, einen großstädtischen Verkehrsweg tatsächlich für Wohnungsbau zu nutzen. Dabei gab es seit dem 19. Jahrhundert in der ganzen Welt spektakuläre Projekte von ‚Roadtowns‘, die aber bis auf die Berliner Autobahnüberbauung unverwirklicht blieben.“
Vielleicht führt die Straßensperrung mit offenem Ausgang dazu, dass das der „Schlange“ nahe Stadtareal am Breitenbachplatz nun mit neuem Planungsschwung versehen wird. Mit den bereits vorliegende Planungen, die diesen überdimensionierten Verkehrsknoten mit seinen Auf- und Abfahrten auflösen sollen, gab es auch die Überlegung, den Autotunnel für immer zu schließen. Daraus könnten sich – so die Studie – Potenziale für eine umweltverträgliche und klimaschonende Stadt- und Verkehrsentwicklung am Breitenbachplatz ergeben.
Davon gänzlich unabhängig soll ab 2025 der Wohnkomplex der degewo abschnittsweise saniert werden, auch hier mit offenem Zeitrahmen. Da hier die Sanierungsabschnitte leergezogen werden müssen, könnte sich auch die Mieterstruktur verändern. Könnte, denn tatsächlich wäre die Befreiung der Anlage von Lärm, subtiler Dauervibration und Abgasen wieder attraktiver für die, die hier Wohnraum haben. Für alle anderen sowieso, wenn denn Wohnungen frei würden!
Be. K.