Alles Beton oder was?
MFH aus dem 3D-Drucker in Lünen, noch einmalig in Deutschland 26.10.2023 |Wer baut, vertraut auf die Zukunft! So Ministerin Ina Scharrenbach anlässlich eines Pressetermins im westfälischen Lünen. Und: Unsicherheit ist der Feind von Investitionen! Unsicherheit ist dabei das Thema, das gerade die Baubranche zügelt, vielleicht aber auch mangellhafter Optimismus? Man kann es drehen und wenden, in Lünen wurde gerade ein Projekt der Öffentlichkeit und der Fachwelt präsentiert, das die Zukunft des Bauen sein soll. Jedenfalls ein Teil dieser Zukunft. Und darum fördern Land und Kreis das Projekt, das sich dem 3D-Druck im Bauen widmet und am Rande von Lünen ein Mehrfamilienhaus baut. Baut?
Das Mehrfamilienhaus mit sechs Wohneinheiten auf drei Ebenen und Teilkeller ist im Augenblick am 1. OG angekommen. Gedruckt mit einem Betondrucker von PERI und einem Spezialbeton von Heidelberg Materials ist dieser Bau, geplant von Steinhoff Architekten, allerdings kein reiner Betonbau aus der Düse, sondern eine Mischkonstruktion.
Kommt einem schon fast bekannt vor: Wand, in dünnen Lagen gedruckt. Material: CO2-magerer Beton
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Das Mehrfamilienhaus in Lünen füllt eine Baulücke. Der Nordgiebel des giebelständigen Hauses schaut ins Grüne
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Auf einem Teilkeller, der das abschüssige Gelände ausgleicht und konventionell aus Ortbeton besteht, wurden auf seiner Betondecke Innen- und Außenwände gedruckt. Nach ca. 100 Stunden Druckzeit soll der Rohbau fertig sein. Zu dieser Zeit kommen natürlich dazu Aushärtungspausen, die Baustelleneinrichtung, Fehlversuche, weil die Mischung nicht stimmte oder das Wetter nicht so wollte, wie es der Plan vorsah. Der Betondruck wird hier in Lünen in einer Hybridkonstruktion angewandt, das heisst, die Außenwände sind nichttragend, Betonfertigteilstützen sowie tragende Innenwände aus KS-Stein und ein Ortbeton Fahrstuhlschacht leisten hier die Tragarbeit.
Nebenan eines der schon mal energetisch sanierten Mehrfamilienhäuser an dieser Straße. Baujahr in den frühen 1950er-Jahren. Gut sichtbar Teile des Druckerportals von PERI
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Straßenansicht, Eingang später rechterhand
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Die dreifache Wandschale, deren einer Hohlraum mit Perlite gefüllt ist, hätte, so Architekt Lothar Steinhoff, durchaus das Potential einer regulären Lastabtragung, doch das hierfür nötige Genehmigungsverfahren wäre zu aufwändig gewesen; zeit- und damit kostenaufwändig.
Auf der Decke: die Geldgeber, Bauherrn und die Presse. Hier der Architekt Lothar Steinhoff mit der u.a . Bau-Ministerin des Landes NRW, Ina Scharrenbach (r.), die sich den Druckvorgang zeigen lässt. Und zwar von Lena Zimmer, Projektleitung, PERI Construction (mitte)
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Aktuell steht der Bau (auf einem konventionell realisierten Teilkeller) bis zur Decke EG
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Und darum geht es, so auch die Ministerin, die für uns Steuerzahler stellvertretend Zuschüsse für die dieses auch Forschung seiende Projekt gewährte. Geld, das den noch nicht vorhandenen, aber theoretisch möglichen Vorteil dieser Art von Bauen fördern soll. Denn auch, wenn der Bauherr, die Wohnungsbaugesellschaft Lünen eG (WBG Lünen) sich an der Spitze einer Bewegung sieht, ohne die Fördergelder wäre das Projekt vielleicht erst gar nicht ins Portfolio aufgenommen worden. Das öffentliche Geld kommt aus der landeseigenen Förderung „Innovation in der Bauwirtschaft” und aus dem Programm der öffentlichen Wohnraumförderung, insgesamt rund 1,7 Mio. Euro; von 1,9 Mio. Euro Baukosten insgesamt.
Tatsächlich wurde in Lünen eine Hybridkonstruktion gewählt, Lasten werden nicht über die gedruckte Fassade, sondern über Betonfertigteile (s. Stütze) und KS-Mauerwerk abgetragen. Die Wände hätten es hergegeben, die Bauzulassung wäre komplizierter geworden
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Blick ins zukünftige Wohnzimmer mit Ausblick ins Grüne
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Obwohl nur drei Ebenen: Fahrstuhl. Der Schacht ist in Ortbeton gefertigt.
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
So kann die BWG Lünen Erfahrung sammeln, kann am Ende sehr entspannt ein Haus für seine Mitglieder zu ca. 6 €/m² Kaltmiete anbieten, was für einen Neubau auch in Lünen durchaus günstig ist. Wenn Drucktechnik und Materialeinstellung noch exakter eingestellt sind, wenn das schon optimierte Material noch weniger zur negativen CO2-Bilanz des Betons beiträgt, wenn man zukünftig noch höher und vielleicht gar einmal auch im Bestand auf- oder einfügen kann, dann steht dieser Technologie wohl nichts mehr entgegen. Der Architekt jedenfalls ist optimistisch, was das Bauen mit 3D-Betondruck angeht, auch, was den Wissenstransfer betrifft: steile Lernkurve, sich ständig verdichtendes Know how.
v. l.: Jan Peter Graumann (PERI), Dr. Jörg Dietrich (Heidelberg Materials), Jan Hische (Vorstand WBG Lünen), Ina Scharrenbach (Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung NW), Jürgen Kleine-Frauns (Bürgermeister Lünen), Lothar Steinhoff (Projektarchitekt) und Alexander Rychter (Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen e. V.)
Foto: Benedikt Kraft / DBZ