Architekturbiennale ... da war doch was?
Es ist still um die Architekturbiennale 2012 in Venedig geworden, ein Grund mehr, die große Schau noch einmal ins Gedächtnis zu rufen 22.01.2018Es ist zu jeder Biennale (ob Architektur, Kunst oder Kochen) das Gleiche: Kurz vor deren Eröffnung stürzen sich die Journalisten und Redakteure aus aller Welt wie die Heuschrecken auf die Saat auf das Großereignis. Preview ist das Zauberwort, das manchen Kollegen schon Monate vorher unruhig werden lässt. Und dann wird fotografiert und geschrieben und berichtet vor und hinter der Kamera, so lange, bis es wirklich keiner mehr sehen möchte. Oder man längst in anderen Gefilden unterwegs ist; auf heimischen Baustoffmessen beispielsweise.
Doch die Architekturbiennale in Venedig, über die es tausende Vor- und Nachberichte allein in deutscher Sprache gegeben hat, die dauert noch ein Weilchen. Ist noch geöffnet, kann und sollte noch besucht werden. Auch wenn das Wetter in der schönsten Stadt der Welt mittlerweile unbeständig, die Touristenscharen aber deswegen kaum kleiner geworden sind.
Also hinfahren, die Reisezeit ist sogar günstiger als Ende August noch, in welcher so mancher in der stickigen Luft der gar nicht belüfteten Arsenale um Atem hat ringen müssen; weniger angesichts der Exponate. Und in diesem Architekturbiennalejahr unbedingt Zeit für die Nationenpavillons mitbringen und dort die Architekturtempel nach Architekturtempel abklappern (eine schöne Bestandsaufnahme dieser Tempelarchitetkuren findet sich im zentralen Ausstellungspavillon mit dem Konzept von Diener & Diener, ausgeführt im klassischen Schwarzweiß durch den Fotografen Gabriele Basilico: Portraits der Arbeiten von Daniele Donghi, Léon Sneyers, Josef Hoffmann, Bruno Giacometti, Gerrit Thomas Rietveld, Philip Cox, Amerigo Marchesin, Carl Brummer, Faust Finzi, Edwin Alfred Rickards, Zeev Rechter, Takamasa Yoshizaka, Aleksej V. Scusev, Sverre Fehn, Grand Central Art Galleries und vielen vielen anderen Architekten. Deren Namen meist nur noch ein winziger Nachhall in der Geschichte sind.
Die Hauptausstellung in den Arsenale, vielleicht. Das Bilderfeuer, das Lord Foster ganz vorne entzündet hat (Vorsicht, nichts für Stroboskoplicht-Phobiker!). Der Sakralraum, den Peter Märkli mit Plastiken von Hans Josephsohn tonnenschwer und federleicht macht, eine ungewollt posthume Ehrung des Künstlers, der wenige Tage vor Eröffnung der Biennale verstarb, dessen Geist und Werk für Märklis Arbeit von zentraler Bedeutung ist). Oder das fröhlich bunte und laute Cafe am mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnenten Beitrag "Torre David / Gran Horizonte" von Urban-Think Tank. Oder, ganz weit hinten, schon in den Gärten die "Wunderkammer" von Tod Williams und Billie Tsien. Oder der schöne Open-Air-Pavillon direkt gegenüber von Alvaro Siza, eine Modell-Studie zu einem Projekt in Porto. Oder, wenn die Beine müde geworden sind, ein Film von Wim Wenders, gezeigt im südlichen der beiden Torre di Porta Nuova, die das Hafenbecken zur Lagune hin sicherten und zwischen welchen heute die Proms am Ausstellungsgelände anlanden. Protagonist und selbstverliebter Selbstdarsteller: Peter Zumthor.
Oder ... oder Sie fahren mit dem Vaporetto 41/42/51/52 nördlich der Hauptinsel zur Haltestelle Bacini, laufen ca. 200 m südlich, halten sich rechts, laufen am frisch sanierten und mit der schönsten zeitgenössischen Treppenanlage Venedigs versehenen Torre di Porta Nuova vorbei (reinschauen, wenn offen!) am großen Hafenbecken der Arsenale Novissimo entlang riesiger Backsteinhallen, die zum Teil schon für Ausstellungen und Büroflächen ausgebaut sind und zum großen Teil noch auf ihre Wiedererweckung warten. Einer Wiederentdeckung im Rahmen eines auch mit EU-Geldern finanzierten gigantischen Sanierungsprogramms, das Mitte der Neunziger Jahre mit dem südlichen Arsenale-Gelände startete und hier, in den Arsenale Novissimo wohl 2023 abgeschlossen sein wird. Wer hier ein auf dem Dock liegendes U-Boot entdeckt oder in die alten Werfthallen mit ihren riesigen und uralten Slippanlagen hineinschaut, der bekommt eine Vorstellung davon, was Venedig bis vor wenigen Jahrzehnten noch war: eine wichtige Industriestadt im Norden Italiens. Be. K.
Die Architekturbiennale 2012 in Venedig ist noch geöffnet bis zum 25. November 2012, täglich 10 bis 18 Uhr (Arsenale/Giardini). Weitere Veranstaltungen und Ausstellungen auf dem Stadtgebiet, das Programm findet sich auf der Website.
Weitere Informationen zum Deutschen Pavillon, ein Interview mit Muck Petzet, einem Text von David Chipperfield, Informationen zum Schweizer und Österreichischen Pavillon und weiteren in unserem Vorab-Supplement zur Biennale.
Zum Lesen empfohlen:
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Reduziert, Reduziert, Reduziert. Der Deutsche Pavillon in Venedig erscheint ein wenig zu sehr reduziert; aber vielleicht nutzt das etwas. Von Benedikt Kraft
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