Das Normale der Stadt

Am Thema vorbei: Konferenz zur Schönheit und Lebensfähigkeit der Stadt Nr. 4 in Düsseldorf

„Konferenz zur Schönheit und Lebensfähigkeit der Stadt“ heißt die Veranstaltung, zu welcher das Deutsche Institut für Stadtbaukunst am 14. und 15. März 2013 nach Düsseldorf eingeladen hatte. Zum vierten Mal saßen Mitglieder einer illustren Architekten- und Stadtplanerriege zusammen, um sich Gedanken zu machen über die schöne Stadt, und was ihr Wesen sei.

Und soviel gleich vorweg: Der Autor kann sich nicht entscheiden, was er im Zusammenhang mit der Veranstaltung mehr bewunderte: die auf Strebebögen ruhende, vergoldete und muschelförmige Schirmkuppel über dem knapp 500 m² großen Veranstaltungssaal „Rheingoldsaal“, oder die Prominenz der hier versammelten Männer (ach ja, unter den 51 eingeladenen und meist anwesenden „Diskutanten“, waren drei Frauen). Unter den vom Veranstalter so genannten „Diskutaten“, deren Rede und Gegenrede von Christoph Mäckler, Wolfgang Sonne und anderen moderiert wurde, waren Harald Bodenschatz, Klaus Theo Brenner, Kaspar Kraemer, Rob Krier, Vittorio Magnago Lampugnani, Werner Oechslin, Ivan Reimann, Christopf Sattler und Hans Stimmann. Das Durchschnittsalter der Runde lag bei wohl nur wenig unter 60 Jahren.

Thema der zweitägigen Konferenz war „Die normale Stadt und ihre Häuser“ und das wurde, um auch dieses vorweg zu nehmen, nicht oder nur im Rande diskutiert. Denn was das Normale ist, ist Ansichtssache, fast Geschmackssache, darüber lässt sich allenfalls streiten, nicht jedoch konstruktiv debattieren. Möchten wir allerdings das Normale definieren, um hier entweder Maßstäbe zu evaluieren oder gar Gestaltungsrichtlinien zu verfassen, werden wir schnell normatives Handeln provozieren: Regulierung, Bürokratisierung, Einengung von Möglichkeiten.

Also nicht das Normale, das heutzutage sowieso keiner mehr möchte, selbst die Backsteintraditionalisten nicht, selbst die mit dem Dortmunder Institut für Stadtbaukunst Verbundenen nicht, die sich zwei Tage lang im Sitzkreis einfanden, um in der Wilhelm-Kreis-Architektur „Rheinterrassen“ über Wege aus einer Misere zu beraten, für welche sie eine „Avantgardemoderne“ verantwortlich machen. Verantwortlich sei die, auf den Instituts-Punkt gebracht, dafür, dass die Stadt der Moderne heute alltagsuntaulich, wertlos und hässlich ist. 

Der erste Tag der Konferenz war ein wenig planlos, hier wurden bekannte Standpunkte neben bekannte Standpunkte gesetzt: der Ort und seine Geschichte sind sehr wichtig; Stadthäuser müssen eine Fassade zum Straßenraum haben; städtebauliche Planung benötigt ordnende Prinzipien; und: Parzellengröße sei vielleicht doch nicht das Entscheidende in der Stadtplanung. Letzteres, so von Christoph Mäckler am zweiten Tag resümiert, überraschte dann doch, aber wenn die Größe der Parzelle für das Schöne in der Stadt nicht unbedingt entscheidend ist: Was dann?!

Anknüpfend an den den zweiten Tag abschließenden Beitrag Jörn Walters, Oberbaudirektor der Stadt Hamburg, entwickelte sich eine längere Diskussion um Sinn und vor allem Unsinn einer Baunnutzungsordnung, die darin gipfelte, dass Jörn Walter feststellte, dass „zeitgenössische Stadtplanung gegen das Gesetz“ sei und die von ihm mitverantwortete wie durchaus befürwortete Wohnbebauung in der Hafencity eigentlich gar nicht zulässig sei. Ob deren Uneinheitlichkeit, wie häufig vorgeworfen, der Preis für die Durchmischung sei, den er hier gerne zahle, kann man bezweifeln, denn durchmischt wird in der Hafencity lediglich der Architekturstil, über den sich wunderbar streiten ließe.

Dann kam noch die Frage auf, ob der Bürger denn die für jede Urbanität so unverzichtbar gehaltene hohe Dichte wolle? Nein, der wolle das nicht, so die Stadtbaurätin der Stadt München, Frau Elisabeth Merk. Jedenfalls nicht der Münchener Bürger. Wolle er doch, so Dieter Bartezko von der FAZ, jedenfalls der Frankfurter.

Sie lesen, die Streitfragen waren nicht die neuesten, und wer glaubte, er hätte seinen Standpunkt wasserfest gemacht, sah ihn gleich schon aufgeweicht durch den Sitzungssaal nach draußen treiben, dem Vater Rhein zu. Dass es sich Christoph Mäckler am Ende der Veranstaltung nicht verkneifen konnte, den beim Deutschen Institut für Stadtbaukunst so häufig wie hilflos wirkenden Propaganda-Kniff der Gegenüberstellung anzuwenden – hier Häßlichkeit (immer heute), dort Schönheit (meist gestern) – könnte man einer gewissen Frustration zuschreiben, gäbe es nicht die Ausstellung nebenan, zu welcher die Kontrastierung im Saal überzuleiten schien. Dort, im benachbarten historischen Saal, dem Gelben Salon, warteten zehn Bilderpaare, die zehn Plätze in Deutschland in der Zeit 1950 und heute zeigen. Dass hier die Bilder heute einen wesentlich unsympathischeren Gesichtsausdruck präsentierten, war zu erwarten, die Tendenz dieser Ausstellung wie der Veranstaltung insgesamt ist allen Beteiligten bewusst. Frage: Kann so etwas Neues gedacht werden, dass uns aus der Misere des deutschen Städtebaus hinausführt? Wohl eher nicht.

Zur nächsten Veranstaltung, die nicht mehr über Schönheit fabulieren sollte und deren Diskutanten man nicht mehr nach ihrem Namen, sondern ihrer Kompetenz und ihrem Alter auswählen sollte (jüngere!), eine solche verjüngte Konferenz sollte einmal wieder die alten Fragen ins Zentrum stellen wie, wer die Besitzer der Stadt sind und wer die Eigentümer, wie wir hierarchische Verkehrsmodelle umkehren können (Fußgänger stehen jetzt vorne, Autofahrer am Schluss), wie wir Wohnraum schaffen können für alle, also auch für die, die sich guten, gesunden Wohnraum nicht leisten können, wie wir uns mit diesen in den so genannten gutbürgerlichen Vierteln vermischen, wie wir Verbräuche reduzieren (Energie, Materialien, Flächen etc.), wie wir die Verwalter unserer Besitzstände dazu zwingen können, Bodenbevorratung nachhaltig und demokratisch zu organisieren, oder wie wir dazu kommen können, das Normale, also Allgegenwärtige der Städte als Erbe zu akzeptieren, mit dem wir klug und ohne Tabula rasa und schon gar nicht mittels Facelifting umzugehen haben. Denn wer geschichtsvergessen ausschließlich die gute alte Zeit als eine Zeit propagiert, in welcher die Welt noch im Gleichgewicht war, verrät all diejenigen, die schon in diesen Zeiten unter der guten alten Zeit zu leiden hatten und sie reformierten, modernisierten, weiterdachten. Die normale Stadt ist das, was wir sehen, tagtäglich. Das kann schön sein oder häßlich. So ist das Leben eben. Soziale Ungleichheit gehört ebenfalls zum Leben dazu, aber gegen die sollte man immer und immer wieder ankämpfen. Be. K.

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