Raum ist Spannung

Ausstellung über Leben und Werk des Baumeisters Otto Bartning vom 4. bis 18. Juli, Essen

Im Rahmen der Veranstaltungen zur Europäischen Kulturhauptstadt wird in Essen eine Ausstellung über Leben und Werk eines bedeutenden Baumeisters der Klassischen Moderne: gezeigt, Otto Bartning. Ausstellungsort ist die von ihm entworfene Kirche am Moltkeplatz, die in diesem Jahr ihr 100-jähriges Jubiläum feiert.

Otto Bartning gilt als wichtigster deutscher Kirchenbaumeister des 20. Jahrhunderts im evangelischen Bereich und bedeutender Architekt der Klassischen Moderne. Mit dem Bau von Kirchen begann er schon 1906, noch als Student, im Alter von 23 Jahren. 1918/19 avancierte Bartning, was kaum bekannt ist, zusammen mit Walter Gropius zum Vater der Gründungsidee für das Bauhaus; 1926-1930 war Bartning Professor und Direktor der von ihm gegründeten Bauhochschule in Weimar, die den Platz des nach Dessau gezogenen Bauhauses von Gropius einnahm.

Die Ausstellung behandelt exemplarisch die Sakralarchitektur Bartnings, Bauhausgründung und Weimarer Bauhochschule und will den ideengeschichtliche Kontext seines Schaffens näher bringen. Leben, Wirken und Kirchbauten werden auf 15 größeren und einigen kleineren Schautafeln, durch Fotos und per Bildschirmschau präsentiert, ergänzt durch einige Architekturmodelle im Maßstab 1:100. Kopien ausgewählter Dokumente können zur Lektüre eingesehen werden; eine Hörstation gibt eine Rede Bartnings zum Thema „Wort und Raum“ im O-Ton wieder.

Der Ausstellungsort, die Kirche am Moltkeplatz, ist eine architekturgeschichtliche Besonderheit, es handelt sich nämlich um den einzigen Kirchenbau Bartnings in Deutschland aus seinem Frühwerk, der Zeit vor dem 1. Weltkrieg (alle übrigen von ihm zwischen 1906 und 1914 erbauten Kirchen befinden sich in den Ländern der ehemaligen Donaumonarchie). 1909 war Baubeginn, am 10. Juli 1910 die Einweihung unter der Bezeichnung „Altlutherische Kirche“ – sie ist ein Bauzeugnis für die Überwindung des rückwärts gewandten Historismus jener Tage. Der campanileartige Turm diente zugleich als Treppenhaus für das später ebenfalls von Bartning angefügte Pfarrhaus. Im 2. Weltkrieg zerstört, wurde der Wiederaufbau bereits 1948 beendet, als erster der wieder aufgebauten Essener Kirchen. Der Innenraum ist freilich gegenüber dem Originalzustand deutlich verändert worden. Seit 1987 ist die Kirche Baudenkmal. Das 100. Jahr der Einweihung dieses bauhistorisch wichtigen Sakralbaus gab den Anlass für das Prädikat „Bartningkirche des Jahres 2010“.

Otto Bartning gehörte zur Avantgarde der Moderne (Arbeitsrat für Kunst, Werkbund und der Ring seien hier als zentrale Wirkungsfelder genannt), und war dabei eine bedeutende Persönlichkeit des kulturellen Lebens weit über die Architektur hinaus. Im Hinblick auf die kirchengeschichtliche Bedeutung besonders erwähnenswert ist, dass Otto Bartning eine Ausnahmeerscheinung bildete unter den – sonst ja eher kirchenfernen – Avantgardisten: Für ihn waren Kirche und Moderne keine Gegensätze. Und mit Visionen einer neuen Menschengemeinschaft wurde Otto Bartning zum Vordenker eines zeitgemäßen, nicht konfessionell verengten Glaubensverständnisses.

Die Ausstellung ist Teil der „Bartning-Jahre 2008|2009|2010“ – ein von der OBAK ins Leben gerufener überregionaler Festzyklus mit vielfältigem Programm aus Anlass des 125. Geburtstages Otto Bartnings im Jahre 2008, seines 50. Todestages 2009, des „Bauhausjahres 2009“ und zweier wichtiger Jubiläen vom ihm erbauter Kirchen 2010 (100-Jahr-Feier in Essen und 50-Jahr-Feier der posthumen Einweihung seiner letzten Kirche).

Veranstaltung: Ausstellung über Otto Bartning
Ort: Kirche am Moltkeplatz 19, 45138 Essen
Zeit: 4. bis 18. Juli 2010, 10 – 18 Uhr
Weitere Informationen: Neben Flyern zu einigen Bartningkirchen wird ein Handout zur Ausstellung angeboten.
Internet: www.otto-bartning.de

Weitere Informationen zum Download:

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