Pritzker Preis 2016

Alejandro Aravena. Pritzker-Preisträger 2016

In Chicago wurde heute mit dem diesjährigen Pritzker-Preisträger aus Chile auch die Haltung des Architekturbüros "ELEMENTAL" ausgezeichnet

Alle Jahre wieder die gleiche Verzweiflung: Wieder nicht den (selten die) richtigen Anwärter für den so genannten Nobelpreis der Architektur korrekt vorausgesagt! Fast schon wie beim richtigen Nobelpreis – dem für Literatur ganz besonders – überrascht auch die Pritzker-Jury immer häufiger mit einem, den so recht keiner kennt. Wobei der  am 13. Januar 2016 bekannt gegebene Alejandro Aravena wenigstens seit seiner Wahl zum künstlerischen Kurator der kommenden Architekturbiennale in Venedig den meisten Architekten und an Architektur Interessierten bekannt sein müsste. Und genau aus diesem Grund – und ein paar anderen – schied Aravena im diesjährigen Ratespiel aus: zu viel Ehre für einen, der durchaus am Rande Pritzker-Diskurses steht.

Mit dem 48-jährigen Architekten, der sein Büro Elemental in Santiago/Chile hat und von hier aus offenbar die (ethischen) Baustandards der Welt aufmischen möchte, ist der 41. vom Pritzker Preis Ausgezeichnete, der erste Chilene, der vierte aus Lateinamerika nach Luis Barragán (1980), Oscar Niemeyer (1988) und Paulo Mendes da Rocha (2006).

Aus der den Preis vergebenden Hyatt-Stiftung heißt es: "Die Jury hat einen Architekten ausgewählt, der unser Verständnis von wahrhaftiger Gestaltung vertieft. Alejandro Aravena war immer schon ein Pionier auf dem Gebiet kollektiver Praxis, die uns wunderbare Arbeiten geschenkt hat wie ebenso Hinweise darauf, was im 21. Jahrhundert die zentralen Herausforderungen sind. Sein gebautes Werk gibt den weniger Privilegierten eine Chance der Teilhabe, mildert die Auswirkungen von Naturkatastrophen, reduziert den Ressourcenverbrauch und schafft lebenswerten öffentlichen Raum. Innovativ und inspirierend zeigt uns der Architekt, dass Architektur vom Besten die Lebensbedingungen aufwerten kann."

Aravena hat zahlreiche bemerkenswerte Bauten fertiggestellt, so die auch international angesehene Universidad Católica de Chile in Santiago, inklusive des UC Innovation Center – Anacleto Angelini (2014), das mit seiner an traditionellen Bauweisen orientierten natürlichen Klimatisierung massenhaft Energie einspart. Bekannt sind auch die Siamesischen Türme (2005), die Medizinische Hochschule (2004), die Hochschule für Architektur (2004) oder die Mathematische Hochschule (1999), alle der Universidad Católica de Chile zugehörig.

Seit 2001 ist Aravena der geschäftsführende Direktor von ELEMENTAL, ein so geannter “Do Tank” in bewusster Abgrenzung zum sonst üblichen "Think Tank". Die Partner sind Gonzalo Arteaga, Juan Cerda, Victor Oddó und Diego Torres. ELEMENTAL fokussiert auf Projekte, die im öffentlichen Interesse stehen und soziale Aspekte haben: Wohnen, öffentlicher Raum, Infrastruktur, Transport. ELEMENTAL hat bis heute mehr als 2500 Wohneinheiten realisiert, allesamt im Niedrigkostenbereich. Zur Kollektivphilosphie gehört ganz zentral der partizipatorische Gedanke. International bekannt geworden ist ELEMENTAL durch seine so genannten “half of a good house”-Projekte. Das sind gleichsam technisch komplette Rohbauten, die von den Bewohnern vervollständigt werden. Eine Strategie, die mehr und mehr auch in Deutschland ankommt.

Dieser Ansatz, der auch "schrittweise Wohnen machen" übersetzt werden kann, erlaubt es Ärmeren, auf teurerem Bauland zu bauen. Damit wird die schon durch Baulandpreise erzeugte Ghettoisierung (möglicherweise) unterbunden.

Auf die Nachricht seiner Ernennung schreibt Aravena per Email: "Im Zurückschauen fühlen wir uns sehr dankbar. Keine Leistung ist individuell. Architektur ist eine kollektive Disziplin. So denken wir - mit Dankbarkeit - an all diejenigen, die es möglich gemacht haben, dass die riesige Vielfältigkeit der Kräfte im Spiel eine Form bekommen haben.

Wenn wir in die Zukunft schauen, sehen wir Freiheit! Das Prestige, der Umfang, die Würde des Preises ist derart, dass wir hoffen, mit seiner Kraft neue Gebiete erforschen zu können, neue Herausforderung anzunehmen und in neue Arbeitsfelder aufbrechen zu können. [...]

Jetzt ist unser Plan, keinen Plan zu haben. Wir wollen das Unerwartbare schauen, offen sein für alles, was kommt. Am Ende, wenn wir auf das Heute schauen, sind wir überwältigt, aufgeregt, glücklich. Jetzt ist erstmal Zeit zu feiern und unser Glück mit so vielen wie möglich zu teilen.”

ELEMENTAL

Pritzker Price

Pritzker-Preisträger:

2016 Alejandro Aravena
2015 Frei Otto
2014 Shigeru Ban
2013 Toyo Ito
2012 Wang Shu
2011 Eduardo Souto de Moura
2010 Kazuyo Sejima & Ryue Nishizawa
2009 Peter Zumthor
2008 Jean Nouvel
2007 Richard Rogers
2006 Paulo Mendes da Rocha
2005 Thom Mayne
2004 Zaha Hadid
2003 Jørn Utzon
2002 Glenn Murcutt
2001 Jacques Herzog & Pierre de Meuron
2000 Rem Koolhaas
1999 Norman Foster
1998 Renzo Piano
1997 Sverre Fehn
1996 Rafael Moneo
1995 Tadao Ando
1994 Christian de Portzamparc
1993 Fumihiko Maki
1992 Alvaro Siza
1991 Robert Venturi
1990 Aldo Rossi
1989 Frank Gehry
1988 Oscar Niemeyer, Gordon Bunshaft
1987 Kenzo Tange
1986 Gottfried Böhm
1985 Hans Hollein
1984 Richard Meier
1983 I.M. Pei
1982 Kevin Roche
1981 James Stirling
1980 Luis Barragán
1979 Philip Johnson

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