Ceci n’est pas un Kulka. C’est vrais?!
In Potsdam wird gerade ein Schlossneubau bezogen. Ein Interview mit dem Architekten in der Januarausgabe der DBZ 22.01.2018Endlich. Endlich raus aus dem alten muffigen Parlamentsgebäude, der ehemaligen Königlich-Preußischen Kriegsschule auf dem Potsdamer Brauhausberg. Hier gab es feuchte Wände und bollernd heiße Heizungsrohre. Und blätternden Putz und eine Enge, die preußischer Sparsamkeit und rigider Zweckorientierung entsprang. 23 Jahre Provisorium, damit ist jetzt Schluß, im November 2013 tagte das Landesparlament ein letztes Mal im „Kremel“, so nannte der Bürgermund die auch von der SED genutzte Anlage über der Stadt.
Vor acht Jahren endlich beschlossen die Parlamentarier den Parlamentsneubau, dessen Standort, soviel war schnell klar, auf dem Gelände des zweifach zerstörten Schlosses fixiert war. Streitpunkt damals – und heute nicht mehr – war die Gestaltung des Neubaus, den die einen sich hinter den historischen Fassaden wünschten, die anderen hinter zweckmäßig zeitgenössischer Außenhaut. Dass man innen ebenfalls das Alte wiederherstellen sollte, war der Wunsch der „Mitte-Schön-Initiative“, dessen prominentester Vertreter, der Fernsehmoderator Günther Jauch, schon 2001 mit der Wiederherstellung des Fortunaportals einen Samen pflanzte, vergleichbar vielleicht dem, den Wilhelm von Boddien mit seiner Schlossattrappe in Berlin platzierte.
Nach längerem Hin und Her ob historisch oder modern, sprach der gebürtige Berliner und in Potsdam sehr präsente SAP Mitbegründer und Multimilliardär Hasso Plattner ein Machtwort: Er werde 20 Mio. € spenden, wenn das neue Parlament in altem Kleid gebaut würde.
Die Stadt schrieb einen Investorenwettbewerb mit sechs Bieterkonsortien aus, den 2009 die niederländische Royal BAM Group mit ihrem Architekten Peter Kulka für sich entscheiden konnte. Das PPP-Verfahren sieht vor, dass die BAM die Erstellungskosten von rund 120 Mio. € übernimmt, dafür für 30 Jahre vom Land Brandenburg eine jährliche Miete. Der Vertrag enthält eine Garantie, dass der Landtag nach Ablauf der 30 Jahre „in gutem Zustand ans Land übergeben wird“. Insgesamt rechnet die Landesregierung über die 30 Jahre Nutzung hinweg mit Bau- und Betriebskosten von 300 Mio €.
Im Gegensatz zum Berliner Schloss, bei dem gerade mal die Kellerdecke fertig betoniert wird, liegt die Fertigstellung des Schlosses in Potsdam mit nur einem Jahr Bauzeitüberschreitung gut im Plan. Jetzt warten der Hauptflügel mit Plenarsaal für maximal 119 Abgeordnete (zurzeit für weniger, man hat eine Reserve für die allerdings unwahrscheinliche Länderfusion vorhalten müssen) und die beiden Seitenflügel für die Fraktionen und sämtliche Verwaltung. Der große Platzbedarf war dann auch ein Problem, das der Architekt mit leisen wie dennoch umstrittenen Aufweitung der Volumia beantwortete: Die Seitenflügel werden breiter und damit von der historisch einhüftigen Erschließung zum Zweihüfter. Ebenfalls wurde auf dem 3. OG ein viertes versteckt, hier wird über Dachschrägenfenster belichtet.
Streitpunkte gab in der kompletten Bauzeit wegen moderner Geländer oder der Gestaltung des einzige irgendwie historischen Treppenhauses unter der Kuppel. Und, so jedenfalls Peter Kulka, den wir gestern in Potsdam trafen und mit dem wir ein Interview machten (DBZ 01 2014), achtete der Architekt mit „Argusaugen“ darauf, dass die wenigen noch vorhandenen Schlossreste, die als Spolien eingebaut werden konnten, nicht schöner gemacht wurden, als sie zum Zeitpunkt ihres Fundes waren: keine neuen Arme, keine neuen Nasen, nichts davon.
Verletzungen will der Architekt zeigen und baut trotzdem ein neues altes Schloss?! Am Ende des Gesprächs blieben diese Widersprüche. Aber vielleicht geht die radikale Haltung an diesem Ort auch nicht, davon jedenfalls ist Kulka überzeugt. Und altersmilde sei er geworden, was man gar nicht glauben will, hört man ihn sich ereifern und spürt man seine Wut, vielleicht auch auf sich selbst.
Mehr zum Schloss demnächst, das Interview ist in der Januar-Ausgabe 2014 der DBZ abgedruckt. Be. K.