15. Architekturbiennale Venedig

Perlenschnur Corderie: Was es dort alles zu sehen gibt

Lose Folge von Beiträgen zur 15. Architekturbiennale in Venedig 2016. Nr. 3

In loser Folge haben wir Ihnen in den vergangenen Wochen ein paar Eindrücke weitergegeben, die wir auf den Previewtagen der 15. Architekturbiennale in Venedig für Sie (und uns!) gewinnen konnten. In dieser dritten Folge gehen wir mit Ihnen auf das riesige Gelände der Arsenale/Corderie (in einem ersten Teil, der zweite demnächst ergänzt diesen Überblick). Dieser zweite, Anfang des 20. Jahrhunderts zum Ausstellungsgelände der Giardini hinzu gekommene Ausstellungsort, war noch bis vor wenigen Jahrzehnten ein Werftgelände, dessen Ursprünge bis ins 12. Jahrhundert zurück reichen. Heute noch gibt es am Arsenale kleinere, private Werften, die allerdings eher die Dimension größerer Werkstätten aufweisen.

Die 15. Architekturbiennale in Venedig hat ihre Tore noch bis Ende November 2016 offen.

Der Hauptzugang zum Ausstellungsgelände liegt an der Corderie, einer viele hundert Meter langen Backsteinhalle, in der einmal die Taue gedreht wurden, die auf den Schiffen stehendes und laufendes Gut waren. Beinahe immer wird die Vorhalle der Corderie vom Hauptkurator der Architekturbiennale für ein Statement genutzt, auch Alejandro Aravena macht hier keine Ausnahme. Sein „Making off“ schafft eine beeindruckende Raumskulptur aus den Resten der Kunstbiennale 2015: Alu-Rahmenreste hängen wie Schwerter dicht an dicht von der Decke, zu Stücken geschnittene, insgesamt 100 t schwere Gipsplatten bilden als gemauerter Verbund den unteren Wandabschluss. Auf kleinen, hier auskragenden Flächen stehen Minimonitore, die Filme vom „making off“ zeigen. Eine Art Pendant zu dieser Installation findet sich im ersten Raum des zentralen Pavillons in den Giardini mit „Maria Reiche’s Room“. Hier wurden die Gipsplatten ebenfalls wie Mauerwerk geschichtet, allerdings gibt es nur einen Punkt, der über die Arbeit informiert. Eine davor angelehnte Leiter spiegelt das Leitmotiv der Architekturbiennale: Maria Reiche auf einer Leiter stehend um sich Überblick zu verschaffen. Was einerseits vermitteln möchte, dass wir alle immer neugierig sein sollten und auch, dass man manchmal auch mit einfachen Mitteln Ziele erreichen kann.

Auf der 15. Architekturbiennale in Venedig geht es ums Grundsätzliche. Um die Rolle der Architektur in der alltäglichen Konfrontation mit Lebensumständen zum Beispiel. Mit möglichem Mangel an allem, mit Verlust durch Zerstörung, mit Geldknappheit, mit Energiemangel ... Aravena hat es geschafft, dass sich viele der Nationenbeiträge diesem Aspekt des sehr Pragmatischen in der Architektur sehr anschaulich gewidmet haben und bei den Beiträgen in der Corderie / Arsenale zudem noch Architektenteams präsentieren lässt, die nicht auf den ersten Blick erkannt werden.

Die rund 300 m lange Reise (theoretisch so lang, in Wirklichkeit natürlich fünf- oder siebenmal so lang) streift Arbeiten von Al Borde, Ecuador, von Pritzker Preis Träger Amateur Architecture Studio, China, von Christ & Gantenbein, Schweiz, Rural Studio, USA, Tadao Ando, Japan, Atelier Bow-Wow, Japan, Marte.Marte Architekten, Schweiz, von Werner Sobek, Deutschland, und BeL Sozietät von Architekten, Deutschland, Studio Snozzi, Schweiz, oder – ebenfalls Schweiz – Block Research Group, ETHZ. Bei vielen der hier Ausstellenden, deren Beiträge im weiteren Verlauf durch Nationenbeiträge erweitert werden – so von Mazedonien, Slowenien, Kuwait oder Jemen – ist der Arbeitsansatz ein interdisziplinärer, ist die Projektarbeit die wesentliche und das Ergebnis dann eher eine selbstverständliche Sache. Viele dieser Projektearbeiten zeigen zudem, dass der Mangel an Ressourcen, der Mangel an Geld oder der an Raum nicht zwangsläufig das Scheitern bedeuten muss. Sondern ganz im Gegenteil Erfindungsreichtum generiert, der ressourcenangemessenes Bauen, Realisierungspotential und gestalterische Schönheit nach sich zieht. Was durchaus poetisch werden kann jenseits aller Armutsromantik.

Für einen Gang durch die Corderie alleine sollte man einen Tag rechnen, zwischendurch kann sich das Auge auf den Skulpturen von Teresa Moller, Alexander d’Hooghe, Alexander Brodsyk oder Samuel Goncalves ausruhen. Lord Norman Fosters Skulpturen oder Herzog & de Meurons filmisches Statement müssen dann auf den zweiten Rundgang warten, wie viele weitere Schauplätze auf dem Gelände des Arsenale. Die wir demnächst Ihnen hier vorstellen werden. Be. K.

Die Ausstellung in der Corderie / Arsenale ist noch bis zum 27. November 2016 geöffnet, täglich von 10 bis 19 Uhr. Katalog (engl.) bei Marsilio.

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