Michele de Lucchi in Köln
Die KAP-Reihe "Vordenker" lud den Architekten und Designer, Künstler und sicher auch Vordenker ins Museum für angewandte Kunst. 20.09.2019Keine Fanfaren, kein Defilee irgendwelcher VIPs aus der Kölner Szene, ja nicht einmal übermäßig viel Presse begleiteten den Auftritt eines Mannes in den Endsechzigern, den man von weitem schon an seinem mächtigen Bart erkennt und der einen dann, steht man vor ihm, mit freundlichen Augen erwartungsvoll anschaut. Der Auftritt war am Donnerstagabend im MAKK, das neben dem von Andreas Grosz kuratierten KAP-Forum Einlader zu diesem spektakulären Abend war.
Michele de Lucchi, Architekt und Designer ("und Künstler", wie er sagt) ist trotz allem ein Star (so ungern ich das Wort auch für die besten Kreativen nutze), in Italien sowieso, in Deutschland wenn nicht noch mehr. Geboren am 8. November 1951 in Ferrara in der wunderschönen Emilia-Romagna, studierte in Padua und lehrte anschließend zunächst Industriedesign an der Universität Florenz. De Lucchi war ein Freund und Mitarbeiter des großen Radikalen Ettore Sottsass, war Mitglied und Mitbegründer bei Alchimia und der legendären Memphis Group, deren schrille wie gewagte Designs heute zu den Klassikern des Produktdesigns des 20. Jahrhunderts zählen und in jeder großen Designsammlung der Welt vorhanden sind.
1988 gründete er das eigene „Studio De Lucchi“ wie auch die Firma amdl mit Büros in Mailand und Rom. Zuvor hatte er bereits für Olivetti gearbeitet und hier, wie bei den meisten großen Marken dieser Welt, immer einen direkten Draht zu den Inhabern gehabt. Als große Marken und Kunden neben Olivetti sind zu nennen: Haworth, Vistosi, Fontana Arte, Artemide (hier beispielsweise die wohl meistverkaufte Leuchte "Tolomeo", die de Lucchi zusammen mit Giancarlo Fassina im Jahr 1987 für Artemide entworfen hatte und die in Köln wie ein stummer Gast auf dem Podium stand), RB Rossanan, Arflex, Acerbis oder Alessi. Er entwarf kleine Dinge für Pelikan, fürValli Columbo, große Bauten für die Deutsche Bank und andere Banken in Italien, Appartementhäuser in Japan konnte er ausstatten.
Nun hat er sich der Rettung der Welt verschrieben, der freundliche Mann zeigt uns Bilder seiner "Earth Stations", die Keimzellen sein sollen für ein anderes, ein entschleunigt analoges Leben ganz nah wieder an der Natur. Konstruktion und Materialität der "Earth Stations Many Hands" richtet sich nach der Klimaregion, in welcher sie gebaut werden sollen: Clay, Terrakotta, Bamboo ... Logstation für gemäßigte Regionen, hauptsächlich in dort heimischem Holz.
Zu dem Material und Fertigungsprogramm für diese Siedlungen, die jeweils vielleicht ein paar Hundert Menschen ein Zuhause in der Natur (Wildnis?) geben, gehört ein Education Program, das, ins Deutsche mit Erziehungsprogramm, etwas befremdlich wirken kann, noch in Arbeit ist, wie de Lucchi versichert und eigentlich wie alles andere auch dazu dienen soll, Schönheit, Gerechtigkeit und Glück auf Erden wiederherzustellen.
Wir haben uns vorgenommen, mit Michele de Lucchi über seine suggestiven Bilder und Gestaltungsvisionen noch einmal zu sprechen, das Gespräch, das dann hoffentlich die nötige Substanz in allen Glanz bringen wird, ist mit ihm verabredet. Wir sind sehr gespannt. Be. K.