Müllverbrennungskathedrale

Eric von Egeraat’s neuester Bau misst sich mit Weltkultur im dänischen Roskilde

Wie bekommt man eine Müllverbrennungsanlage vor eine Stadtsilhouette, die in Teilen UNESCO Welterbe ist? Im dänischen Roskilde, einer Kleinstadt auf der Insel Seeland, ein paar Kilometer nördlichen von Kopenhagen, steht seit Jahren eine solche Anlage wuchtig vor den Stadttoren und stört nicht bloß die Touristen, die seit 1996, dem Jahr der Unterschutzstellung der Kathedrale aus dem 13. Jahrhundert, in steigendem Maße in der Stadt Halt machen.

Thermische Kraftwerke, die Abfälle in Wärmeenergie umwandeln, sind lange schon Teil des Energiekonzeptes unseres nördlichen Nachbarn, doch ihre teils massive Aufdringlichkeit hat eine Debatte über ihr Vorhandensein ausgelöst. Da man die Kraftwerke aber braucht – auch wohl, um den Müll zu verwerten – ist man in Roskilde auf die Idee gekommen, den wenig ästhetischen Industriebau zu verstecken. Ein Architektenwettbewerb wurde ausgelobt den 2008 das niederländische Büro Erick van Egeraat, Rotterdam, für sich entschieden hat.

Das Entwurfskonzept ist so einfach wie in der Realisierung effektvoll. Eine innere Hülle bildet den thermischen Abschluss, darüber schwebt eine zweite, die von außen sichtbare Fassade aus umbra-farbenen Aluminiumpaneelen. Die CNC-gefertigten Paneele sind in der Fassadenfläche in variierenden Winkel zueinander gesetzt und unregelmäßig gelocht. Die plastische Setzung gliedert das riesige Volumen unmerklich, die Löcher lassen Licht nach Außen dringen. Hier arbeiten die Architekten mit indirekt abgestrahltem Licht, dessen Färbung und Intensität steuerbar ist. Das Licht, das von Glimmen bis Strahlen einstellbar ist, soll die physische Arbeit des Heizkraftwerkes sichtbar machen.

Dem Architekten ist die künstliche Silhouette eine Antwort auf die der ehemaligen dänischen Hauptstadt gegenüber. Er sieht den 97 m hoch aufragenden Turm der Müllverbrennungsanlage als ein in Farbton und Gestalt verwandetes Gegenüber zu den hochragenden Türmen der Kathedrale. Anfang September 2014 wurde die neue Kathedrale vom Prinzen Frederik feierlich übergeben. Be. K.

www.erickvanegeraat.com

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 03/2014

Luminale 2014 Licht + Schatten Spiele

Nach dem offiziellen Anmeldeschluss im Dezember zeichnete sich ein ambitioniertes Programm ab, das mit rund 150 Licht-Ereignissen so umfangreich und international sein wird, wie in den Jahren zuvor....

mehr
Ausgabe 07-08/2024

Skulpturales Licht

Damit der liebevoll gestaltete Außenbereich des Hauses auch in der dunklen Jahreszeit einladend wirkt, ist ein stimmungsvolles Lichtkonzept gefragt. Kugelförmige Leuchten erfreuen sich dabei aktuell...

mehr
Ausgabe 07/2013

Eine neue Kathedrale der Eisenbahn King‘s Cross Station, London/GB    

Vorbei sind die Zeiten, als Londons Bahnhöfe nur Historiker ins Schwär­­men brachten. Misswirtschaft und Zugausfall als Regelfall trieben von den 1970er bis weit in die 1990er Jahre des 20....

mehr
Ausgabe 03/2020 Neues Strahlen für den Dom

Stephansdom, Wien/AT

Der Stephansdom in Wien ist täglich von 6 bis 22 Uhr offen, an jedem Werktag gibt es sechs Messen, eine Andacht und einen Rosenkranz, Sonn- und Feiertage bringen es auf zehn Messen, inklusive Hochamt...

mehr
Ausgabe 05/2017

Pendelleuchte für den Esstisch

Louis Poulsen präsentiert mit Above eine Pendelleuchte des dänischen Designers Mads Odgård. Above bildet grafisch ein Dreieck und besitzt nach oben hin eine bogenförmige Öffnung, die ein...

mehr