Müllverbrennungskathedrale
Eric von Egeraat’s neuester Bau misst sich mit Weltkultur im dänischen Roskilde 22.01.2018Wie bekommt man eine Müllverbrennungsanlage vor eine Stadtsilhouette, die in Teilen UNESCO Welterbe ist? Im dänischen Roskilde, einer Kleinstadt auf der Insel Seeland, ein paar Kilometer nördlichen von Kopenhagen, steht seit Jahren eine solche Anlage wuchtig vor den Stadttoren und stört nicht bloß die Touristen, die seit 1996, dem Jahr der Unterschutzstellung der Kathedrale aus dem 13. Jahrhundert, in steigendem Maße in der Stadt Halt machen.
Thermische Kraftwerke, die Abfälle in Wärmeenergie umwandeln, sind lange schon Teil des Energiekonzeptes unseres nördlichen Nachbarn, doch ihre teils massive Aufdringlichkeit hat eine Debatte über ihr Vorhandensein ausgelöst. Da man die Kraftwerke aber braucht – auch wohl, um den Müll zu verwerten – ist man in Roskilde auf die Idee gekommen, den wenig ästhetischen Industriebau zu verstecken. Ein Architektenwettbewerb wurde ausgelobt den 2008 das niederländische Büro Erick van Egeraat, Rotterdam, für sich entschieden hat.
Das Entwurfskonzept ist so einfach wie in der Realisierung effektvoll. Eine innere Hülle bildet den thermischen Abschluss, darüber schwebt eine zweite, die von außen sichtbare Fassade aus umbra-farbenen Aluminiumpaneelen. Die CNC-gefertigten Paneele sind in der Fassadenfläche in variierenden Winkel zueinander gesetzt und unregelmäßig gelocht. Die plastische Setzung gliedert das riesige Volumen unmerklich, die Löcher lassen Licht nach Außen dringen. Hier arbeiten die Architekten mit indirekt abgestrahltem Licht, dessen Färbung und Intensität steuerbar ist. Das Licht, das von Glimmen bis Strahlen einstellbar ist, soll die physische Arbeit des Heizkraftwerkes sichtbar machen.
Dem Architekten ist die künstliche Silhouette eine Antwort auf die der ehemaligen dänischen Hauptstadt gegenüber. Er sieht den 97 m hoch aufragenden Turm der Müllverbrennungsanlage als ein in Farbton und Gestalt verwandetes Gegenüber zu den hochragenden Türmen der Kathedrale. Anfang September 2014 wurde die neue Kathedrale vom Prinzen Frederik feierlich übergeben. Be. K.