Nr. 327
Die Mailänder Fondazione Giangiacomo Feltrinelli bezieht Ende 2016 ihren neuen Sitz. Gebauten haben den Herzog & de Meuron 22.01.2018„Blaues Haus“, Oberwil. Kennen Sie das? Ein sehr frühes Projekt der damals nur zwei Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron, die heute von Basel aus viele hundert KollegInnen in Büros auf der ganzen Welt zu einem Team zusammenführen. Und irgendwie, trotz allem noch immer die Avantgarde in der Architektenszene darstellen. Herzog & de Meuron, wie sie sich längst schon nennen, sind eine Marke, die sich nicht unbedingt im Wiederholen des Immerselben festmachen lässt, eher im Gegenteil. Aber: Es gibt sie, die kleinen feinen Linien, die vom „Blauen Haus“ in Oberwil (1978!) bis nach sagen wir mal Mailand reichen wo Ende des Jahres die ersten beiden Bauten für die renommierte Feltrinelli Stiftung übergeben werden.
Den Masterplan für die Revitalisierung des Viertels zwischen Porta Volta und Porta Garibaldi und die anliegenden Straßenräume legten Herzog & de Meuron 2009 vor. Er sieht unter anderem drei Gebäude für die Stiftung vor, dabei zwei, die zwischen der Viale Francesoc Crispi und der Viale Pasubio liegen, auf dem Grund der im 19. Jahrhundert geschliffenen äußeren Stadtmauer, sowie ein dritter Bau (projektiert) an der Viale Montello/Porta Volta. Die beiden gerade fast fertiggestellten Bauten werden Büros, Archive, Lesesäle und Veranstaltungsräume aufnehmen sowie Geschäfte und Gastronomie.
Betrachtet man nun den Stahlbetonskelettbau, dessen Transparenz den bibliothekarischen Auftrag der Stiftung zu konterkarieren scheint, kommt einem beim Blick auf die gegen das Raster verschobenen Giebelansichten das Haus in Oberwil in den Sinn. Einmal ist es die Streckung des Giebels zum Himmel, dann vor allem die Verschiebung der gewohnten Perspektive durch die Verschiebung der Fassadenachsen (Betonfertigteile). Was beim „Blauen Haus“ durch den verschieden hohen Drempel gelang. Dieser kleine Kunstgriff wird in Mailand nun konsequent durch die über beide Baukörper hinweg laufende Verschiebung der vertikalen Achsen erreicht: Das (stadt)mauerartige Volumen, das aus Straßenraumperspektive trotz der eigentlichen Transparenz betondicht erscheint, zeigt in seinen glasspiegelnden Giebelflächen nicht das Gegenüber, sondern dessen Nachbarn. Eine schöne und sehr wirkungsvolle Irritation.
Die beiden Volumen, durch eine nur wenige Meter breite Gasse getrennt, spiegeln die historischen Fassaden oder erlauben, wenn der Sonnenschutz nicht arbeiten muss, teils ungehinderten Durchblick. Die große Tiefgarage liegt zur viel gefahrenen Viale Francesco Crispi, darüber wird es einen kleinen Park geben. Die Zugänge zur Stiftung, Bibliothek, zu Länden oder Gastronomie sind nicht deutlich artikuliert, das hätte wohl die homogene und zugleich sehr wechselhafte Ansicht des Volumens gestört. Wie das Projekt am Ende, also in wenigen Wochen aussehen wird? Die Aussicht aus den über mehrere Geschossene offenen Bücherleseräumen wird spektakulär sein, allerdings winken die hohen Türme der Mailänder Jetztzeit auch bis in die tiefer liegenden Straßenräume hinein. Be. K.