Prada Milano: fertig! Oder?
Die Fondazione Prada Milano hatte 2007 bei Rem Koolhaas den Umbau einer alten Schnapsfabrik in Auftrag gegeben. Jetzt ist das Ensemble Altneu in der südlichen City Mailands mit der Eröffnung des letzten Bauteils abgeschlossen. 09.05.2018 „Playground of ideas“ nannte Rem Koolhaas, der Kopf von OMA, Rotterdam, das ehemalige Gelände einer Gin-Destille hart südlich einer Hauptbahntrasse in Mailand. Hier, wo es tatsächlich noch Resträume mitten im hochpreisigen Stadtraum gibt, diese Left over spaces, von denen Büros wie OMA oder Herzog & de Meuron zu Recht schwärmen und sie dann immer wieder verschwinden lassen hinter - so wie hier in Mailand - Mauern auf privatem Grund, hier also hat Koolhaas gespielt. Mit dem Bestand aus alten Villen, Verwaltungsbauten und Produktionshallen und mit dem Neuen, das er hinzufügte oder implantierte, meist hinter einer neuen Oberfläche, einer weiteren Schicht ... einer 24-karätigen Goldauflage beispielsweise. Man gönnt sich ja sonst nichts!
Am 20. April war es dann soweit: der "Torre", dritter und letzter der von OMA für das Gelände neu realisierte Bau für die Fondazione Prada in Mailand wurde eröffnet (der offizielle erste Eröffnungstermin liegt nun schon drei Jahre zurück, wir berichteten). Dass an diesem Tag auch der Salone del Mobile eröffnet, ist sicherlich kein Zufall gewesen. Mit dem weißen, rund 60 m hohen Turm endet die Intervention der Niederländer auf dem Gelände, das sich die Prada Stiftung in einem klugen und sicherlich vorausschauend kühl kalkulierten Akt Anfang 2000 gesichtert hat. Denn auch wenn der Chef von OMA glaubt, dass das Viertel "viel zu hart, zu disparat und zu einfach" und also "gegen Gentrifizierung immun" sei, ist die Stiftung ja nicht das erste größere Unternehmen, das sich an diesem Left over space der Stadt niedergelassen hat. Und doch gerade von dieser vermeindlichen Härte des Ortes profitiert.
Denn wie sonst könnten Kunst und Kultur besser performen als dort, wo zuerst meist die Erfinder, die Künstler und kreativen Köpfe der Gesellschaft ihre Zelte aufschlagen und dort so lange vom Ort zehren und ihn gleichzeitig beleben, so lange die Preise noch stimmen und die Menschen nicht bloß Durchreisende sind, immer auf der Suche nach dem nächsten Spektakel.
Spektakel ist sicherlich die Vergoldung des Turms gegenüber der kleinen Bar, die der Regisseur Wes Anderson (The Royal Tenenbaums, Grand Budapest Hotel oder aktuell: Isle of Dogs) derart schlicht wie atmosphärisch derart very british eingerichtet hat, dass man fast schon ein Konzept dahinter vermutet. Konzept ist sicherlich auch die Vergoldung des Turmes, in dem sich der Empfang, die Erschließung verschiedener Ausstellungsräume, Garderoben und die Toiletten befinden. Tatsächlich scheinen manche Besucher nicht davor zurückzuscheuen, die Vergoldung abzukratzen, kleine Fehlstellen belegen das.
Was bietet das Gelände? Zunächst einmal die historische Fabrikeingangssituation (mit dezentem "Werkschutz"). Es folgen kleine Straßen, Brücken und Brückenräume. Ein Ausstellungsquader, das so genannte "Podium", ein dem auf zwei Geschossen Wechselausstellungen kuratiert werden. Parallel dem gegenüber ein etwa gleich großes, völlig verspiegeltes Volumen, der Veranstaltungs- und Kinosaal, der beinahe über seine komplette Länge zum Platz hin geöffnet werden kann. Dahinter dann der Turm, dessen unausbalanziertes Volumen über eine Stütze im Rücken gegen ein Umkicken gesichert ist (in der "Stütze" fährt der Aufzug). Neun Geschosse hoch enthält der Turm Ausstellungsflächen, spektakuläre Treppen- und Ausstellungsräume mit variierenden Deckenhöhen sowie ein Restaurant, von welchem aus man eine Panoramarundsicht auf Mailand hat (vorausgesetzt, man kann sich den Restaurantbesuch auch leisten).
Insgesamt stehen mit den drei Neubauten auf dem Gelände - in den großen Bestandshallen an der südlichen Geländegrenze sind die ständige Sammlung sowie Depoträume und Büros untergebracht - 11000 m² zusätzliche Ausstellungsfläche zur Verfügung. Ein Blick auf den Umfang der Sammlung der Stiftung, die Klassiker der Moderne und vor allem Gegenwartskunst umfasst, zeigt, dass das nicht zuviel sein kann. Ob Rem Koolhaas, dessen Büro immerhin schon einige Flagship stores von Prada in Szene gesetzt hat, mit diesem Projekt am Ende einer langen Architektur-Mode-Beziehung angekommen ist, wird sich zeigen. Modemacherin Miuccia Prada und ihr Ehemann Patrizio Bertelli jedenfalls sind gut beraten, weiter auf diesen Architekten zu setzen. Er passt zum Haus. Be. K.