Kulturpalast Dresden erhält DAM Preis 2019
Der DAM Preis 2019 geht an gmp – Architekten für den Umbau und die Modernisierung des Kulturpalasts Dresden 28.01.2019Der nach einem Entwurf von Leopold Wiel und Wolfgang Hänsch entstandene Kulturpalast wurde 1969 eröffnet. Bei der jetzt mit dem DAM Preis ausgezeichneten Sanierung und Erneuerung des Hauses wurde der zentrale Multifunktionssaal durch einen modernen Konzertsaal im Weinberglayout und einer darunter angeordneten Theaterbühne ersetzt. Alle anderen Bereiche im Inneren des Hauses wie auch die Fassade wurden sorgsam und detailliert restauriert. Nicht zuletzt ist durch den Einzug der Stadtbibliothek das Haus jetzt auch tagsüber ein zentraler Ort des öffentlichen Lebens.
Der Kulturpalast ist der wichtigste und umstrittenste Bau der Dresdner Nachkriegsmoderne. Er war sowohl Ort der Unterhaltung, als auch der politischen Demonstration. Gebaut wurde er von 1967 bis 1969 von den Kollektiven um Leopold Weil und später Wolfgang Hänsch. Der von den Dresdnern liebevoll „Kulti“ genannte Bau steht mit seinem Schicksal nach 1989 stellvertretend für die Bedrohung des architektonischen Erbes der DDR. Im Sinne der resoluten Entscheidung der an sich besonders rekonstruktionsfreudigen Dresdner Bürgerschaft für seine Rettung und Eintragung in die Denkmalschutzliste im Jahr 2008 lobte die Stadt Dresden 2008 einen Wettbewerb aus. Die Schwierigkeit bestand darin, anstatt der früheren multifunktionellen Kongresshalle in der Mitte des Hauses einen neu zu konzipierenden Konzertsaal für die Dresdner Philharmonie unterzubringen. Neben diesem „inneren Neubau“, wie es die Wettbewerbsauslobung formulierte, galt es, die denkmalgeschützte Glashülle zu erhalten. Außerdem sollten eine neue Zentralbibliothek und ein Theatersaal mit 250 Plätzen integriert werden.
Der Umgang mit verschiedenen Erschließungen für widersprüchliche Nutzungen stellte sich als die wesentliche Schwierigkeit im Wettbewerb heraus. Von Gerkan, Marg und Partner schlugen vor, die Bibliothek im ersten und zweiten Geschoss ringförmig um den Konzertsaal zu legen: Die Erschließungssysteme sollten verschmelzen und somit beträchtlich Platz und Geld sparen. Das Ergebnis funktioniert einwandfrei. Zu jeder Zeit ist das helle, modernistische Foyer mit seinen weiten Freitreppen über mehrere Ebenen, dem dunklen Tropenholz der Handläufe und Wandtäfelungen, dem neuen rot leuchtenden Teppichboden und dem fantastischen Ausblick auf den Neumarkt belebt mit Bürgern aller Schichten und jeden Alters
Bei der denkmalschutzgerechten Sanierung der Fassaden und Details nahmen sich gmp gestalterisch sehr zurück, wie etwa bei der Gipsrasterdecke im Foyer, die zum Einbau der notwendigen neuen Technik abgerissen werden musste. Man fand tatsächlich die alten Matrizen wieder, um eine neue Decke mit der ursprünglichen kleinteiligen Kassettenstruktur gießen zu können. Das 45 Meter lange Wandfries „Unser sozialistisches Leben“ im Foyer des ersten Stocks wurde beim Umbau ebenso denkmalpflegerisch erneuert wie das 315 Quadratmeter umfassende Mosaik „Der Weg der Roten Fahne“ außen an der Westfassade. Die nicht bauzeitlichen, kupferfarben getönten Glasscheiben jedoch haben die Architekten ausgetauscht; heute erfüllt auch klares Glas die Lichtschutzwerte und erlaubt zudem den Blick in das Gebäude.
Der neue Konzertsaal wurde von dem gmp-Partner Stephan Schütz verantwortet, der in China bereits die komplexen Großprojekte Opernhaus Qingdao und das fast 200.000 Quadratmeter große Chinesische Nationalmuseum in Peking gebaut hatte. In Dresden vertrauten die Architekten auf die Weinbergtypologie. Sie fügten in das Innere des Hauses einen mit hellem Holz gefertigten, optisch warmen Konzertsaal mit 1.750 Plätzen ein, dem man seine wahre Größe nicht ansieht. Die exzellenten Leistungen auf so vielen Ebenen, von politisch wie baulich behutsamer, beispielhafter Sanierung, dem komplexen Einbau eines Konzertsaals, der Integration einer großen, inklusiven Zentralbibliothek und dem Öffnen eines kulturellen Hauses für alle Bevölkerungsgruppen bewertete die Jury einstimmig als Gewinner des DAM Preis 2019.
DAM PREIS 2019 – FINALISTEN
Integratives Bauprojekt am ehemaligen Blumengroßmarkt, Berlin
ARGE ifau / HEIDE & VON BECKERATH
Das Projekt beruht auf einem Konzeptverfahren für das Gelände der ehemaligen Blumengroßmarkthalle in Berlin-Kreuzberg, die heute als Erweiterung des Jüdischen Museums an der Lindenstraße dient. Das Programm für die gemischte Baugruppe besteht aus Ateliers und Wohnungen in Eigentum, genossenschaftlichen Wohn- und Atelierflächen, Wohnungen für einen sozialen Träger sowie Gewerbeflächen. Das Gebäude folgt der maximal möglichen Auslegung des Bebauungsplans. Die Architektur beruht auf drei horizontalen und über zwei Treppenhäuser verbundenen Erschließungswegen sowie auf dem Verhältnis zwischen der Gebäudehülle und fünf innenliegenden Lichthöfen. Das Erdgeschoss wird über einen umfahrbaren Weg erschlossen, an den drei Hauseingänge sowie die Zugänge zu unterschiedlichen, teilweise mehrgeschossigen Ateliers, einem Garten, gemeinschaftlichen Hauswirtschaftsräumen und dem Keller angeschlossen sind.
Eine der drei Erschließungsachsen befindet sich als Rue intérieure auf Ebene 1 und ist mit begrünten Lichthöfen verbunden. Hier liegen nach Süden kleine Studiowohnungen. Die Räume nach Norden mit den darüberliegenden Wohnungen, die über einläufige Treppen direkt erreicht werden, sind intern verbunden. Die obere Erschließungsachse befindet sich im Außenbereich auf Ebene 4.
Stadtbibliothek, Rottenburg
harris + kurrle
An der Schnittstelle zwischen mittelalterlicher Altstadt und bischöflichem Palais sollte eine neue Stadtbibliothek entstehen, die darüber hinaus an prominenter Stelle als Treffpunkt für die Bürger dient. Auf stadträumlicher Ebene ist ein kommunizierender Baustein entstanden, bei dem Themen im Gefüge der Umgebung aufgenommen, interpretiert und neu wiedergegeben werden. So konnte etwas Neues entstehen, dessen Code aus der Umgebung gespeist wird. Der Baukörper für die Stadtbibliothek wurde in Anlehnung an die geknickte Bauform des Nachbargebäudes entwickelt. So entsteht ein räumlicher Dialog.
Das Grundstück liegt an der Schnittstelle ganz unterschiedlicher Maßstäbe. Die verschiedenen Traufhöhen des Neubaus – bedingt durch das gerade Satteldach auf der geknickten Gebäudeform – vermitteln zwischen dem imposanten bischöflichen Palais und den niedrigeren Gebäuden der Altstadt. Ein Gebäuderücksprung weist auf den Eingang hin. Im Erdgeschoss gelangt man an einer großzügigen Theke vorbei in das Lesecáfe, das im Sommer über Schiebetüren zu einem Straßencafé erweitert wird. Die Innenwände der Bibliothek sind weitgehend mit Regalen belegt, es entstehen Bücherräume. Unterbrochen werden diese durch große Fenster mit tiefen Laibungen, die zum Sitzen und Lesen geeignet sind. Die Leser werden von außen sichtbar und transportieren so die Funktion des Hauses in den öffentlichen Raum. Von innen bietet jedes der Lesefenster einen eigenen, gerahmten Blick in die Stadt.
AIZ Ausbildungs- und Seminargebäude, Bonn
Waechter + Waechter Architekten
Der strukturalistische, clusterartige Entwurfsansatz drückt die Unruhe des Lernens aus – das ständige Suchen, Reflektieren, das Ausschweifen, das Neugierige, in alle Richtungen Schauende, dies trotz allem diszipliniert und mit systematischer Ordnung. Der pavillonartige Neubau schmiegt sich in den Landschaftsraum des angrenzenden Kottenforsts und fügt sich kleinteilig und maßstäblich in den gebauten, heterogenen Kontext ein. Die vielgliedrig gestufte Fassade erlaubt Ausblicke in mehrere Richtungen um das lernende Suchen zu ermöglichen. Die Lernorte sind in beiden Ebenen um Innenhöfe angeordnet, woraus sich klare, kurze und seitlich gut belichtete Rundwege ergeben.
Die netzartige Gebäudestruktur wird in ein Holzskelett mit klarem, durchgehenden Stützenraster und wirtschaftlichen Spannweiten übertragen und ermöglicht eine hohe Variabilität und Flexibilität. Es entsteht eine vielfach gegliederte, multimodale und kommunikationsorientierte Lernlandschaft, welche zum differenzierten und selbstorganisierten Lernen und Arbeiten einlädt. Durch den auf nur zwei Rasterfeldgrößen basierenden Grundriss wird die Anzahl der Bauteilanschlüsse auf ein Minimum reduziert, sodass die Vorzüge der modularen Bauweise optimal ausgenutzt werden. Der kompakte Baukörper, bauliche passive Maßnahmen und eine effiziente Anlagentechnik erreichen die gewünschte Energieeffizienz und bilden in Kombination mit ressourcenschonenden Materialien die Grundlage für den DGNB-Standard Gold.
Die Jury
Rainer Hofmann (Preisträger DAM Preis 2018, Büropartner bogevischs buero) Juryvorsitz
Peter Cachola Schmal (Direktor DAM) +Vorjury
Oliver Elser (Kurator DAM)
Yorck Förster (Freier Kurator DAM) + Vorjury
Christina Gräwe (Freie Kuratorin DAM) + Vorjury
Nicole Heptner (Architektur Media Management JUNG)
Eva Maria Lang (Finalist DAM Preis 2018, Büropartnerin KNERER UND LANG Architekten)
Wolfgang Pehnt (Architekturhistoriker und -kritiker)