Venedig ohne Touristen

Eine Fotoausstellung mit sw-Arbeiten von Gerd Jüttens in „f-75“, Stuttgart

Um 19 Uhr ist es soweit, dann wird in der Fotogalerie "f 75" am 17. April 2012 die Ausstellung „Gerd Jütten | Venedig“ eröffnet. In die fotografische Arbeit Jüttens werden einführen Adriana Cuffaro vom Istituto Italiano di Cultura, Stuttgart, der Fotograf Gerd Jütten, Tiefenbronn, selbst, sowie der Galeristetc. Wilfried Dechau, Stuttgart.

Gerd Jüttens Venedig-Fotos wirken, so die Galerie, "gleichsam wie aus der Zeit gefallen. Venedig ohne Markusdom und Rialtobrücke, ohne Souvenirs und Softeis, ohne Menu turistico und vor allem: ohne Touristen." Und ist sie damit die Stadt, in welche wir in jedem Jahr mindestens einmal reisen sollten? Auch und gerade zur Touristenzeit? Jüttens wunderbare, handwerklich hervorragend gemachten sw-Fotografien hinterfragen allerdings nichts, im Gegenteil bedienen sie exakt die Klischees von der Stadt, die die Touristen hierhin locken ... und deren Ansichten sich eventuell noch in starken Tele-Objektiven ihrer hochauflösenden semiprofessionellen Digitalkameras wiederfinden. Tunnelblick.

"Jütten lässt uns – ohne Pathos und fern von nostalgischer Schwärmerei – in den Kultur- und Lebensraum der Stadt eintauchen", so geht es im Ankündigungstext weiter, doch wer sich in die faszinierende Bilderwelt vertieft, die Jütten uns hier präsentiert, muss achtgeben, nicht doch dem Pathos zu verfallen, das diese Bilder eben doch von der allerdurchlauchtesten Republik des Heiligen Markus feiern: in schwarzweißer, kontrastreicher Manier. Tatsächlich auch: Nebel. Tatsächlich: Gondeln, Brücken, Kanäle. Tatsächlich: Tauben, schwarz gekleidete Einwohner (?). Und: Nicht "trotz aller Abnutzungsspuren und Blessuren", liebe "f-75", sondern allein aus diesem Grunde des Patinazugewinns aus allen, eben auch den jüngsten Zeiten, ist die Stadt "immer noch großartig und ursprünglich." Die Bilder Jüttens sind damit die professionelle Abbildung eines Städtemythos, der hier weniger gebrochen denn gefeiert wird. Dieses Venedig ist nicht aus der Zeit gefallen, es ist schlicht nur noch ein schöner Traum. Dem kann man folgen, zeitgenössische, dem Sujet selbstbewusst gegenübertretende Fotografie sieht allerdings anders aus. Be. K.

Gerd Jütten ist 1961 in Köln geboren und dort aufgewachsen. Nach einer Ausbildung zum Fotografen an der Fachhochschule Köln arbeitete er ab 1988 als Fotodesigner Produzent für audiovisuelle Medien in einem Stuttgarter Kommunikationsstudio. Seit 1994 lebt und arbeitet er als freischaffender Fotodesigner und Medienplaner in der Nähe von Stuttgart. Thematischer Schwerpunkt seiner fotografischen Arbeit: Architektur und urbane Landschaft.

Ausstellung

Gerd Jütten I Venedig

19. April bis 25. Mai 2012 in der

Fotogalerie „f 75“, Filderstraße 75, 70180 Stuttgart, U 1, U 14, Haltestelle Marienplatz, Öffnungszeiten: Do-Fr 15-19 Uhr und jederzeit nach Anmeldung (Tel. 0172 717 87 76)

 

www.f-75.de

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