Länger, höher und schöner
Calatravas Fußgängerbrücke in Venedig ohne Pomp eröffnet

Die Offiziellen hatten wohl Ausschreitungen, mindestens jedoch organisierten Protest erwartet; sie sagten also kurzerhand den festlichen Eröffnungsakt ab. Eröffnet wurde die längste, höchste und vielleicht auch schönste Brücke in Venedig also lediglich durch die Wegnahme der Absperrzäune auf beiden Seiten. Schon wenige Minuten später liefen die Menschen – offensichtlich überwiegend Touristen – geschäftig in beide Richtungen über den Canal Grande, als stünde der Brückenbau schon immer an dieser Stelle.

Und wirklich fehlte er zwischen der Piazzale Rome, dem Platz des allgemeinen Ankommens, und der nahegelegenen Stazione Santa Lucia, es fehlte die Quarto Ponte sul Canal Grande. Mehr als zwölf Jahre sind vergangen zwischen der Ankündigung von Venedigs Bürgermeister, Massimo Cacciari, er wolle der Stadt eine vierte Brücke über den großen Kanal schenken, und der jetzt zwecknüchternen Übergabe. Dazwischen verfünffachten sich die Baukosten auf heute gut 10 Mio. €. Die Kanalufer wären zu schwach, die enormen Druck- beziehungsweise Zugkräfte aufzunehmen, am schwersten wog jedoch der Vorwurf, die 94 m freigespannte Brücke sei nicht behindertengerecht. Ist sie auch nicht, wie alle Brücken dort.

Nach den bis heute als Provisorien anzusehenden Brücken nach Rialto (1591), der Scalzi-Brücke und der Ponte dell‘Accademia (beide Anfang der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts erneuert), ist die neue, noch unbenannte die erste seit drei Generationen. Wie viele Generationen sie brauchen wird, in der Serenissima als eigener Bestandteil und mit Stolz angesehen zu werden? Wahrscheinlich keine ganze, eher ein paar Monate. Freu dich, Venezia!

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