Von Schlossgeistern und dem Geisterschloss

Das druckfrische Buch von Dieter Hildebrandt geht dem Mythos Berliner Schloss einmal ganz anders zu Leibe

Die Liste der Bücher, die sich in den letzten Jahren dem Berliner Schloss angenommen haben ist imposant lang. Die meisten versuchen einen historischen Rückblick auf die Baugeschichte, eines davon behauptet dabei von sich, die „unverzichtbare Grundlage“ für die aktuelle Schlosswiederaufbaudebatte zu sein (Rezension siehe beiliegende PDF-Datei). Andere schreiben über den Größenwahn des Projektes, wenige über das, was dort einmal war (ein Palast der (Ost)Republik).

Jetzt kommt ein Buch auf den Markt, dass die Schlossdebatte nicht anheizen und auch nicht wesentlich beeinflussen wird, allerdings kann man nach seiner Lektüre entspannter auf das ganze Gewese um Schloss oder nicht Schloss schauen. Der Autor - nicht der Kabarettist aus Bunzlau, Dieter Hildebrandt, sondern der in Berlin geborene Schriftsteller und Kritiker Dieter Hildebrandt - hat sich das Schloss einmal unter dem Gesichtspunkt seiner Heimeligkeit angeschaut. 1000 Zimmer und keine Bewohner, 1000 Zimmer, aber keine Seele?! Er schreibt von ersten Widerständen gegen den Bau und den damit verbundenen Machtanspruch des Landesfürsten, er schreibt vom Werden des Baus in der Geschichte der deutschen Könige, er schreibt vom Unwohlsein, von der häufigen Flucht seiner Hausherren in andere Regionen der Stadt, des Landes, des Reiches, ja sogar bis über die Reichsgrenzen hinaus.

Das Schloss der tausend Zimmer, in welchem 1918 zum ersten Mal blutige Kämpfe sich verloren, soll heute wiederauferstehen; so jedenfalls wollen es die Volksvertreter. Was in den 1000 Zimmern, die in der pragmatisch heroischen Neufassung natürlich erheblich weniger sein werden, in den kommenden Jahren implementiert wird? Und: wird das Schlossgespenst, die weiße Frau aus dem 18. Jahrhundert ebenfalls wiedererweckt, oder fällt ihre Geschichte wie die der Geheimgänge und Verließe ebenso unter den Teppich, wie die moderne Konstruktion hinter Pseudomauerwerk verschwindet?

Das Buch zu lesen ist ein Gewinn für eine weitere Sicht auf die Schlossfrage. Eigentlich schade, dass es so spät kommt, aber offenbar brauchte der Autor die Inspiration dieser Restaurationsgeschichte, um ihr die seine überhaupt erst zufügen zu können. Be. K.

Dieter Hildebrandt, Das Berliner Schloss. Deutschlands leere Mitte. Hanser Verlag, Hamburg 2011, 296 S., ein paar sw-Abb., 19,90 €, ISBN 978-3-446-23768-1

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