Weg mit der Urnenloggia!
Stephan Braunfels legt sich mit Architektenkollegen und einem Bauherren an, der auch seiner ist 22.01.2018Schon wieder der Stararchitekt aus Berlin! Schon wieder Stephan Braunfels, der zur Pressekonferenz in sein Büro eingeladen hatte. Das machen nicht viele Architekten, meist sind es doch die Bauherren, die hier einladen und informieren. Doch die Bauherren haben in diesem Falle gar kein Interesse an den Dingen, die der Architekt aus München mit Wahlheimat Berlin einem kleinen Journalistenkreis vorstellte: Braunfels zeigte Bilder von einem Humboldt-Forum ohne Ostfassade.
Die Bilder überzeugten irgendwie (was auch den perfekten Renderings geschuldet scheint), doch im Mittelpunkt aller Diskussion um Für und Wider Verzicht nicht bloß der Fassade, sondern des kompletten Hofschlusses auf der Ostseite steht die Frage: Warum erst jetzt die Initiative? Schließlich ist nicht bloß der Grundstein für das neue Schloss gelegt, es wurde auch bereits umfänglich betoniert, natürlich auch unter dem Riegel, den Stephan Braunfels in seinen durchaus faszinierenden Ansichten zur Disposition stellt. Dass man damit 100 Mio. € sparen könne, das hat der Architekt der newsgierigen Presse als eine Art Appetizer vor die Nase gehalten. Ihm sei vor allem wichtig darauf hinzuweisen, dass die Stadt Berlin mit dem Wiederaufbau des Schlosses wie es war nichts gewonnen habe, städtebaulich gesehen. Und er zieht den Louvre aus dem Zylinder, der durch einen Brand einen Flügel, das „Tuilerien-Schloss“ verlor. Und weil dieser nicht wiederaufgebaut wurde öffnet sich die Anlage, die einmal eine Burg war, heute wunderbar auf die Stadt, mit bis zum Hochhausviertel „La défense“. Solche Hochhäuser (sind das die von Kollhof?!) sieht man hinter dem Alex in die Berliner Luft ragen, ein komplette Cluster, wie es in Frankfurt am Main nicht schöner hätte ausgedacht werden können. So entsteht, zumindest auf dem Papier aber auch in Kopf und Bauch das schöne Gefühl von: Was Paris kann können wir auch!
Fast 17 Jahre alt ist Braunfels Idee von dem geöffneten Schloss, der Achse rüber in die in der Bundeshauptstadt singulär stehende Hochhauszelle im Osten. Warum jetzt also erst? Vielleicht, weil er selbst am Wettbewerb zur Schlosswiedergeburt beteiligt war, einem Projekt, dem er sehr aufgeschlossen gegenübersteht, dessen Realisierung durch Franco Stella er allerdings mehr als skeptisch eingestellt ist. Die Ostfassade, weil nicht von Schlüter vereinheitlichend behandelt und schwierig originalgetreu nachzubauen wie den ganzen Rest, sollte, so die Wettbewerbsauslobung, irgendwie neutral, zeitgenössisch vielleicht, in jedem Falle eine Art Überleitung von Ostmoderne zu Westalgie gelingen. Schwierig für einen Architekten, der sich der präzisen Wiederherstellung des Vergangenen verschrieben hat. Braunfels sieht in Stellas Ostfassadenschema typologisch eine „Urnenloggia“; er selbst hatte in seinem Entwurf, der bereits in der ersten Runde des damaligen Wettbewerbs ausgeschieden war, lediglich eine Art Pergola vorgeschlagen. Jetzt ist auch die nicht mehr dabei, der Hof öffnet sich komplett zur Stadt.
Erste Reaktionen seitens der Architektenkollegen wie auch der Bauherrenseite ließen nicht lange auf sich warten, von „völligem Quatsch“ ist hier die Rede (Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum), von „Profilneurose eines Architekten im Rentenalter“ (Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin AIV). Doch das wollte der AIV indirekt dann doch der Aktion Braufels zugestehen: Dass vielleicht doch wieder und dann einmal nachhaltig darüber gesprochen werde, wie sich das Projekt von seiner Kostenseite realistisch gesehen entwickelt. Mit den rund 600 Mio. €, die angeblich von Bauherrenseite gedeckelt sind, sei das Humboldt-Forum nicht zu stemmen. Hier solle man endlich mit konkreten Zahlen hantieren.
Doch konkrete Zahlen sind Braunfels erstmal egal, ihm ist wichtig, dass man erkennt, dass Schlüters Fassaden eigenständige Stadtbausteine sind! Als „Innenwände des städtischen Raums – des Lustgartens wie des Schlossplatzes“ verriegeln sie die mittelalterliche Festung Schloss nicht, sondern verbinden das Schloss mit der Stadt: „Die Chance, das Gleiche nun auch an der wichtigsten Seite des Schlosses zu tun – zum historischen Zentrum hin – wurde beim Architektenwettbewerb vergeigt.“ (Braunfels) Und ganz sicher auch die Chance, an dieser Stelle etwas anderes zu machen, als ein Schloss nachzubauen. Aber das ist dem Stephan Braunfels nun wiederum nicht egal. Be. K.