Familienaufstellung: Franco Stella zum 80. Geburtstag
Die Stimmung war feierlich, der kleine Saal Nr. 3 am Schlüterhof im Berliner Humboldt Forum gut gefüllt. Generalintendant Hartmut Dorgerloh war anwesend, Hans-Dieter Hegner, Vorstand Technik der Stiftung Humboldt Forum, Dario Armini, Botschaftsrat der Italienischen Botschaft und stellvertretend für den verhinderten Botschafter
Armando Varricchio, Tobias Nöfer, Vorsitzender des AIV, Berlin, Michael Halstenberg, Ministerialdirektor a. D., vor vielen Jahren politisch mitverantwortlich für das Ins-Werk-Setzen der Schloss-rekonstruktion, Horst Bredekamp, Kunsthistoriker und ehemaliger Gründungsintendant des Humboldt Forums, Christoph Sattler, Hilmer Sattler Architekten/Ahlers Albrecht und natürlich derjenige mit vielen weiteren, um den es an diesem Nachmittag ging: Franco (eigentlich Francesco) Stella, Architekt aus dem norditalienischen Vicenza. Franco Stella war am 26. April 80 Jahre alt geworden.
Franco Stella, wie der Spiegel nach dem Wettbewerbsgewinn Stellas Ende 2008 schrieb, einer „der unbekannten Architekten Europas“, war gut gelaunt, lachte (leise) und machte Scherze, unterhielt sich kurz mit dem ebenfalls anwesenden Initiator der Schlosswiedergeburt, Wilhelm von Boddien, dem in der Symposiumsaufführung allerdings nur eine passive Rolle zugeteilt war. Was ihn nicht hinderte, zu den Vorträgen auch mal lauter aus der 2. Reihe zu kommentieren. Es waren wohl auch einige Spender anwesend, die vor der Veranstaltung noch einmal schauten, ob auch alles, was finanziert wurde, richtig sitzt in der Fassade … es sitzt.
Nun ist ein Symposium – schaut man auf die Ethymologie – zuerst ein geselliges Zusammentrinken, -feiern, jedenfalls eine Veranstaltung, in deren Rahmen man sich versteht, ein Treffen Gleichgesinnter, einander Wohlgesonnener. Von daher konnte man im Vorfeld davon ausgehen, dass die auf zwei Stunden angesetzte Feier mit Wortbeiträgen die Schönwetterlaune, die das Wetter draußen erzeugte, durch alles Widerständige hindurchführte. Das Widerständige war auch gar nicht eingeladen. Spitzenvertreter – es war eine Männerveranstaltung mit einer im Symposium passiven Senatsbaudirektorin, Petra Kahlfeldt, sowie schmückendem Beiwerk – von Verwaltung, Politik, Planung und intellektuell brillianter Köpfe bildetet dabei in ihren Funktionen das Spektrum ab, das spiegelbildlich auch das Spektrum darstellt, das das „Projekt Schloss“ immer noch kritisch, gar ablehnend betrachtet.
Aber: Symposium. Zu Ehren eines Mannes, dessen Intellekt unzweifelhaft, dessen ganze Grundhaltung freundlich, fast liebenswürdig, doch immer bestimmt ist. Und der den Norditaliener mit all seinem charmanten „cultura, creatività e bellezza“ verkörpert, bescheiden und doch derart strebsam, dass es Ende 2008 reichte: ein Schlossneubau, dessen Finessen und gleichzeitiger Gehorsam gegenüber dem Auslober perfekt harmonierten.
Harmonisch sollte es also werden; Generalintendant Hartmut Dorgerloh verstieg sich in seiner Begrüßung zum: „Wir sind ja irgendwie hier wie eine Familie!“, die zum Feiern hier sei. Da wir alle Familienmitglieder sind, wissen wir, was das auch heißen kann. Michael Halstenberg sprach von der „starken Gefährung des Projekts von Anfang an“, erinnerte an die „schnöde Vergaberüge“ (im Wettbewerb unterlegene Architektenkollegen hatten geklagt), er sprach vom Vorbild Frauenkirche, dass man aus Fehlern dort gelernt habe und dass er (bauliche) Freiräume sehe, die in Zukunft noch Spielräume ließen für ein Weiter-am-Schloss-
Bauen.
Der Botschaftsrat, Dario Armini, schwärmte von der in Deutschland gelungenen Verklammerung der Antagonisten Innovation und Tradition, die es dem Architekten Stella erlaubt hätte, ein Schloss als Zukunftsmöglichkeit zu entwerfen. Hans-Dieter Hegner verwies auf Stellas Wunsch, das Restaurant auf dem Dach doch auch auf der südlichen Seite, gleichsam als Zwilling zu platzieren, wie ihn überhaupt das Dach als Ort für den Blick auf die Stadt begeisterte. Warum Tobias Nöfer seinen Vortrag „Das Schloss als Hybrid: eine moderne Idee, die nicht alleine dasteht“ eher dazu nutzte, von Verarmung der gebauten Umwelt, von Globalisierung (= Gleichschaltung), Geschichtsbewusstseinsverlust in der Lehre und endlich vom „Verlust von Mehrdeutigkeit“ zu reden (hier verstieg er sich – und berief sich auf eine Arbeit des Arabisten Thomas Bauer von 2011 – zu dem Aufruf an die Kritiker, doch eine „Ambiguitätstoleranz“ zu üben, die er selbst vice versa ganz offenbar nicht zu leisten/ zu verstehen in der Lage ist).
Glücklicherweise rettete dann der Kunsthistoriker Horst Bredekamp das intellektuelle Niveau mit seinem Vortrag „Barock als Anspruch“ und schaute sehr dezidiert auf die aktuelle und kommende Bespielung der Räume des Forums, insbesondere des grandiosen Foyerraums, für dessen wirkungsvolle Nutzung er konkrete Vorschläge machte (er zeigte eine, wie er sagte, „amateurhaft gemachte“ Folie, auf welcher Elemente, Zitate, Versatzstücke gegenwärtiger Künster:innenarbeiten zu sehen waren, die schon länger besprochen, aber bis dato nicht realisiert sind). „Jetzt geht es nicht“, hätte ihm Franco Stella immer wieder gesagt, aber das sei nun Jahre her und das Foyer, vollendet, warte nur noch auf das Gegenwärtige, das das Eigentliche im Heute sei.
Dazwischen klingelten immer wieder nicht auf stumm geschaltete Mobiltelefone der Damen und Herrren a. D. und fast vor Schluss wurde es dann auch noch ein bisschen wie auf einer Butterfahrt, als ein Verleger sein Produkt vorstellen konnte, das beste Buch zum Schloss, mit den besten Fotografien und besten Texten, und man könne es nach der Veranstaltung am Büchertisch erwerben, mit Signatur seitens des Architekten. Doch davor kam Franco Stella noch einmal nach vorne, dankte hörbar gerührt der versammelten Prominenz, erhielt ein Blumenbouquet und eine Gipsfigur (schmückendes Beiwerk) und am Ende gab es Applaus für den verschmitzt schauenden Architekten, dessen gebautes Werk übersichtlich geblieben ist und ganz sicher im Schlossschatten ein eher unauffälliges Dasein hat. Er sei, so in einem früheren Gespräch mit ihm, ein Berliner. Welches Berlin er damit meinte, ließ er offen. Dass er, der „Schlossarchitekt“, wie wir ihn nicht selten nennen, wenigstens auch ein großartiger Italiener ist, sollten wir nicht vergessen! Tantissimi auguri! Buon 80. compleanno, caro Franco! Be. K.