Evangelische Christuskirche in Köln fertig
Eine Vorabbesichtigung mit den Architekten und Kirchenvertretern 22.01.2018Im so genannten Belgischen Viertel in Köln steht seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die evangelische Christuskirche. Mit ihrem 77 m hohen Turm ist sie – mit deutlichem Abstand aber immerhin – die zweithöchste Kirche in der Dom-Stadt.
Und zwar von ihrer Weihung 1894 bis heute, denn die Bomben im Weltkrieg 1939-45 trafen die neugotische Halle, verschonten Turm, Orgelempore und den Gewölbekeller. 1954 stand der Hallenbau wieder, jetzt allerdings ein typischer Zweckbau dieser Zeit. Der schlichte Bau nach den Plänen von Schulze und Hesse geriet, wie viele seiner Verwandten, über die Jahrzehnte in einen unaufholbaren Sanierungsstau. Noch 2005 machte der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz den Saalbau zum „Denkmal des Monats“, womit er auch auf den bedrohlichen Zustand des Notbaus verwies.
Bereits in dieser Zeit fand sich ein Arbeitskreis aus Architekten, Kunsthistorikern, Denkmalpflegern, Laien und Kirchenleuten, die sich Gedanken machten über eine mögliche Zukunft der Kirche am Dorothee-Sölle-Platz. Diskutiert wurden Erhaltungsmaßnahmen ebenso wie Umbau- oder Abrisspläne. Schließlich sollte ein Architektenwettbewerb den Knoten durchschlagen, 2008 entschied das Preisgericht für den Entwurf der Arbeitsgemeinschaft Maier Hollenbeck Architekten, Köln). Ihr Entwurf sah zwei skulptural gestaltete Gebäudeflügel vor, die sich gestenhaft zum Stadtgarten im Westen öffnen und sich gleichzeitig beschützend zum Turm hin neigen. Dazwischen fügten die Architekten einen neuen, deutlich kürzeren Kirchraum, der Platz für rund 200 Gäste bietet.
Die Abrissarbeiten 2013 beendeten die Zeit des Notbaus nach fast sechzig Jahren, von ihm ist – außer Erinnerungen und ein paar Prinzipalien – nichts geblieben. Die beiden Gebäudeflügel fassen 21 Wohnungen und bieten Platz für eine Arztpraxis und Gemeinderäume. Die Wohnungen, jede mit anderem Grundriss, sind zwischen 50 und 140 m² groß, die Miete beträgt zwischen 11 und 14 € Netto. Gekostet hat der Neubau etwa 9 Mio. €.
Konsequent haben die Architekten Walter Maier und Klaus Hollenbeck ihren skulpturalen Ansatz durchdekliniert: Die Gebäuderiegel biegen sich an Längs- und Stirnseiten dreidimensional im Raum, die Fenster- und Loggien sind so gesetzt, dass nicht gleich der Wohnungsbau laut wird. Auch konnten sie die vier Stirnseiten der Riegel als geschlossene und sich drehende Flächen durchsetzen, was der raumkünstlerischen Absicht das nötige Gewicht gibt. Um die sich biegenden Fassaden als Körperflächen über die Gebrauchsjahre zu erhalten, wurde sämtliche Entwässerung nach innen verlegt, so auch die jedes einzelnen Fensterbretts.
Der im höchsten Punkt 18 m hohe Kirchenraum, der über Glasfugen von den sich anlehnenden Riegel am Turm getrennt ist, überzeugt insbesondere durch die dramatische Inszenierung des Hineingehens: vom eher dämmrigen Raum unter dem Turm gelangt man in das höhere Gewölbe unter dem Empore um von hier aus bereits den Lichteinfall über die etwa mittig horizontal geknickte Ostwand zu erleben. Der Aufstieg über die alten Steintreppen auf die Empore hinauf ist schnell gemacht, hier, hinter der Glasbrüstung stehend, kommt ein Gefühl von Schweben auf. Das wird nicht zuletzt durch die Öffnung der ursprünglich vorhandenen, aber durch die Orgel verstellten Turmraums erreicht, der durch eine schlichte Rosette hell gemacht wird. Der Kreuzungspunkt des Lichteinfalls bekommt demnächst noch Farbe, wenn die schlicht matttransparenten Fenster durch eine farbige Glasarbeit des Künstlers David Schnell ersetzt werden.
Im Interview (Monatsinterview DBZ 08 2016) schlossen die Architekten mit dem Wunsch, die Gemeinde könne sich noch zu einer dem Kirchenraum angemessenen Ausstattung durchringen. Bis zur feierlichen Einweihung der Christuskirche am Sonntag, 25. September 2016, 15 Uhr, in einem Festgottesdienst mit dem Präses der Rheinischen Landeskirche, Manfred Rekowski, wird das nicht gelingen. Aber ein wirklicher Mangel ist das angesichts der Kraft des Kirchenraums auch nicht. Be. K.