Architects for Future
“Wir haben nicht mehr die Zeit vage Manifeste auszurufen” 09.12.2019 |Eine Gruppe von der Baubranche zugehörigen Akteuren machen derzeit auf sich aufmerksam. Sie treten in den Medien in Erscheinung, engagieren sich für eine nachhaltige Bauindustrie und fordern ein Handeln seitens Wirtschaft und Politik. Wer steckt hinter der Organisation und was planen sie?
Die Akteure geben Antworten.
DBZ: Welche Personen sind bei Architects for Future vertreten?
Architects for future: Unsere Gruppe ist sehr gemischt. Sie besteht aus Studierenden, Berufseinsteigern und erfahrenen Architekten sowie Stadtplanern, Bauingenieuren, Gebäudetechnikern, Handwerkern und vielen mehr. Wir haben momentan 27 Ortsgruppen in Deutschland. Die einzelnen Ortsgruppen sind unterschiedlich stark besetzt, aber untereinander vernetzt.
Auf welchen Plattformen, Veranstaltungen, etc. tretet ihr in Erscheinung und wie reagieren die Akteure aus der Baubranche auf euch?
Architects for future: Wir nutzen neben Social Media Kanälen auch weitere Medien, wie Zeitungen, Magazine oder Radiokänale, um in Interviews für eine nachhaltige Baubranche zu plädieren, Lösungen aufzuzeigen und diese einem größeren Publikum näher zu bringen. Außerdem nehmen wir an Demonstrationen teil, veranstalten Podiumsdiskussionen oder tragen auf Kongressen wie dem Zukunft Bau vor. So konnten wir uns mit unterschiedlichen Organisationen wie Cradle to Cradle e.V., die sich mit ökologisch nachhaltigem Bauen beschäftigen, austauschen und vernetzen. Wir stehen außerdem mit einzelnen Architektenkammern und dem BDA in Kontakt. Das Interesse an einer Zusammenarbeit ist da. In der Regel werden bereits ähnliche Ziele verfolgt, wie zum Beispiel der BDA mit seinem Positionspapier “Das Haus der Erde”. Durch Vernetzung können wir hoffentlich gemeinsam noch mehr erreichen.
Welche Hürden für nachhaltiges Bauen seht ihr in der Praxis? Und wie kann man diese angehen?
Architects for future: In der Praxis fängt es mit der Nachfrage seitens der Auftraggeber an, die zu selten nachhaltige Konzepte mit einschließt. Wir als ArchitektInnen und StädteplanerInnen können die Bauherren beraten, und nachhaltige Lösungen vorschlagen. Die Entscheidung ist aber letztendlich abhängig von der Einstellung der Bauherren und von der Wirtschaftlichkeit, die unter anderem auf dem aktuellen Markt basiert. Die Lösung ist jedoch nicht, nachhaltige Konzepte aufzugeben. Architekten sind kritische Denker, und sollten dies auch als Dienstleistung ansehen. Das kann auch bedeuten, dass man den Bauherren vorschlägt, nicht zu bauen - beispielsweise, wenn man die Aufgabe durch funktionale Umstrukturierung eines Baubestands auch lösen könnte. Hier muss also ein Umdenken unserer Leistung erfolgen, was bereits an den Universitäten gelehrt werden könnte. Vielleicht bietet die Loslösung von den in der HOAI fixierten Leistungsphasen die Chance, das Berufsfeld des Architekten neu zu definieren und eine Nachhaltigkeitsberatung im Honorarsatz zu etablieren. Dies könnte gemeinsam mit dem BDA und der Architektenkammer erreicht werden. Des Weiteren hindern eine Vielzahl an Normen, die nicht auf ökologische Nachhaltigkeit ausgelegt sind, sowie unzureichende staatliche Förderung und auch fehlende technische Kenntnisse die Entwicklung nachhaltigen Bauens für den breiten Markt.
Können die Architektenkammern über gezielte Fortbildung Einfluss nehmen auf den Architekturdiskurs Nachhaltiges Bauen?
Architects for future: Nachhaltige Planung ist heutzutage kein Standard, und benötigt daher häufig zusätzliche, zeitaufwändige Recherche. Nur wenige Architekten kennen sich zum Beispiel mit ökologisch nachhaltigen Materialien oder Lebenszyklusanalysen aus. Das liegt an fehlender Grundbildung und Fortbildung in diesen Themen. Fortbildungen zu nachhaltigem Bauen müssten Pflicht sein, sowohl an der Universität als auch bei den Architektenkammern. Kurse sollten darüber hinaus in größerem Maß angeboten werden. Aus Kostengründen soll die Planung zeitlich so effizient wie möglich sein, da fällt eine projektspezifische Weiterbildung im punkto Nachhaltigkeit schnell unter den Tisch. Somit wird es auch schwer, den Bauherren mit fundierter Argumentation von den Vorteilen bestimmter Konzepte oder Ausführungsdetails zu überzeugen. Wenn die Planer aber gut ausgebildet sind und nachhaltiges Bauen integrativer Bestandteil jedes Projektes wird, kann sich das nachhaltige Bauen etablieren. Die Architekturplanung ist momentan noch zu träge und wenig fortschrittlich. Es könnte hier auch mehr Forschungsgelder geben, die projektbezogene, innovative Forschungsarbeiten von Architekturbüros für die Weiterentwicklung nachhaltiger Planungs- und Bauweisen ermöglichen. Oder frei zugängliches Informationsmaterial, das die Recherchearbeit minimiert. Derzeit bauen wir eine Wissens-Datenbank auf, die auf bereits existierendes Material hinweisen und somit die Suche nach Informationen vereinfachen soll.
Welchen rechtlichen Rahmen muss die Politik schaffen?
Architects for future: Politisch können und müssen noch einige Stellschrauben gedreht werden, die ökologisches Bauen fördern. Beispielsweise sollten beim Bauantrag Lebenszyklusanalysen und das Aufzeigen flexibler Umnutzungsmöglichkeiten Pflicht werden. Bei Fertigstellung sollte der Bund vollständige Materialausweise mit Herkunfts- und Herstellungsnachweisen für alle Bauteile einfordern, um spätere Umplanung und Wiederverwertung der Materialien zu vereinfachen. Fördergelder sollten aufbauend auf dem Ergebnis solcher Daten vergeben werden. Zudem sollten ökologische Nachhaltigkeitsaspekte immer in Baunormen integriert werden. Auch ist es für eine effiziente Planung hinderlich, dass alle Bundesländer unterschiedliche Bauordnungen haben – es sollte daher eine landesübergreifende Bauordnung für nachhaltiges Bauen geben. Beispielsweise wird die Anwendung von Holz hinsichtlich des Brandschutzes in den Bundesländern unterschiedlich genehmigt. Auch Lehm ist ein Material, das in Deutschland in der Regel Sondergenehmigungen ab einer bestimmten Gebäudegröße benötigt. Sondergenehmigungen bedeuten einen höheren Planungsaufwand und ein Risiko für die Bauherren, weswegen sie häufig gemieden werden. In der Schweiz und in Österreich ist das wesentlich unkomplizierter und fördert so den Fortschritt in der Nutzung dieser Materialien z.B. hin zum Fertigbau (siehe Lehm Ton Erde). Außerdem müssen neue, ökologische Produkte einfacher auf den Markt gebracht und staatlich gefördert werden. Die Kosten dafür könnten beispielsweise durch eine CO2-Steuer auf klimaschädliche Materialien finanziert werden. Nachhaltiges Bauen muss kostengünstiger und marktfähig werden. Die Schaffung bezahlbaren Arbeits- und Wohnraums darf mit ökologischen Zielen nicht im Konflikt stehen.
Unter euch sind zum Teil auch Studenten. Was muss sich beim Lehrinhalt der Hochschulen eurer Meinung nach ändern?
AFF: Die Studenten von heute werden in Zukunft nachhaltige Gebäude im Hinblick auf Nutzung, Bau und Abriss planen müssen. Momentan sind sie darauf ungenügend vorbereitet. An einigen Universitäten steht nachhaltiges Bauen noch überhaupt nicht auf dem Lehrplan und das obwohl sogar in einigen Bundesländern im Architektengesetz eine „umweltgerechte Planung“ unter den Berufsaufgaben festgeschrieben ist. Uns erschreckt es deswegen zu hören, dass eine namhafte Universität, wie die RWTH Aachen, plant, ihren bislang einzigen Lehrstuhl an der Architekturfakultät mit dieser Ausrichtung („Rezykliergerechtes Bauen“) zu schließen. Jede Universität sollte jedoch mindestens einen Lehrstuhl zu ökologischem Bauen führen, nachhaltige Planung als integrativen Teil jedes Kurses einführen und interdisziplinären Austausch fördern.
Wie schätzt ihr die Initiative der Architekten ein, die sich international zu einer Deklaration zum Klima- und Biodiversitätsnotstand zusammengeschlossen haben?
AFF: Die Initiative architects declare hat weltweit Diskussionen über die Nachhaltigkeit der Bauindustrie angeregt, was wir sehr befürworten. Allerdings hat sich abgesehen davon kaum etwas verbessert. Mit ihrer Deklarierung, die von hunderten Büros unterschrieben wurde, wird zwar auf den ökologischen Fußabdruck der Bauindustrie hingewiesen, aber die Bauweise der teilnehmenden Büros hat sich kaum merklich verändert. Dies mag an den vielen Hürden in der Planung und der fehlenden Nachfrage seitens der Bauherren liegen. Aber manche der Gründungsmitglieder, weltweit unter den größten Architekturbüros, haben durch ihre Projektzahl und Bekanntheit durchaus Einfluss auf das heutige Bauen und sollten dies durch nachhaltige Projektwahl und -steuerung tun. Denn wir müssen dringend nachhaltiges Bauen konkret umsetzen, auf dem breiten Markt etablieren, und dafür politische Forderungen vorantreiben.
Zu guter Letzt, möchtet Ihr noch etwas einbringen, was unerwähnt blieb?
AFF: Dass ökologisch nachhaltiges Bauen und ästhetische Architektur keine Gegensätze sind und dass ökologische Materialien zum Wohlbefinden und der Gesundheit der Raumnutzer beitragen können.
Das Interview führte Nadine Schimmelpfennig mit verschiedenen Ortssprechern aus Deutschland:
Johanna W., Vicky M. und Phillip R.:
"Wir als Initiative „Architects for Future“ leben von unseren hoch motivierten Mitgliedern. Es ist faszinierend, wie viele sich ehrenamtlich, neben Familie und Beruf, engagieren, um in der Baubranche eine Veränderung herbei zu führen. Wir möchten uns bei allen die hinter uns stehen bedanken."