Peter Grunds anpassungsfähige Architektur

Forschungsarbeit als Buch veröffentlicht

Der deutsche Architekt Peter Grund (1892-1966) war in drei politischen Systemen erfolgreich: in der Weimarer Republik, in der NS-Zeit und beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg. Was sagt das über seine Person und seine Architektur aus? Damit haben sich jetzt Forschende der Fachhochschule Dortmund, der TU Dortmund und der Philipps-Universität Marburg befasst. Die Basis ihrer Arbeit ist der Nachlass des Architekten, der teils bereits auf der Müllkippe gelegen habe, wie die Fachhochschule Dortmund mitteilt.

Daraus haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein bis dato unveröffentlichtes Buch Peter Grunds rekonstruiert und vor Kurzem unter dem Titel „Der Maßstab im Städtebau“ als Teil ihrer Forschungsarbeit veröffentlicht. Bevor ein Katalog seines Werkes erscheine, werde noch in diesem Jahr ein Essay-Band herausgegeben. „Der ist ein Kernelement des von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) geförderten Projektes und befasst sich neben der Architektur auch kritisch mit Leben und Karriere von Peter Grund“, sagt Stephan Gudewer. Er ist Absolvent der FH Dortmund, war als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projektteam und ist inzwischen Lehrbeauftragter am Fachbereich Architektur. Prof. Dr. Renate Kastorff-Viehmann leitete das Projekt an der Dortmunder Fachhochschule.

Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm Peter Grund als Oberbaudirektor von Darmstadt den Wiederaufbau und die Neugestaltung der Innenstadt.
Foto: Architekturmuseum TU München, Nachlass Peter Grund

Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm Peter Grund als Oberbaudirektor von Darmstadt den Wiederaufbau und die Neugestaltung der Innenstadt.
Foto: Architekturmuseum TU München, Nachlass Peter Grund

Geboren in Pfungstadt bei Darmstadt war Peter Grund zwischen 1923 und 1933 in Dortmund tätig. Zusammen mit Karl Pinno plante und führte er unter anderem den Bau der Dortmunder Nicolaikirche (1929/30) aus – als erste deutsche Sichtbetonkirche. Auch der Entwurf der Industrie- und Handelskammer zu Dortmund (1928) stammt von ihm.

In der Zeit des Nationalsozialismus machte Peter Grund als Direktor der staatlichen Kunstakademie Karriere in Düsseldorf, plante von dort Rathäuser und Aufmarschplätze und verantworte als künstlerischer Leiter die Ausstellung „Schaffendes Volk“, eine der größten Propaganda-Schau der Nazis, heißt es in der Pressemitteilung. Zwar gelte Peter Grund in der Wissenschaft nicht als einer der ganz großen Namen unter den Architekten. Seine zahlreichen Projekte in Dortmund, Düsseldorf und Darmstadt seien jedoch bis heute im Stadtbild sichtbar und zeugten von seinem Erfolg.

Unmittelbar nach ihrer Fertigstellung: Die Dortmunder Nicolaikirche zählt zu den herausragenden Bauwerken, die Peter Grund geplant hat. Sie war deutschlandweit die erste Sichtbetonkirche und wurde 1929/30 gebaut.
Foto: Stadtarchiv Darmstadt, Nachlass Peter Grund

Unmittelbar nach ihrer Fertigstellung: Die Dortmunder Nicolaikirche zählt zu den herausragenden Bauwerken, die Peter Grund geplant hat. Sie war deutschlandweit die erste Sichtbetonkirche und wurde 1929/30 gebaut.
Foto: Stadtarchiv Darmstadt, Nachlass Peter Grund

„Seine Biografie erlaubt uns Einblicke, wie Architekten das System mitgetragen und sich auch schnell angepasst haben“, sagt Stephan Gudewer. Das gelte ebenso für seine Rolle in der NS-Zeit wie auch für sein Wirken in Darmstadt, wo er 1947 – nach einer schnellen Entnazifizierung – das Amt des Oberbaudirektors übernahm und für den Wiederaufbau und die Neugestaltung des Stadtzentrums verantwortlich war. „Es stellen sich daher auch Fragen nach den Lehren, die wir für die Gegenwart draus ziehen können. Und ebenso, wie wir mit dem Erbe Peter Grunds umgehen“, so Stephan Gudewer. Die Forschungsarbeit soll dazu einen Beitrag leisten.

Dafür wurde der umfangreiche Nachlass von Peter Grund zusammengetragen und digitalisiert. Einen Teil davon habe eine Studentin der FH Dortmund 2006 bei einer Enkelin des Architekten aufgespürt. Ein anderer Teil sei aufgrund von Erbstreitigkeiten auf einer Darmstädter Müllkippe gelandet und konnte von dort gerettet werden, heißt es in der Pressemitteilung der Hochschule. Insgesamt wurden etwa 8.000 städtebauliche und architektonische Pläne, über 500 Fotos und hunderte weitere Notizen und Briefe ausgewertet. Die Originale liegen heute im Baukunstarchiv NRW, im Stadtarchiv Darmstadt und am Architekturmuseum der Technischen Universität München.

Weitere Informationen

Publikation

Kastorff-Viehmann / Sonne / Stabenow (Hrsg.) Der Architekt Peter Grund und die Tradition in der Moderne. Verlag Kettler 2024. ISBN 978-3-9874112-9-8

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