Tradition trifft Innovation

Seit vielen Jahren setzt sich der in Uganda ansässige Architekt Felix Holland für eine ganzheitlich nachhaltige Architektur ein, die ökologische, wirtschaftliche und soziale Aspekte in einen harmonischen Einklang bringt. Im Gespräch mit DBZ-Redakteurin Yoko Rödel berichtet der Deutsche über seinen Weg nach Afrika, die Entstehungsgeschichte von seinem Büro "Localworks" sowie von seinen Erfahrungen zu interdisziplinären Arbeitsweisen.

Im Jahr 2018 errichtete Felix Holland mit seinem Team ein kleines Dorf im Südwesten Ugandas nahe des Mgahinga Gorilla Nationalparks unweit der Grenze zu Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo. Die Gebäude wurden aus vulkanischem Gestein, Lehm und Bambus gebaut. Im Zentrum des Dorfes steht ein kuppelförmiges Gemeinschaftszentrum, welches über Anleihen der traditionellen Waldhütten der Batwa verfügt.
Foto: Will Boase

Im Jahr 2018 errichtete Felix Holland mit seinem Team ein kleines Dorf im Südwesten Ugandas nahe des Mgahinga Gorilla Nationalparks unweit der Grenze zu Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo. Die Gebäude wurden aus vulkanischem Gestein, Lehm und Bambus gebaut. Im Zentrum des Dorfes steht ein kuppelförmiges Gemeinschaftszentrum, welches über Anleihen der traditionellen Waldhütten der Batwa verfügt.
Foto: Will Boase

Lieber Felix, was hat dich einst dazu inspiriert nach Uganda auszuwandern und dort in eigener Praxis zu arbeiten?
Ich hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt auszuwandern. Als Architekt habe ich mich einfach nicht in Deutschland gesehen. Die Baupraxis ist dort sehr „reguliert“ und oft vorhersehbar, was mir wenig Raum für kreative Freiheit ließ. Und um auf die Frage zurückzukommen: Ich bin nach dem Abitur für ein soziales Jahr nach Südafrika gereist und habe dabei meine Liebe für diesen Kontinent entdeckt. Seitdem bin ich fast jedes Jahr in Afrika unterwegs gewesen. Uganda habe ich im sechsten Semester meines Architekturstudiums kennengelernt. Tatsächlich hat mich kein anderes afrikanisches Land so fasziniert wie dieses. Das liegt nicht nur an der atemberaubenden Natur, sondern auch an der Offenheit der Menschen und der Kultur. Auch als Architekt sehe ich hier enormes Potenzial – die Bevölkerung Ugandas wächst rasant und auch sonst bieten sich hier vielfältige Möglichkeiten.

Der Bauprozess war ebenso bedeutsam wie das Ergebnis: Sämtliche Gebäude wurden von den Batwa errichtet. In partizipativer Zusammenarbeit mit den Planern entwickelten sie eine Gemeinschaftsfarm. Ein Projekt mit besonderer Tragweite – denn nach Fertigstellung der Gebäude sahen die Stämme der Nachbardörfer die als unproduktiv geltenden Batwa in einem neuen Licht.
Fotos: Will Boase

Der Bauprozess war ebenso bedeutsam wie das Ergebnis: Sämtliche Gebäude wurden von den Batwa errichtet. In partizipativer Zusammenarbeit mit den Planern entwickelten sie eine Gemeinschaftsfarm. Ein Projekt mit besonderer Tragweite – denn nach Fertigstellung der Gebäude sahen die Stämme der Nachbardörfer die als unproduktiv geltenden Batwa in einem neuen Licht.
Fotos: Will Boase

Wie hast du dich denn auf diesen Schritt vorbereitet? Wie ist es dir gelungen, dort Fuß zu fassen?
Um ehrlich zu sein, habe ich mich darauf kaum vorbereitet. Nach meinem Diplom habe ich ein One-Way-Ticket nach Uganda gebucht – ohne einen konkreten Plan, ohne Kontakte und ohne finanzielle Sicherheit. Das klingt vielleicht verrückt, aber ich habe mir gesagt: Jetzt oder nie. In Kampala, der Hauptstadt von Uganda, habe ich dann eine Anstellung bei einem britischen Büro gefunden, wo ich das Architekturhandwerk von der Pike auf gelernt habe. Diese acht Jahre waren eine wertvolle Schule für mich. Später habe ich den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt und Localworks gegründet. Unsere Vision war von Anfang an klar: Wir wollten grüne, kontextbezogene Architektur erschaffen. Mit der Zeit wurde auch der partizipative Aspekt immer wichtiger. Uns geht es darum, ressourcenschonende Gebäude gemeinschaftlich zu entwickeln. Das bedeutet, alle Projektbeteiligten – Bauherr, Fachplaner, Handwerker, Nutzer – frühzeitig an einen Tisch zu bringen, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.

Die Cistercienser-Kirche im Süden Ugandas. Das im Jahr 2012 errichtete Gebäude wurde von der über 1.000-jährigen Tradition der Klosterarchitektur inspiriert.
Fotos: Will Boase

Die Cistercienser-Kirche im Süden Ugandas. Das im Jahr 2012 errichtete Gebäude wurde von der über 1.000-jährigen Tradition der Klosterarchitektur inspiriert.
Fotos: Will Boase

Eure Arbeit zeichnet sich durch einen umfassenden Nachhaltigkeitsansatz aus, was eine hohe Entscheidungsfreudigkeit aller Projektbeteiligten voraussetzt. Das stelle ich mir sehr herausfordernd vor.
Das ist es in der Tat. Der Nachhaltigkeitsgedanke ist in Uganda nicht weit verbreitet und dementsprechend ist der ökologische Fußabdruck für die meisten Menschen auch völlig nebensächlich, weil es hier um das nackte Überleben geht. Sie haben gar nicht die Ressourcen, sich darüber Gedanken zu machen. Aber genau das bietet auch Chancen: Nachhaltigkeit funktioniert hier nur dann, wenn sie den Menschen einen Benefit bringt. Ein Gebäude, das lediglich ökologisch vorteilhaft ist, aber weder praktisch noch bezahlbar, wird schlicht nicht gebaut. Unsere Herangehensweise ist daher sehr pragmatisch: Wir setzen darauf, mit den Menschen über die konkreten Vorzüge jener Bauten zu sprechen – wie das Preis-Leistungs-Verhältnis, die Langlebigkeit der Materialien oder die Alltagstauglichkeit. Traditionelle Materialien wie Lehm stoßen nicht selten auf Skepsis, weil sie hier als wenig fortschrittlich gelten. Wenn wir aber erklären, dass diese Werkstoffe nicht nur nachhaltig, sondern auch stabil, kosteneffizient und langlebig sind, dann schafft das Vertrauen.

Der Sakralbau zeichnet sich insbesondere durch die intelligente Tageslichtführung aus, wobei je nach Jahreszeit unterschiedliche Raumeindrücke entstehen.
Foto: Will Boase
Der Sakralbau zeichnet sich insbesondere durch die intelligente Tageslichtführung aus, wobei je nach Jahreszeit unterschiedliche Raumeindrücke entstehen.
Foto: Will Boase

Ein wesentliches Ziel eurer Praxis ist es, dass eure Innovationen Abseits der afrikanischen Landesgrenzen zur Anwendung kommen. Wie gelingt euch das?
Nachhaltige Architektur ist immer relevant und kennt keine geographischen Grenzen. Natürlich haben wir hier in Uganda gewisse Freiheiten, Dinge auszuprobieren – was in Europa dann doch etwas schwieriger ist. Nichtsdestotrotz lassen sich die hier gesammelten Erfahrungen auch gut auf europäischem Boden anwenden. Es gibt dafür ein tolles Beispiel: Die Planer von „BC architects“ aus Belgien haben zahlreiche Projekte in Afrika realisiert und die dabei entwickelten Verfahren und technischen Innovationen später auch bei Bauvorhaben in Europa einbringen können. Daran zeigt sich, dass es letztlich keine Rolle spielt, wo man als Architekt arbeitet – wichtig ist, den Mut zu haben, Gewohntes zu hinterfragen und Neues auszuprobieren.

Zu euren Projekten zählen nachhaltige Wohnhäuser, Bildungseinrichtungen und Kulturbauten – aber auch Lodges im Bereich des High-End-Tourismus. Wie passt das zusammen?
Das passt sogar sehr gut zusammen. Unsere Projekte folgen klaren Kriterien: Sie müssen grün und nachhaltig sein. Wir legen uns nicht auf bestimmte Bauaufgaben fest – genau diese Vielfalt zeichnet uns aus. Darüber hinaus möchte ich auch gar nicht, dass Localworks nur für NGOs arbeitet. Dann wären wir in einer „Charity-Bubble“, die uns nicht gerecht würde. Daher nehmen wir – solange sich das mit unseren Werten vereinbaren lässt – auch Aufträge aus dem kommerziellen Bereich an. Gerade für den Tourismus-Sektor wird unsere Arbeit immer wichtiger. Das ist eine interessante Entwicklung, denn viele Lodge-Betreiber interessieren sich primär gar nicht für Nachhaltigkeit, aber ihre Gäste sehr wohl. Das gibt uns die Chance zu zeigen, dass grünes Bauen auch in diesem Bereich funktioniert.

Im Nordwesten Ugandas, rund 600 Kilometer von der Hauptstadt Kampala entfernt, liegt das Bidi Bidi-Flüchtlingslager, eines der größten seiner Art weltweit. Viele der dortigen Bewohner sind vor Gewalt aus dem benachbarten Südsudan geflohen. Ihnen bietet das neu errichtete Music and Arts Center einen wichtigen kulturellen und sozialen Ankerpunkt.
Fotos: Mutua Matheka

Im Nordwesten Ugandas, rund 600 Kilometer von der Hauptstadt Kampala entfernt, liegt das Bidi Bidi-Flüchtlingslager, eines der größten seiner Art weltweit. Viele der dortigen Bewohner sind vor Gewalt aus dem benachbarten Südsudan geflohen. Ihnen bietet das neu errichtete Music and Arts Center einen wichtigen kulturellen und sozialen Ankerpunkt.
Fotos: Mutua Matheka

Was verbirgt sich eigentlich hinter der Localworks Foundation?

In der ugandischen Baukultur fehlt es an Forschung und Ausbildung, insbesondere im Hinblick auf die Anwendung lokal verfügbarer Materialien. Unsere Stiftung möchte genau hier ansetzen: Wir wollen systematisch Wissen aufbauen, Publikationen herausgeben und praktische Ausbildungsprogramme anbieten – etwa für Lehrlinge, Handwerker und Architekten. Unser Ziel ist es, nachhaltiges Bauen als festen Bestandteil der regionalen Baukultur zu etablieren. Natürlich hoffen wir auch auf Kooperationen mit anderen Institutionen und Sponsoren, um diesen Bereich weiter auszubauen.
 
Abschließend – wo soll die Reise für Localworks in Zukunft hingehen?

Wir sind noch am Anfang unserer Reise. In den ersten zehn Jahren haben wir viel experimentiert, Materialien getestet und Wissen gesammelt. Dadurch haben wir eine solide Basis geschaffen, um künftig noch gezielter an innovativen Lösungen zu arbeiten. Wir wollen dabei vor allem die Frage beleuchten, wie wir in Zukunft bauen wollen. Es geht uns also weniger um das Ergebnis, sondern vielmehr um kreativen Prozess. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Entwicklung von seriell vorgefertigten Schulgebäuden. Ostafrika hat einen enormen Bedarf an Bildungseinrichtungen, und wir sehen es als unsere Verantwortung, hier Abhilfe zu schaffen. Um Zeit und Kosten zu sparen, setzen wir daher auf Gebäude mit einem hohen Vorfertigungsgrad. Diese sind flexibel einsetzbar und können landesweit realisiert werden. Dieses Projekt ist wie eine Art Gegenpol zu unseren sonst sehr individuellen und kontextbezogenen Bauvorhaben. Genau hieran zeigt sich, dass Architektur sowohl hochindividuell als auch seriell gedacht werden kann – immer mit dem Ziel, einen echten Mehrwert für die Menschen zu schaffen.

Das Zentrum ist weit mehr als ein Ort für Musik und Kunst. Es bietet den Geflüchteten die Möglichkeit, Traumata zu verarbeiten und neue Perspektiven für ihr Leben zu gewinnen. Darüber hinaus fungiert es als Plattform für sozialen Austausch und gemeinsames Lernen.
Foto: Mutua Metheka

Das Zentrum ist weit mehr als ein Ort für Musik und Kunst. Es bietet den Geflüchteten die Möglichkeit, Traumata zu verarbeiten und neue Perspektiven für ihr Leben zu gewinnen. Darüber hinaus fungiert es als Plattform für sozialen Austausch und gemeinsames Lernen.
Foto: Mutua Metheka

Felix Holland
Seit 2004 lebt und arbeitet Felix Holland als Öko-Architekt in Uganda. Nach seinem Studium an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg arbeitete er zunächst für FBW, ein britisches Architekturbüro mit Sitz in Kampala, bevor er 2013 Studio FH Architects gründete. Sechs Jahre später wurde Studio FH einer der Mitbegründer von Localworks, wobei es sich um ein multidisziplinäres Design & Build-Kollaborativ handelt, das sich auf grünes Bauen spezialisiert hat. Neben einer ganzen Reihe von preisgekrönten Projekten im Sozial-, Bildungs- und Tourismusbereich arbeitet Localworks derzeit intensiv an EcoPrefab, einem grünen Prefab-System für Schulgebäude aus Holz und Kalkputz.

www.localworks.ug

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