„Am Tacheles“ eröffnet
Bereits im Juli 2023 wurde irgendwie eröffnet. Es folgte im September der neugeschaffene Aaron Bernstein Platz. Der ist eingefasst von Büro-, Verkaufs- und Wohnbauten und besetzt einen Ort, der einmal teures Brachland war. „Am Tacheles“ heißt das Neubauquartier zwischen Oranienburger-, Johannis- und Friedrichstraße mitten in Berlin, ein Ort des Stillstands und des Mythos zugleich, eben des Tacheles-Mythos. Das war der Rest eines Kaufhauses, das wiederum Teil einer Passage war, die Oranienburger Straße und Friedrichstraße verband. Vollendet wurde die damals so genannte „Friedrichstraßenpassage“ (Architekt: Franz Ahrens) 1908, im Krieg 1939–45 wurde sie beinahe komplett zerbombt.
Ende der 1980er-Jahre von Hausbesetzern und Künstlerinnen angeeignet, überlebte das Tacheles als Spielwiese für Anarchie, Kunst und Kommerz bis zum Verkauf seitens der Stadt, die das zentrale gelegene Grundstück quasi verschenkte. Dem damaligen Investor kam ein stagnierender Immobilenmarkt in die Quere. Er verkaufte an die Perella Weinberg Real Estate, die 2016 den Berliner Projektenwickler pwr development GmbH beauftragte, die Basler Architekten Herzog & de Meuron einen Generalplan für das Gelände entwickeln zu lassen. pwr wiederum kreierte mit der „AM TACHELES Residential Development GmbH“ eine Instanz, die die rund 175 Eigentumswohnungen vermarkten helfen sollte − Quadratmeterpreis 15 000 € aufwärts.
Mit den Schweizern waren dann noch für die Büro- und Wohnbauten mit im Boot Grüntuch Ernst Architekten und Brandlhuber + Muck Petzet. Wohnungsgrößen werden zwischen 41 m² (ein Zimmer) bis 365 m² (sechs Zimmer) angeboten. Die vom Senat geforderte „kulturelle Nutzung“ soll der schwedische Fotovermarkter „Fotografiska“ einlösen auf gut 5 000 m² Fläche, auf der zurzeit mehr Gastro zu erleben ist als Fotokunst, täglich geöffnet bis 23 Uhr.
Städtebaulich sitzt das Ensemble gut, es gibt ein paar typische Herzog & de Meuron-Fassaden, die Durchwegung scheint stimmig, allein die hier angesprochene, internationale Käuferklientel steht ganz offenbar über allen Diskussionen um bezahlbaren, städtischen Wohnungsneubau. Die Stadt Berlin – die ja auch Bundeshauptstadt ist – hat es zugelassen. Die Bodenpreise hätten sozialen oder kostengünstigen Wohnungsbau auch gar nicht erlaubt. Dafür hat schon die Tiefgarage, die zum „smarten Mobilitätskonzept“ der Entwicklerinnen gehört, gesorgt. Das Quartier wird nun sukzessive verkauft, bezogen, bewohnt und begangen, es wird Teil des Stadtkörpers sein, zu welchem es sich vielfältig öffnet. Ob diese Freiheit so bleiben wird, darauf darf man gespannt sein. Dass das Objekt „Am Tacheles“ heißt, ist ein genialer Coup. Mit dem Tacheles selbst hat „Am Tacheles“ nichts mehr gemein, nur noch den namentlichen Anklang, was reicht, um dem Quartier das Flair zu verleihen, das es eigentlich so gar nicht hat am Ende der Vermarktungskette. Be. K.