Bauwende oder lieber Baumodernisierung? Ein Kongress in Bonn
Um es gleich vorweg zunehmen – und Sie müssen hier gar nicht weiterlesen –, außer einem wunderbar deutlichen Podcast zum oben umrissenen Thema mit Prof. Elisabeth Endres und Dr. Robert Kaltenbrunner (auf DBZ.de), außer vielen guten Hintergrundgesprächen und einzelnen Vortragshighlights hat der Kongress im ehemaligen Wasserwerk alias Plenarsaal des Deutschen Bundestages nichts gebracht. Nichts jedenfalls all denen, die mit Hoffnung auf wenigstens ein kleines Signal des Aufbruchs nach Bonn gereist waren.
Es trugen die bekannten Expertinnen der bekannten Institute, Organisationen, Vereine, Stiftungen und Planerbüros vor, Dinge, die längst offenbar sind, allen zugänglich und durchaus auch diskutiert. Dass von diesen Dingen tatsächlich das eine oder andere Verfahren, Werkzeug und Netzwerk es in das eine oder andere prototypische und zumeist mit öffentlichem Geld finanzierte Projekt geschafft hat: Ist das schon ein Erfolg, eine Wende gar?
„Wirtschaftswende“, „Planunungswende“, „Bauwendeformate“ und „Einfamilienhauswende“ waren vier Foren getitelt, auf denen sich der Expertinnenkreis die Stichworte zuwarf. Das Wurfknäuel blieb im Kreis, rollte nirgends hin, fühlte sich offenkundig gut aufgehoben, die Fäden waren gesponnen im allerdings immer gleichen Sekantenmuster.
Die Themen waren, neben den schon genannten Forenthemen, u. a. „Aufbruch: wie die Praxis die Bauwende vorantreiben kann“, „Weniger bauen dank Wohnsuffizienz“, „Bestandsgebäude erhalten durch wirtschaftliches und kreatives (Anders-)Denken“, „Wissenstransfer als Innovationstreiber“, „Die solidarische Stadt in Zeiten der Transformation“ (vom universalistisch denkenden, leider nur via Livestream anwesenden Heinz Bude, der in der Kongressfolge vielfach zitiert wurde und den man häufiger einladen sollte), „Askese vs. Akkumulation. Für ein Umdenken vom Möglichen zum Maßhalten“ (von John von Düffel, Philosoph und Schriftsteller und wie Heinz Bude ebenfalls ein Vortragender mit Nachhall), oder auch „Einfach gut bauen heißt, gemeinsam umdenken“.
Es muss ja nicht der Mercedes sein
Außer den beiden „fachfremden“, dem Soziologen Heinz Bude und dem Philosophen John von Düffel überraschte tatsächlich nur die Ministerin. Klara Geywitz, Bundesbauministerin im BMWSB, Berlin, war mit einer „Grundsatzrede zur Bauwende“ angekündigt. Und tatsächlich sprach sie über das Grundsätzliche, das wir im Plenum Versammelten aber doch längst kennen! Aufbruch? Bauwende? Gleich zu Beginn, bevor die Allgemeinplätze genannt wurden, die mantragleich von der Politik zu nennen sind – dass wir vor großen sozialen und technischen Herausforderungen stehen, dass der Diskurs breiter geführt werden muss, weniger emotional, dass Klimafreundlichkeit mit geweitetem Blick betrachtet werden muss (ein Kollege von ihr spricht hier immer von „Technologieoffenheit“, die später in „Technologiefreiheit“ umgemünzt wurde), oder dass wir den digitalen Gebäudepass brauchen – also gleich zu Beginn stellte die Ministerin fest, dass sie den Begriff der Bauwende nicht möge, sie hätte den Diskurs lieber bei der Modernisierung des Bauens.
Modernisierung klingt – obwohl das Moderne ja unter Architekten gerade schwer unter Beschuss geraten ist – weniger ideologisch, es klingt nach Anpacken, Verbessern, Aufwerten. Dass Klara Geywitz dann mit Bezug auf die von der TU München, Florian Nagler, entwickelten und realisierten „Versuchshäuser“ in Bad Aiblingen versprach, die Förderung der Forschung ausweiten zu wollen – und damit implizierte, dass man schon weiterbauen müsse, nur eben effizienter – kollidierte dann doch mit ihrem Resümee, man solle nicht immer den Mercedes vor Augen haben, „ein einfaches Auto tut es auch“. Das würde dann schon sehr dem Anspruch entgegenstehen, dass vor allem Innovation der Wirtschaftstreiber sei, für welchen ja gerade das goldene Kalb Automobilindustrie mit all seiner kontraproduktiven Innovationsgewohnheit in Deutschland steht.
„Ich habe die Lösung dabei!“
Der Kongress zielte im Wesentlichen auf das Eine: Wir müssen weiterbauen. Und ja, es wäre auch eigenartig, wenn eine mit dem Bauen verbundene Branche, eine vom Bauen lebende Gesellschaft nun entschiede, man würde nicht mehr bauen, weil jeder Neubau zumindest die Bilanz belaste, und sei er auch noch so korrekt klimaneutral gerechnet. Dass dann der Präsident der DGNB, Amandus Samsøe Sattler, das Bauen in den vergangenen Jahren als eine Droge bezeichnete, für die auch die DGNB Unbedenklichkeitszertifikate ausstelle, machte zumindest die Ministerin unfroh: Ihr Erbe der 400 000/Jahr, das abzuschütteln durchaus in ihrer Entscheidungshoheit läge, führe, so der Mitgründer von allmann sattler wappner, München (heute eben allmannwappner) und aktueller Gründer von ensømble Studio, Berlin, zu Pseudoklimaneutralität und verhindere, die selbstauferlegten und einzuhaltenden Klimaziele dieses Landes zu erreichen, Effizienz hin oder her.
Dass der Architekt, dessen Thema die Kreislauf(bau)wirtschaft war, weiterhin bauen wolle, stellte er außer Frage, nur eben anders, mit weniger Ausreden, die sich aus Zwängen begründen lassen. „Ich habe die Lösung dabei“, so Präsident Sattler. Ob die am Ende ein anderes Bauen ist, dieses Vagesein teilte der Architekt dann am Ende doch mit vielen anderen; der Ministerin ausgenommen, deren Horizont scheint klar und unverrückbar konturiert.
Mehr Mut täte gut
Doch zur Entwicklung eines einfachen Autos, die der Ministerin vorschwebt, zum Kauf eines naked cars gehört zumindest in diesem Land wohl Mut; und Selbstbewusstsein, Veränderungswille sowie Verantwortungsbemühen, das über den Tellerrand hinausreicht. Und es muss, sicher nicht ganz falsch, Spaß machen. Daran jedenfalls appellierte Katharina Kleinschrot, Professorin an der TU Dresden, sie sieht regelrechte „Kreislauforgien“ auf das Land zukommen. Immerhin!
So verwunderte es nicht, dass von vielen Referenten häufig davon gesprochen wurde, dass wir alle mehr Mut bräuchten, Bauwende oder Baumodernisierung anzupacken. Andrea Klinge, Professorin am KIT Karlsruhe, forderte neben dem radikalen Umdenken – das ein Weiterbauen ist – eben das: mehr Mut. Warum eigentlich? Wer droht uns, was droht uns, wenn wir konsequenter wären? Einfacher, weniger bauen? Eine neue Ästhetik? Was wäre, wenn wir „Brot- und Butterprojekte“ (Achim Nagel, PRIMUS developements) als Zukunftsprojekte angingen und sie nicht gleich als wirtschaftlich nötigen Beifang im Geschäft mit Umbauprojekten auffassten?
Wir müssten uns selbst die Kausalzusammenhänge (mehr Bauen, mehr Verbrauch) deutlicher machen, sollten das langsamere Handwerk wertschätzen, den nächsten Kongress vielleicht mit weniger Expertinnen und mehr Betroffenen ausstatten; oder wie Dr. Markus Eltges, Leiter des BBSR und damit Kongressgastgeber, zum Schluss formulierte, dass wir „zu einer größeren Bewegung“ werden müssen und diesen Kongress also in Zukunft mit Betriebswirten oder Historikern, mit Projektentwicklern oder Schülervertreterinnen (letztere wären mein Vorschlag) füllen, auf dem Podium, im Publikum. Ja, wir brauchen zukünftig verbindliche Grundsatzreden von Verantwortlichen, die mehr Mut haben und weniger Energien darauf konzentrieren, Reibungsverluste in Kabinetts- und Ausschussarbeit zu minimieren.
Ich würde bei der Bauwende bleiben, liebe Minis-terin, die Modernisierung muss sich erst noch abarbeiten am Erbe einer verunglimpften Moderne. Und Wende ist ja auch etwas Grundsätzliches! Und wenn uns einer fragt, wer das denn alles zahlen soll, antworten wir mit Anja Bierwirth, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, dass wir es uns schlicht nicht mehr leisten können, in eine Bauwendezukunft nicht zu investieren.
Benedikt Kraft/DBZ