Beton – Quo vadis?

DBZ Heftpartner Mike Schlaich, Boris Reyher, sbp, Berlin

Boris Reyher, Mike Schlaich, sbp schlaich bergermann partner, Berlin
Foto: sbp / Marta Vaquero

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Beton ist im Zuge der Nachhaltigkeitsdiskussion als Klimasünder schwer in die Kritik geraten. Statistiken sagen, dass 8 % der weltweiten CO₂-Ausstöße auf die Verwendung von Beton als Baustoff zurückgehen. Neben dem Zement als CO₂-Schleuder erhöht die Verwendung natürlicher Kiese und Sande als Ausgangsstoffe für den Beton den Druck auf natürliche Ressourcen. Brauchbarer scharfkantiger Sand wird in vielen Gebieten der Erde bereits zur Mangelware und führt zu Verteilungskämpfen.

Dürfen wir Planer dann weiterhin mit Beton denken und planen? Müssten wir nicht sofort auf alle verfügbaren Alternativen zurückgreifen und die Verwendung von Beton schlichtweg einstellen?

Nun, zunächst gibt es gute Gründe, warum Beton im 20. Jahrhundert einen Siegeszug im Bauwesen angetreten hat. Beton ist unvergleichlich vielseitig, billig und vor allem eines: dauerhaft. Die Römer entwickelten vor über 2 000 Jahren sogenannte Puzzolanzemente und bauten damit Kuppeln, Aquädukte und andere Bauwerke, vor denen wir heute noch mit Staunen stehen. Wenn nicht andere Gründe wie zu geringe Geschosshöhen oder sich wandelnder Zeitgeist zu einem Abriss führen, können Gebäude aus Beton Jahrhunderte überdauern.

Beton ist nach wie vor einer der günstigsten Baustoffe und dies wird auch erstmal so bleiben, so lange Produkte nicht nach dem CO₂-Ausstoß besteuert werden. Der niedrige Preis führt dazu, dass selbst bei einfacheren Gebäuden betoniert statt gemauert oder gezimmert wird. Diese Marktbeherrschung entwickelte sich seit der Nachkriegszeit, als in vielen Ländern der westlichen Welt die Lohnkosten aufgrund gewerkschaftlicher Organisation stiegen, wodurch die Arbeitszeit gegenüber den Materialkosten teurer wurde. Die Ära der Flachdecke war eingeläutet, filigranere Betonkonstruktionen wie Schalen und Faltwerke verschwanden zunehmend aus der Architektur.

Die Zementindustrie arbeitet fieberhaft an Lösungen, um die CO₂-Bilanz ihrer Produkte zu verbessern. Dies betrifft vor allem nachhaltigere Ersatzstoffe für den Klinker als Hauptbestandteil des Zements, sowie den Einsatz regenerativer Energiequellen für das Kalkbrennen oder auch Carbon Capture-Technologien. Recycling von Beton ist technisch ausgereift und breitet sich auch dank besserer Normung aus. Diese Entwicklungen alleine können den Betonbau allerdings wahrscheinlich nicht zukunftsfähig machen.

Auf der anderen Seite werden alternative Baustoffe wie Holz, Lehm und Stroh nicht alles ersetzen können, wofür wir Beton bislang wie selbstverständlich eingesetzt haben. Akustisch und thermisch wirksame Masse im Gebäude fehlt bei leichten Bauweisen im Tragwerk. Dauerhaft erdberührte Bauteile sind ohne Beton kaum wirtschaftlich. Brücken kann man natürlich auch aus Holz bauen, aber dies hat klare technische Grenzen.

Doch wie können Architekten und Ingenieure ihrer Verantwortung zum Klimaschutz den kommenden Generationen gegenüber gerecht werden? Hierzu sehen wir zwei Paradigmen:

1. Einfach, solide und damit langlebig bauen.

2. Nur so viel Beton einsetzen, wie irgend nötig.

Mit diesen Grundsätzen lässt sich zumindest erreichen, dass wir nicht mehr CO₂-Ausstoß verursachen als mit derzeitigen Mitteln notwendig. Zugleich ist der Beton im Idealfall eine Investition in langlebige Bauten, die über viele Generationen genutzt werden können. Wenn über einen langen Zeitraum statt zwei oder drei Gebäuden nur eins errichtet werden muss, ist dies eine sehr starke Form der Nachhaltigkeit.

Konkret führen uns die genannten zwei Paradigmen unter anderem zu Konstruktionsweisen, die wir im Fachartikel dieses Hefts genauer vorstellen. Das ist einerseits die Rückkehr zum einfachen Bauen mit wärmedämmendem Infraleichtbeton, der sogar CO₂ mit der Zeit aus der Atmosphäre zurücknimmt. Zum anderen sind es betonoptimierte, dünne Deckenelemente, die den Betonverbrauch bei gleicher Funktion gegenüber herkömmlichen Flachdecken um bis zu 60 % reduzieren können.

So weitergehen wie bisher kann es auf keinen Fall. Wir Planer haben die Pflicht und die Mittel, das Bauen von Grund auf umzukrempeln und gewohnte Denkweisen auf den Kopf zu stellen. Dazu brauchen wir nicht länger zu warten. Wir müssen einfach nur handeln und durch unser Tun neue Marken setzen. Wir müssen der Stahlbeton-Flachdecke und den Wärmedämmverbund-Systemen den Kampf ansagen. Wenn schon Beton, dann radikal anders und intelligenter als bisher.

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