Liebe Leserinnen und Leser,

auf der letzten Seite der DBZ kommt wie immer die Vorschau auf die kommende Ausgabe. In der letzten Ausgabe schauten wir also auf diese und fragten dort – durchaus mit provokativer Absicht – ob man denn überhaupt noch mit Beton bauen dürfe?! Denn dieser „chemisch instabile Baustoff“ (Wikipedia) ist wegen des in ihm verarbeiteten Zements ein starker CO2-Produzent. Das könnte man ändern, wenn man als Produktions- und Vertriebs- und Verarbeitungsenergie auf solar produzierte zurückgriffe, aber die gibt es nicht in ausreichendem Maße. Erschwerend kommt hinzu, dass die Rohstoffe wie Sand und Kies endlich sind; ihr Vorkommen ist – insbesondere angesichts immer weiter steigender Nachfrage nach dem vielseitigen Baustoff – absehbar am Ende, von der Zerstörung von noch intakten Ökosystemen durch die Stoffe-Gewinnung einmal ganz abgesehen. Dennoch ein Heft machen, das Bauten zeigt, die unverblümt und ganz selbstbewusst ihre Betonseele zeigen?

Wir wollten unsere Projektevorauswahl für diese Beton-Ausgabe einmal dezidiert von Ingenieur:innen anschauen lassen. Also das Gestalterische weniger im Fokus haben, mehr das Materielle, das Potenzial, die Leis-tungsfähigkeit und -grenze, auch die Zukunftschancen des schon alten Baustoffs; „alt“ jedenfalls in Bezug auf die menschliche Bau- und Kulturgeschichte.

Schnell waren wir bei Mike Schlaich, der mit seinem Team in Berlin am Überleben des Betons arbeitet, ihn als schiere Masse maximal zu reduzieren sucht mit allen Mitteln: Infraleichtbeton, dessen minimierte Rohdichte nicht allein gute Dämmwerte liefert, sondern auch Einsparungen auf der Ressourcenseite. Also besuchten wir die Tragwerksplaner sbp schlaich bergermann partner im Berliner Büro und sprachen mit Mike Schlaich und Boris Reyher. „Noch geht es ohne Beton nicht“, so Boris Reyher, „aber wir können ihn klüger einsetzen. Ausschließlich dort, wo er nicht zu ersetzen ist und dort dann so reduziert wie möglich.“ Das kann über ein anders aktiviertes Tragwerk geschehen, über Vorspannung, über die Reduktion von Spannweiten, über die Minderung der Lasten (Hybridbau), auch über neuartige Zuschläge. Der vermehrte Einsatz von Carbonbeton ermöglicht Materialeinsparnis an allen wesentlichen Punkten, hier muss nur noch das Problem des sortenreinen Recycelns geklärt werden wie auch Recyceln des Materials Carbon selbst.

Unsere Auswahl zeigt nun unterschiedliche Herangehensweisen: Mal musste eine Stahlbetonskelettarchitektur saniert und reaktiviert werden, mal wird mit dem Material in einem kollaborativen Forschungsprojekt experimentiert. Dann wieder spielt das Material als Bezugspunkt zum historischen Bestand seine Echorolle – nach 100 Jahren also immer noch, aber mit deutlich höherer Effizienz. Dann wieder, in der Hochburg des edlen Sichtbetons, der Schweiz, probierte ein junges Architektenteam einfach eine ganze Menge aus und vor allem: schaute den Betonherstellern in die Werkstätten.

Tatsächlich gibt es noch eine ganze Menge zu entdecken, zu lernen. Beispielsweise, wie wir den exponentiell global anwachsenden Jahresverbrauch von Beton reduzieren können. Wie? Ganz sicher „radikal anders und intelligenter als bisher“, so formulieren es unsere Heftpartner in ihrem Statement (S. 22). Die Radikalität haben wir noch nicht erreicht, das intelligenter hoffentlich schon!

Seien Sie herzlich gegrüßt und bleiben Sie – trotz aller Betonthemen – beweglich,

Ihr

Benedikt Kraft

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