Beton unter Druck

Selbst ein so robustes Material wie Beton kann zum
Wackelkandidaten werden, wenn die Bauausführenden oder -planenden es an Sorgfalt missen lassen. Da bei
Betonbauwerken jedoch die Verantwortung für die Erstellung nach den anerkannten Regeln der Technik in vieler
Experten Hände liegt, stellt sich regelmäßig die Frage:
Wer ist für das mangelhafte Ergebnis verantwortlich?
Ein juristischer Überblick über die aktuelle Rechtsprechung.

Beton ist eines der am häufigsten verwendeten Baumaterialien weltweit und spielt eine zentrale Rolle im modernen Bauwesen. Aufgrund seiner hohen Festigkeit, Langlebigkeit und Vielseitigkeit wird er für eine Vielzahl von Bauprojekten eingesetzt, von Wohnhäusern über Brücken bis hin zu industriellen Anlagen. Doch trotz der zahlreichen Vorteile birgt das Bauen mit Beton auch rechtliche Risiken, die von der Planungsphase bis zur endgültigen Abnahme eines Bauwerks berücksich­tigt werden müssen.

Zu den wesentlichen rechtlichen Aspekten gehören baurechtliche Genehmigungen, Umweltauflagen, Sicherheitsvorschriften sowie Haftungsfragen bei Baumängeln oder Schäden. Schon kleine Fehler in der Planung oder Ausführung können zu erheblichen Konsequenzen führen – sei es durch Verzögerungen, finanzielle Verluste oder sogar rechtliche Auseinandersetzungen. Beispielsweise kann eine nicht ordnungsgemäß durchgeführte Statikprüfung oder eine fehlerhafte Betonzusammensetzung zu schwerwiegenden Baumängeln führen, die sowohl die Bausicherheit als auch die Haftung der beteiligten Parteien betreffen. Verschiedene Gerichte haben hierzu bereits geurteilt:

1. Haftung des Bauunternehmers für mangelhaften Beton bei der Herstellung des Fundaments (Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 29. November 2022 – I-21 U 98/22; BauR 2024, 291-300)

Welche Folgen die Verwendung von ungeeignetem Beton für das geschuldete Bauwerk haben kann, hat der verklagte Bauunternehmer vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf zu spüren bekommen. Als Bauträger errichtete er eine Wohnungseigentumsanlage. Nach der Abnahme kam es in den Wohn- und Geschäftseinheiten im Erdgeschoss zu Feuchtigkeitsschäden. Das daraufhin von der Wohnungseigentümergemeinschaft eingeholte Sachverständigengutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Feuchtigkeitsschäden auf eine mangelhafte Bauwerksabdichtung zurückzuführen seien. Das Betonfundament wurde ohne Abdichtungsebene ausgeführt. Insbesondere handelte es sich bei dem ausgeführten Betonfundament nicht um wasserundurchlässigen Beton, der eine Abdichtungsebene entbehrlich macht.

Das Gericht stellte zunächst fest, dass das Fundament auch dann mangelhaft ist, wenn kein „wasserdichtes“ Fundament vertraglich vereinbart wurde. Denn selbst wenn vertraglich nichts Konkretes zum Fundament geregelt ist, wird zumindest konkludent vereinbart, dass das hergestellte Werk den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen muss, wenn diese Mindestanforderungen für herzustellende Werke definieren. Eine solche Mindestanforderung an die Bodenplatte ist es, dass sie gegen aufsteigende Feuchtigkeit abgedichtet ist. Dies kann durch eine Abdichtung gemäß DIN 18195-4 oder durch die Errichtung einer „Weißen Wanne“ nach der sogenannten WU-Richtlinie erfolgen.

Nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens war dies nicht der Fall. Unstreitig wurde festgestellt, dass keine Horizontalabdichtung für erdberührte Fundamente nach DIN 18195-4 ausgeführt wurde. Eine „Weiße Wanne“ wurde ebenfalls nicht errichtet. Hierfür wäre ein Beton mit einer Druckfestigkeitsklasse von C 30/37 mit einem Wasserzementwert W/Z ≤ 0,55 erforderlich gewesen. Der tatsächlich verwendete Beton hatte jedoch nur eine Druckfestigkeitsklasse von C 25/30 mit einem Wasserzementwert W/Z ≤ 0,60, was für eine wasserundurchlässige Bodenplatte nicht ausreichend ist.

Das Ergebnis war, dass die Bodenplatte mangelhaft ist. Der Bauunternehmer haftet nun für die Sanierungskosten. Diese können erhebliche Höhen annehmen, wenn das aufstehende Gebäude teilweise oder sogar vollständig abgerissen und neu errichtet werden muss. Es stellt sich dann die Frage, ob der Bauunternehmer sich gegen die Mangelbeseitigung mit der Einrede der Unverhältnismäßigkeit verteidigen kann, sodass der Bauherr oder Eigentümer – hier die Wohnungseigentümergemeinschaft – sich nur auf Minderungsrechte gegenüber dem Werklohn stützen kann.

Die Unverhältnismäßigkeit der Mangelbeseitigung ist regelmäßig erst dann gegeben, wenn die mit der Nachbesserung erzielbare Verbesserung in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür erforderlichen Aufwands steht. Unverhältnismäßigkeit wird in der Regel nur angenommen, wenn einem objektiv geringen Interesse des Bestellers an einer völlig ordnungsgemäßen vertraglichen Leistung ein ganz erheblicher und deshalb unangemessener Aufwand gegenübersteht. Hat der Besteller jedoch ein berechtigtes Interesse an einer ordnungsgemäßen Erfüllung, kann ihm die Nachbesserung regelmäßig nicht wegen hoher Kosten verweigert werden.

Das OLG Düsseldorf verneinte vorliegend die Einrede der Unverhältnismäßigkeit. Die ordnungsgemäße Abdichtung einer Bodenplatte stellt einen ganz wesentlichen Aspekt für die Dichtheit des Gebäudes gegen von außen eindringendes Wasser dar. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat ein erhebliches Interesse daran, dass die Bodenplatte entsprechend abgedichtet ist. Zudem hätte ein derartiger Mangel einen erheblichen wertmindernden Einfluss auf einen möglichen Verkauf des Objekts, wenn er nicht behoben würde. Der Mangel wurde zumindest fahrlässig vom Bauunternehmer verursacht. Die Höhe der Sanierungskosten im Vergleich zu den ursprünglichen Baukosten war dabei nicht entscheidend. Im Ergebnis wurde der Bauunternehmer zur Sanierung verpflichtet bzw. aufgrund seiner Weigerung zur Leistung eines Kostenvorschusses für die Sanierungsarbeiten.

2. Haftung des Baustofflieferanten für die Lieferung von mangelhaftem Beton (OLG Köln, Urteil vom 2. September 2016 – 19 U 47/15)

Den zuvor dargestellten Fall weitergedacht, wäre auch die Haftung des Baustofflieferanten oder Baustoffherstellers zu prüfen. Wenn der Bauunternehmer einen für eine „Weiße Wanne“ geeigneten Beton mit der Druckfestigkeitsklasse C 30/37 mit einem Wasserzementwert W/Z ≤ 0,55 bestellt, der Lieferant aber nur Beton mit einer geringeren Druckfestigkeitsklasse liefert, stellt sich die Frage, ob der Lieferant oder Hersteller für das Verbauen des „falschen“ Betons haftet.

Der Betonhersteller hat bei der Anlieferung des Betons an der Baustelle eine sogenannte Erstprüfung auf Mangelfreiheit nach DIN 1045-2 vorzunehmen. Diese Prüfungen sind – wenn Beton nach Eigenschaften bestellt wurde – Aufgabe des Herstellers. Angenommen, eine solche Prüfung wurde unterlassen und es wurde Beton mit einer falschen Druckfestigkeitsklasse geliefert, könnte ein Anspruch auf Aufwendungsersatz bestehen, beispielsweise für die Kosten des Ausbaus des mangelhaften Betons, der Lieferung von mangelfreiem Beton sowie dessen Einbau. Darüber hinaus könnten Schadensersatzansprüche für Folgeschäden entstehen, wie zum Beispiel Kosten für erneute oder verlängerte Gerüststellung und Bauverzug.

3. Baustopp bei Gefahr einer mangelhaften Standsicherheit (VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 16. November 2023 – 7 K 1588/17)

Mangelhafter Beton kann auch zu öffentlich-rechtlichen Problemen führen, insbesondere zu Unterlassungsverfügungen durch die Bauaufsicht. Dies zeigt ein Fall vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder). Hierbei wurde die erforderliche Druckfestigkeit einer Betonwand nicht nachgewiesen, wodurch ein Nachbar die fehlende Standsicherheit befürchtete und die Bauaufsicht gerichtlich zum Handeln verpflichten wollte.

Zwar bestätigte sich diese Gefahr im vorliegenden Fall nicht, grundsätzlich kann ein Einschreiten der Bauaufsicht aber bei Gefahren für die Standsicherheit erfolgen, wenn diese aus mangelhafter Betonausführung resultieren. Die Folgen sind gravierend, da Bauverzögerungen erhebliche Mehrkosten für den Verursacher bedeuten können.

So verlässlich Beton auch ist – in der Bauausführung sind sorgfältige Kontrollen essenziell. Andernfalls ist der Schaden förmlich „zementiert“.

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Die Nutzung der männlichen Form in Fällen der Allgemeingültigkeit dient ausschließlich der Lesbarkeit juristischer Texte.

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