CUBE, weltweit erstes Gebäude aus Carbonbeton
Ein Kleinod, ein Meisterwerk, ein großer Schritt in Richtung zukunftsfester Bausektor … und natürlich: weltweit erstes seiner Art sei der „CUBE“ genannte Pavillonbau aus Carbonbeton in der Einsteinstraße 12 in Dresden, der Ende September feierlich eingeweiht wurde. Feierlich, weil Prominenz anwesend war, Gäste aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Das Konzeptdesign stammt von HENN, für die Generalplanung war die AIB – Architekten Ingenieure Bautzen GmbH zuständig.
Was aber ist nun der Carbonbeton, dessen Entwicklung seit 2014 an der TU Dresden vorangetrieben wird? Das unter dem Namen „C3 – Carbon Concrete Composite“ bekannt gewordene, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Programms „Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation“ bis 2021 geförderte Projekt möchte die klassische Stahlbewehrung von Beton durch Carbonmatten (textile Bewehrung) oder Stäbe ersetzen. Weil damit die sonst notwendige Überdeckung der korrosionsanfälligen Stahleinlagen minimalisiert werden kann, soll bis zu 70 % des Betonvolumens gespart werden können; wie auch die Carbonbewehrung eine bis zu sechsmal größere Zugfestigkeit besitzt als Stahl. Für Deutschland rechnen die Wissenschaftler:innen damit, rund 20 % des Stahls durch Carbon zu ersetzen. Was längst schon, lange schon hätte erreicht werden können, hätten wir auf den großen Stephan Polonyí gehört, der zwar wie eine Ikone der Bauingenieurskunst verehrt wird, dann ist aber auch Schluss. Schließlich hatte der Mann schon vor Jahrzehnten darauf hingewiesen, dass die geübten Bewehrungstechniken nicht optimal seien und weil sie nicht optimal seien – beispielsweise immer dem Kraftverlauf zu folgen – hätte man mehr Beton genommen, um die grundsätzliche Schwäche der Konstruktion auszugleichen. Polonyí hat vielfach vorgerechnet, dass die Masse der Bewehrungsstähle bei klugem Einsatz um wenigstens 20 % reduziert werden könnte, wenn man denn wolle! (vgl. St. Polonyí, Der Beton und seine zweckmäßige Armierung. In DBZ 02 | 2020, S. 54ff.)
Treiber und kreative Köpfe des Projekts Carbonbeton waren u. a. Manfred Curbach, Peter Offermann und Chokri Cherif, alle TU Dresden, sie wurden für das neue Komposit 2016 mit dem Deutschen Zukunftspreis ausgezeichnet. Ob die angestrebte Materialeffizienz am Ende jedoch – und wieder einmal – eine Sackgasse des Typen von Forschung darstellt, der immer nur die Effizienz, nicht aber die Effekte vor Augen hat? Zunächst einmal kann man Carbonbeton nicht gleichwertig wieder verwenden, das Material ist nicht auf Trennung seiner Bestandteile angelegt. Downcycling statt Kreislauf?
Zum anderen ist noch immer nicht geklärt, was wir mit gebrauchtem Carbon machen, problemlos recyclefähig ist das Material nicht. Thermische Verwertung? Dann führt die Verschlankung (Effizienz) der Betonteile dazu, dass wieder mehr Material frei wird, das verplant werden kann. Wie sieht es aber dann mit passiver Bauteilaktivierung aus? Schlankere Querschnitte speichern weniger Energie, sind weniger träge und haben – auch das ein Fragezeichen – weniger Absorbtions- (Schallleitung z. B. bei Decken) und Brandwiderstandvermögen. Zudem ist allen klar, dass die Betonkomponente des Carbonbetons nichts anderes ist als ein vergleichbarer Hochleistungsbeton des Stahlbetons. Der Effekt: Wir bauen zwar mit weniger Material je Einheit, dafür dann wieder mehr Einheiten. Denn die Frage, ob wir jeden Bedarf mit einem Neubau befriedigen wollen, wird in der Regel immer noch mit einem eindeutigen JA beantwortet; jedenfalls so lange, so lange Beton Gold wert ist. Dieses JA wurde auch im Rahmen der Eröffnung laut. Hier verkündete Bildungsbürgermeister Jan Donhauser: „Lösungen wie diese werden dringend gebraucht, um Ressourcen zu schonen. Deshalb planen wir ebenfalls, zwei Schulsporthallen mit Carbonbeton entstehen zu lassen.“ Neubau, aber eben mit der Innovation „Made in Saxony“, so der Staatssekretär für Wirtschaft und Arbeit, Thomas Kralinski. Effizienz ja, Effekte? Zum Beispiel der Wirtschaftskraft eines Landes etwas Gutes tun! Mit Gunter Henn unterhielten wir uns mit durchaus kritischer Distanz, der Architekt konterte mit Argumenten und großer Zuversicht (in DBZ 06 |2022). Be. K.