Daniel Libeskind im Wald?
Ein bisschen undurchsichtig ist die ganze Sache schon, aber der Reihe nach. Zunächst einmal gibt es die München Süd Sportschule Projekt & Immobilien Verwaltungs GmbH, die sich 2022 in Starnberg gegründet hatte und deren Mission/Vision es ist, „jungen Talenten eine professionelle sportliche Förderung und gleichzeitig eine erstklassige schulische Ausbildung bis zum Abitur zu ermöglichen“. Dafür wollen die Initiatoren eine Privatschule installieren, deren Standort im Frühjahr dieses Jahres in Geretsried gefunden wurde, einer Gemeinde im oberbayerischen Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen; jedenfalls stehen seitens der Gemeindeverwaltung alle Türen für die Ansiedlung eines Sportgymnasiums offen. Am 14. Mai hatte der Stadtrat die Aufstellung des Vorhabenbezogenen Bebauungsplanes Nr. 156 „Gemeinbedarfsfläche – Neubau eines Sportgymnasiums am Schulzentrum“ beschlossen. Aktuell liegt die für eine Bebauung nötige 26. Änderung des Flächennutzungsplans noch bis in den November hinein aus, der Streit um das Neubauprojekt ist allerdings voll entbrannt.
Denn auch wenn der Neubau nachhaltig gebaut und betrieben werden soll, wenn er Teil einer öffentlichen Lern- und Lehreinrichtung wird und auch wenn mit ihm die Gemeinde Zuzug generiert und damit ein höheres Einkommen: Es sollen für die neue Schule im Stadtwald Bäume gefällt werden auf ca. 20 000 m² Fläche, was aber weniger als 1 % der Gesamtwaldfläche der Kommune sei, so die Projekt & Immobilien Verwaltungs GmbH beruhigend. 4 500 Geretsrieder haben schon unterschrieben, das ist bei rund 25 000 Einwohnerinnen die Mehrheit der Stimmberechtigten.
Natürlich braucht man Bilder, möchte man für ein derartiges Projekt einen Finanzier gewinnen. Erste frühe Visualisierungen zeigten Laufbahnen mit irgendeiner Pavillon-Architektur im Hintergrund (C. F. Møller Architects, Århus/DK). Für derart unspektakulären Neubau aber konnte sich offenbar keiner begeistern, es musste ein Star-Architekt her, in diesem Fall wurde es Daniel Libeskind; den hatte man zufällig irgendwo getroffen. Dessen amorphe, ein- bis mehrgeschossige „Lernhäuser“, die sich um die zentrale Sporthalle gruppieren, sollen von den vom benachbarten Isarwasser umflossenen Kieselsteinen inspiriert sein. Die Architektur ist eine Holzkonstruktion. Laufbahnen sieht man auf dem ansonsten von Bäumen dicht bestandenen Restgelände nicht.
Ob die Gemeinde ein Sportgymnasium braucht? Verkauft wird es ihr mit der auch möglichen, öffentlichen Nutzung (der Halle). Ob wir prinzipiell Gymnasien brauchen, die den Leistungsport fördern ist eine ganz andere Frage. Die Auffassung, dieses Land falle auch auf diesem Leistungssegment hinter andere Nationen zurück, erinnert zu sehr an vergangen geglaubte Zeiten. Da wurde auf Betonböden trainiert, gesichtert von mit Pferdehaar gestopften Ledermatten. Mens sana in corpore sano?
Gute Lehrer? Ja. Gute Schulbauten: Ja. Aber öffentlich geförderte Privatschulen, die das Leis-tungsprinzip zum neuen Ethos stilisieren? Eher nicht. Doch in Zeiten, in denen wir wieder in die guten alten Zeiten zurück sollen, kommt solcherart Haltung wohl an. Wir bleiben dran. Be. K.